bos 2/2
13. Exzentrik
—
L. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-Tork,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Jewähr.)
Ausschnitt a
Wener Morgen Beitung
vom:
* (Wohltätigkeits=Soiree.) Der Anlaß—tsmelrg
uns gar nichts. Doch wenn die Zuhörer gestern im Bösen¬
Udorfer=Saale bei manchem, das da gesagt wurde, etwas wie
schneidenden Hohn, boshafte Verachtung gegen eine gewisse
Klasse von „höheren Menschen“ herausgehört haben, die oft
allzustark die Spitzen menschlicher Selbstsucht umbiegt, so
kann man ihnen das nicht gut übelnehmen. Wenn zum
Beispiel die Behörden der bourgeoisen Lächerlichkeit bei so
geringen Anlässen nicht stand halten können, wie in der
Affaire der 114jährigen Frau, deren Geburtstag der
Bürgermeister nicht gefeiert wissen will, weil sie
vor fast. hundert Jahren ein uneheliches Kind
gehabt hat, oder in der des Wachmannes, der im
komischen Diensteifer mit lächerlicher Würde bei einem
Straßenunglück die Amtsperson herauskehrt, dann kann es einen
nicht wundernehmen, wenn nach diesen Kleinlichkeiten abge¬
schätzt und im Lichte der Satire betrachtet, so manches aus
dem Programm des gestrigen Abends auf den Fall der Frau
v. Hervay bezogen wurde. In der Natur des Herry
Salten ist der Zug gegen alles vom sechszackigen
Krönlein aufwärts unverkennbar. Die Erhebungen über die
Barbara Liebhardt, das ist die 114jährige, ganz köstlich!
Diese Sticheleleien auf die empfindlichen Behörden, die kleinen
engen Bauernköpfe sind aber nicht alles. Wie in der „kleinen
Veronika“ der Hintergrund der lieben Stadt eine# reißende
Geltung bekommt, wie in „der Gedenktafel“ sich um kleine
Frivolitäten große Seligkeiten winden, so steigt hier oft eine
wunderbare Stimmung in berückendem Lichte empor. Als
die Barbara sagt, ihr Liebhaber sei in der Schlacht bei
Aspern gefallen und die beschränkten Menschen (ein ver¬
nünftiger würde kaum anders tun) denken, wie denn das
möglich ist, kommt das wunderbare Gefühl auf, daß man
Menschen gegenüber hat, die aus ganz fernen Tagen ge¬
kommen und Dinge erlebt und sie erzählen, als
wenn sie vor Stunden geschehen wären. So die
114jährige Barbara, die gestern Salten selbst
mit etwas Einschlag ins Wienerische entzückend las. Beim
Hören seiner Sachen ist es immer der persönlichste Reiz,
der feinste Genuß, eine absolute Selbstgewißheit des
Tones beim Verfasser zu spüren, der nie auch nur eine
leise Nuance an falsche Spielarten anschlägt. „Szenen aus
einer Novelle“ las Herr Dr. Max Burckhard; hier
trat die einfache Gebärde voller Offenheit, das grad¬
linige Oesterreichertum deutlich in Erscheinung. Diese
Szenen spielen zwischen vier Menschen. Einem
Sektionschef, zwei neuernannten Bezirkshauptmän¬
nern (adelig und bürgerlich) und dem Kanzleidiener
Die Gestalten sind mit sicherer Psychologenkunst gezeichnet
die Reden funkeln von organisch erwachsenem Witz. Das
lebenskennerische und stillsympathische im Wesen dei
Mächtigen und wie sich dieses in wechselndem Lichie der
beiden Neulingen mitteilt, ist mit feinen Bemerkungen un
urwüchsigem Humor gegeben. Der Hofrat las recht plastise
mit großer Wirkung. Dann Hermann Bahr: „Excentric
von Schnitzler, zu Anfang ein Liliencronsches Gedich
Wunderschön plaudernd brachte er aus dem entzückende
Stück alle kostbaren Heiterkeiten, alle spöttelnde Ironi
jede feine Wendung. Zwischen all dem las die Sandro
Sachen von Keller, Lilieneron und Thoma und erziel
schöne Wirkungen. Schade ist, daß es immer Anläsie bedar
Kosiel Oevfut, Kones Pur eun iun Austungenen unge u. u
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, Lendon, New-Vork,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
vom: 3- 2. 1905
Mustriertes Wiener Exfrablatt
KZ
(Literarische Wöhlthätigreits=Soiree.) Im
