I, Erzählende Schriften 11, Frau Bertha Garlan. Roman, Seite 10

11. Frau Bertha Garlan
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au Deret Gar Tan
.
unverstandene Frau aus darauf, von Politik nichts zu verstehen... Der Dichter steht] Schreibt einmal den großen Wiener Roman, der im Quer¬
e Urmütter sind Balzac's auf höherer Zinne, als auf der Zinne der Partei — gut, schnitt alle Schichten der Bevölkerung von der obersten bis,
und Flaubert's „Madame aber sehen müßte er doch, was um ihn vorgeht, in sein
zur untersten in der immerwährenden Wechselwirkung zeigt;
#icen hat England und Ruß= Gesichtsfeld müßte es doch fallen und ihn zur Wiedergabe laßt uns hineinblicken in die Rathssiuben und die
tenant wird in Preußen
reizen, gleichviel ob er es loben oder tadeln will, ob er
Sacristeien wie in die Boudoirs und die Beisel; scheut
rbittlich als von Schnitzler,
für die schwarze oder die rothe Internationale begeistert ist.
nicht zurück vor der Schilderung noch s
hoch¬
zur Caricaturen der Goethe¬
Oder waren etwa Balzac, Zola, Turgenjew, Tolstoi,
geborener Herrschaften und ihres Treibens, so
wie
igen bis zum Eduard der
Spielhagen Freytag keine Poeten, weil sie mit mehr oder
ihr's kennt,
wie ihr's euch vorstellt, und
inglück der Wiener Pro¬
minderem Glück Vollbilder ihrer Zeit, ihres Landes, ihrer
ihr sollt sehen, wie
euch das Interesse auf
m zu breiten Raum darin
großen Weltcentren gegeben haben? Nur der Blick des
einmal wieder zugeflogen kommt, das ihr mit euren ewigen
rischgleichwerthigen Motiven
Wiener Schriftstellers soll auf den Alkoven beschränkt sein?
Geschichten vom Schottenring und von Hernals schon halb
Erotik war zu allen Zeiten
Es scheint ihm wichtiger, zuvor der Frau das Recht auf
verscherzt habt. Ein hischen Muth, ein bischen Kraft, ein
unst, und wer nicht zu
das Sichausleben zu erobern, ehe er sich in die Welt¬
bischen Leidenschaft gehört freilich dazu. Wien wartet noch
f den Mann, der Mann
händel mischt? Wie aber geht das ohne Eingreifen in die
auf seinen Balzac, seinen Turgenjew oder — wir geben's
soll Leim sieden oder in
Welthändel? Ist nicht die Ehe eine Form der Privat¬
viel billiger — nur auf seinen Alphonse Dandet, der in
Künstler werden, und
wirthschaft und unabänderlich ohne Beseitigung dieser, und
seinem „Nabob“, in seinem „Numa Roumestan“ doch gezeigt
er Elos nichts weiß, mag
wie wollt ihr diese auch nur erschüttern ohne politischen
hat, wie man romantisch sein kann auch im brennend
dienen, die Welt wird es
Kampf? Und wenn ihr den Zusammenhang erst begriffen
deutlichen Zeitbilde — versucht's nur, ihr Herren Poeten,
die ganz in der Erotik
habt, überlegt ihr es euch vielleicht überhaupt noch ein
und wenn euch das Bild der großen Welt so gelingt wie
zudoir=Requisit, zum aus¬
bischen bevor ihr der Ehe den Tod ankündigt.
das der schon zum Ueberdrusse bekannten allerkleinsten,
segenstand und hört auf,
Nein, ihr braucht gar nicht zu politisiren und euch
dann braucht euch um die Lorbeern und die schönen Villen
interessiren. Man soll das
nicht in den Parteistreit zu mischen. Aber ihr sollt im
am Comersee nicht bange zu sein. In seinem Roman „Am
t lassen. Könnte Jemand
Spiegel eurer noch so engen Werkchen zeigen daß ihr das
Wege sterben“ hat J. I. David einen Anlauf genommen
eratur beispielsweise ent¬
Vollbild eurer Zeit umfaßt, daß ihr Menschen eurer Zeit
und den slavischen Geheimbund geschildert, der sich die
alte Metropole des alten
seid und, wie es Männern geziemt, zu allen ihren Problemen
Eroberung der Stadt Wien und damit des Reiches zum
tiger ist als ein politisches
auf welche Weise immer Stellung genommen habt. Ihr
Ziele gesetzt hat. Aber der Autor ist selber am Wege
ier jahraus jahrein viel
sollt uns zeigen, daß ihr Persönlichkeiten seid, mit denen
liegen geblieben. Er ist über den Unterbau des Wiener
thätig sind, die festen
auch ein vielbeschäftigter Mann eine Stunde seiner knapp
Romans nicht hinausgekommen. Nun erwarten wir den
unterwühlen? Hat
bemessenen Zeit zu verbringen nicht für Vergeudung
stolzen Hochbau, für den das Material geradezu auf der
gejuckt, der Welt
hält; ihr sollt fühlen lassen, daß ihr die überragen¬
Straße liegt, Marmor und grobes Gestein, nur von der
Präsident wird", auch
den Geister jeid, die Gehör verlangen dürfen, weil
Meisterhand zu behauen und zu fügen. Besseren, inter¬
Weiß Niemand ein
sie höher stehen und tiefer blicken als alle Anderen.
essanteren Stoff gibt es auf der weiten Welt nicht —
gen, in denen man Welt¬
Seit Gottfried Keuer hat kein deutscher Dichter
jeder nachdenkliche Leser soll das fühlen, und nur die
pitzeln, denen als Schein¬
mehr das Ohr der Nation gehabt, weil keiner mehr
Gilde der Autoren nicht? An Skizzen und Atelier=Studien
sen wird, die radicalste
Denker, Dichter und tiefer Seelenkenner in Einer Person
haben sie ihre Kräfte lange genug geübt, und an Talenten
— discreditiren? Von den
gewesen ist, und ihr grabt euch immer tiefer in schwel¬
fehlt es wirklich nicht. Nun heißt es, endlich den großen
#en man es erreicht, eine
lende Pfühle ein, statt zu erkennen, daß ihr hoch, immer
Wurf versuchen; gelingt er dem Ersten nicht, so gelingt er
ikene Bevölkerung wieder
höher, zu immer weiteren Horizonten steigen müßt, um
dem Zweiten oder Dritten. Das Ziel ist des Schweißes
machen und gegen ihre wieder vernommen zu werden, wie einst die großen Wort= der Edlen werth, und es wächst der Mensch mit seinen
ih, die Literaten sind stolz.] führer des deutschen Volkes! Heraus aus dem Alkoven! größeren Zwecken.
H. Gz.