Bösendorfer=Saale erschienen gestern Adele Sand¬
rock, Felix Salten, Max Burckhard und
Hermann Bahr am Vorlesetische. Die Tragödin und
die ihr verbündeten Schriftsteller hatten wieder ein¬
mal ihr Renommée und ihre Kunst in den Dienst der
Wohlthäligkeit gestellt und es ist sehr zu bedauern,
daß der materielle Erfolg der Veranstaltung wohl kaum
den gehegten Erwartungen entsprochen hat. Der
Zweck der Veranstaltung war, der tragischen Heldin
des Dramas von Mürzzuschlag Frau Leontine von
Hervay die Mittel zur Gründung einer be¬
scheidenen Existenz zu beschaffen. Die Sache schlug
also in Hinsicht dieses Endzweckes fehl und das
interessante Programm, für dessen Anziehungskraft
doch schon die Namen der Mitwirkenden hätten
sichere Bürgschaft bieten sollen, rollte sich von
einem nur schwach besetzten Saale ab, in dessen
Bankreihen
gähnende Lücken klafften. Felix
Salten eröffnete den Reigen mit einer
flotten Novelle. Ihr heiterer Vorwurf sind die „Er¬
hebungen über das Vorleben“ einer hundertvierzehn¬
jährigen Matrone, deren Geburtstag officiell gefeiert
worden und so dem populären nad auf Popularität
erpichtem Bürgermeister den willkommenen Anlaß
geben soll, unter das Volk zu gehen. Im Laufe der
Erhebungen stellt sich aber heraus, daß die Matrone
als Zwanzigjährige einem „ledigen Kinde“ das Leben
geschenkt hat. Ihr Liebster, ein Fiakerkutscher, ist in
der Schlacht bei — Aspern gefallen. Und nun wird von
der Geburtstagsfeier Abstand genommen, da man dem
Bürgermeister doch nicht zumuthen könne, eine Person,
die notorisch einen unmoralischen Lebenswandel
geführt habe, zu ihrem Geburtstage auch noch zu
gratuliren. Der Verfasser brachte die vielfältigen
höchstactuellen Seitenhiebe, die seine Erzählung
würzen, eindringlichst zur Geltung und erntete ver¬
ständnißvollen Beifall. Adele Sandrock las
großer Wirkung zwei Gedichte
„Ein G
von Liliencron und „Die Klage der
Gottfried Keller
und holte
Thoma's humorvolle Skizze
einen stürmischen Heiterkeits
hard brachte ein größ
Novelle zur Vorlesun
zur Psychologie
kratismus, maß
knapp in der
Bosheit
leben eines
beim Publicu
Allerdings ist
Vortrages und
lebhafte Gesten mi
*
sichtigt, erreichen helfen. Zum Schlusse las Hermann
Bahr ein Gedicht von Lilieneron „Die neue Eisen¬
bahn“, und mit großem Lacherfolge Arthur Schnitzle
burleske Novelle „Excentrie“.
13. Exzentrik
—
L. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-Tork,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Jewähr.)
Ausschnitt a
Wener Morgen Beitung
vom:
* (Wohltätigkeits=Soiree.) Der Anlaß—tsmelrg
uns gar nichts. Doch wenn die Zuhörer gestern im Bösen¬
Udorfer=Saale bei manchem, das da gesagt wurde, etwas wie
schneidenden Hohn, boshafte Verachtung gegen eine gewisse
Klasse von „höheren Menschen“ herausgehört haben, die oft
allzustark die Spitzen menschlicher Selbstsucht umbiegt, so
kann man ihnen das nicht gut übelnehmen. Wenn zum
Beispiel die Behörden der bourgeoisen Lächerlichkeit bei so
geringen Anlässen nicht stand halten können, wie in der
Affaire der 114jährigen Frau, deren Geburtstag der
Bürgermeister nicht gefeiert wissen will, weil sie
vor fast. hundert Jahren ein uneheliches Kind
gehabt hat, oder in der des Wachmannes, der im
komischen Diensteifer mit lächerlicher Würde bei einem
Straßenunglück die Amtsperson herauskehrt, dann kann es einen
nicht wundernehmen, wenn nach diesen Kleinlichkeiten abge¬
schätzt und im Lichte der Satire betrachtet, so manches aus
dem Programm des gestrigen Abends auf den Fall der Frau
v. Hervay bezogen wurde. In der Natur des Herry
Salten ist der Zug gegen alles vom sechszackigen
Krönlein aufwärts unverkennbar. Die Erhebungen über die
Barbara Liebhardt, das ist die 114jährige, ganz köstlich!
Diese Sticheleleien auf die empfindlichen Behörden, die kleinen
engen Bauernköpfe sind aber nicht alles. Wie in der „kleinen
Veronika“ der Hintergrund der lieben Stadt eine# reißende
Geltung bekommt, wie in „der Gedenktafel“ sich um kleine
Frivolitäten große Seligkeiten winden, so steigt hier oft eine
wunderbare Stimmung in berückendem Lichte empor. Als
die Barbara sagt, ihr Liebhaber sei in der Schlacht bei
Aspern gefallen und die beschränkten Menschen (ein ver¬
nünftiger würde kaum anders tun) denken, wie denn das
möglich ist, kommt das wunderbare Gefühl auf, daß man
Menschen gegenüber hat, die aus ganz fernen Tagen ge¬
kommen und Dinge erlebt und sie erzählen, als
wenn sie vor Stunden geschehen wären. So die
114jährige Barbara, die gestern Salten selbst
mit etwas Einschlag ins Wienerische entzückend las. Beim
Hören seiner Sachen ist es immer der persönlichste Reiz,
der feinste Genuß, eine absolute Selbstgewißheit des
Tones beim Verfasser zu spüren, der nie auch nur eine
leise Nuance an falsche Spielarten anschlägt. „Szenen aus
einer Novelle“ las Herr Dr. Max Burckhard; hier
trat die einfache Gebärde voller Offenheit, das grad¬
linige Oesterreichertum deutlich in Erscheinung. Diese
Szenen spielen zwischen vier Menschen. Einem
Sektionschef, zwei neuernannten Bezirkshauptmän¬
nern (adelig und bürgerlich) und dem Kanzleidiener
Die Gestalten sind mit sicherer Psychologenkunst gezeichnet
die Reden funkeln von organisch erwachsenem Witz. Das
lebenskennerische und stillsympathische im Wesen dei
Mächtigen und wie sich dieses in wechselndem Lichie der
beiden Neulingen mitteilt, ist mit feinen Bemerkungen un
urwüchsigem Humor gegeben. Der Hofrat las recht plastise
mit großer Wirkung. Dann Hermann Bahr: „Excentric
von Schnitzler, zu Anfang ein Liliencronsches Gedich
Wunderschön plaudernd brachte er aus dem entzückende
Stück alle kostbaren Heiterkeiten, alle spöttelnde Ironi
jede feine Wendung. Zwischen all dem las die Sandro
Sachen von Keller, Lilieneron und Thoma und erziel
schöne Wirkungen. Schade ist, daß es immer Anläsie bedar
Kosiel Oevfut, Kones Pur eun iun Austungenen unge u. u
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, Lendon, New-Vork,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
vom: 3- 2. 1905
Mustriertes Wiener Exfrablatt
KZ
(Literarische Wöhlthätigreits=Soiree.) Im
Bösendorfer=Saale erschienen gestern Adele Sand¬
rock, Felix Salten, Max Burckhard und
Hermann Bahr am Vorlesetische. Die Tragödin und
die ihr verbündeten Schriftsteller hatten wieder ein¬
mal ihr Renommée und ihre Kunst in den Dienst der
Wohlthäligkeit gestellt und es ist sehr zu bedauern,
daß der materielle Erfolg der Veranstaltung wohl kaum
den gehegten Erwartungen entsprochen hat. Der
Zweck der Veranstaltung war, der tragischen Heldin
des Dramas von Mürzzuschlag Frau Leontine von
Hervay die Mittel zur Gründung einer be¬
scheidenen Existenz zu beschaffen. Die Sache schlug
also in Hinsicht dieses Endzweckes fehl und das
interessante Programm, für dessen Anziehungskraft
doch schon die Namen der Mitwirkenden hätten
sichere Bürgschaft bieten sollen, rollte sich von
einem nur schwach besetzten Saale ab, in dessen
Bankreihen
gähnende Lücken klafften. Felix
Salten eröffnete den Reigen mit einer
flotten Novelle. Ihr heiterer Vorwurf sind die „Er¬
hebungen über das Vorleben“ einer hundertvierzehn¬
jährigen Matrone, deren Geburtstag officiell gefeiert
worden und so dem populären nad auf Popularität
erpichtem Bürgermeister den willkommenen Anlaß
geben soll, unter das Volk zu gehen. Im Laufe der
Erhebungen stellt sich aber heraus, daß die Matrone
als Zwanzigjährige einem „ledigen Kinde“ das Leben
geschenkt hat. Ihr Liebster, ein Fiakerkutscher, ist in
der Schlacht bei — Aspern gefallen. Und nun wird von
der Geburtstagsfeier Abstand genommen, da man dem
Bürgermeister doch nicht zumuthen könne, eine Person,
die notorisch einen unmoralischen Lebenswandel
geführt habe, zu ihrem Geburtstage auch noch zu
gratuliren. Der Verfasser brachte die vielfältigen
höchstactuellen Seitenhiebe, die seine Erzählung
würzen, eindringlichst zur Geltung und erntete ver¬
ständnißvollen Beifall. Adele Sandrock las
großer Wirkung zwei Gedichte
„Ein G
von Liliencron und „Die Klage der
Gottfried Keller
und holte
Thoma's humorvolle Skizze
einen stürmischen Heiterkeits
hard brachte ein größ
Novelle zur Vorlesun
zur Psychologie
kratismus, maß
knapp in der
Bosheit
leben eines
beim Publicu
Allerdings ist
Vortrages und
lebhafte Gesten mi
*
sichtigt, erreichen helfen. Zum Schlusse las Hermann
Bahr ein Gedicht von Lilieneron „Die neue Eisen¬
bahn“, und mit großem Lacherfolge Arthur Schnitzle
burleske Novelle „Excentrie“.