Frau Bertha Garlan
11.
box 2/1
# 4 C J n
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
EDee Auschnltt
AUt „OBSENVE
Nr. 26
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
Filiale in Bydapest: „Figyelö“
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
(aiubarslscher Cerrespendent
vor 25 792.
Frau Bertha Garlan.
koman von Arthur Schnitzler.
Berlin. S. Fischer. 1901.
Hiep reden beide: Arzt und Poet. Das Ergeoniß: Für
das Gros der Leser ein frivoles Decadence=Stück. Für die
übrigen eine lebendig gestaltete psychologische Studie aus
dem Leben des Weibes „hart an der Grenze einer Zeit, wo
es keine Hoffnungen und keine Wünsche mehr giebt" Der
Dichter nimmt sich allerdings die Freiheit, diese Grenze
—
wintürlich zu verrücken. Er macht seine Heldin um minde¬
stens ein Jahrzehnt jünger, als sie es in Wirklichkeit, zu
jener Phase, sein könnte. Er korrigirt eben die Natur zu
50 Gunsten der Anziehungskraft des Weibes, da er dem Leser
Für
100 seine Romanheldin nicht als finkendes Gestirn, als auch
lusive
physisch vom Lebensdurst gestillt vorstellen kann.
Der Roman berührt ein difficiles Gebiet. Nur die orto.
7.
— 500.
1000 Ueberkultur konnte es litterarisch in ihren Dienst stellen. olbar
„
lm Das Drum und Dran — wie immer sehr anschaulich und oraus.
ist das
Abonnemezwingend geschildert — ist wie ein fauler, schlammiger
es den
AbonnentéBoden. Kein Fünkchen echte Lebensfreudigkeit glimmt auf.
Man steht unbehaglich, fröstelnd da wie in naßkaltem
Der Herbstwetter, das selbst den Frohen muthlos machen kann.
Die Seelenstimmung Frau Bertha Garlan's ist mit
and die
Inhaltsan
eminent feinem Spürblick herausgebracht. Nicht die leifeste
9
blätte
wodurch Regung ist dem Verfasser entgangen. Und wir können ihmrgen.
itung“
Leben de das Zugeständniß machen, daß er ein lebenswahres und astliche
se Mit¬
theilunger lebensgetreues Bild gezeichnet hat, aus dem die Seele zu
Grundaedanke, der tief sittlich ist, der die
uns spricht der##ehörtdas die Lüstern¬
heit für sich reklamirt. Es ist die Reoe von ehelicher und
freier Liebe, — ein „frei“ in weitestem Sinne, das die gan¬
Kändige“ Frau, die sich ihren Regungen überläßt, im
Gegensatz zur Absolution des Mannes ohne weiteres ver¬
dammt. Weshalb? Warum berührt das zügellose Auf¬
gehen in der Liebesleidenschaft von Seiten der Frau so
peinlich? Schnitzler's Heldin „ahnt das ungeheure Unrecht
in der Welt: Daß die Sehnsucht nach Wonne ebenso in die
Frau gelegt wird als in den Mann, und daß es bei den
Frauen Sünde wird und Sühne fordert, wenn die Sehnsucht
nach Wonne nicht zugleich die Sehnsucht nach dem Kinde ist.“
Frau Bertha Garlan gelangt nach einer Zeit morali¬
scher Wirren, als die letzten Schauer einer verlangenden
Werblichkeit, alles, was sie für Liebe gehalten, in nichts zu
verströmen beginnen, zur rechten Einsicht über ihr Wesen.
Sie erkennt, „daß sie nicht von denen war, die, mit leichtem
Sinn beschenkt, die Freuden des Lebens ohne Zagen trinken
dürfen.“ Als Pendant, in zweiter Linie, steht die Freundin
Bertha's, Frau Rupius. An einen Gelähmten gefesselt,
treibt die Lebensgier sie einem anderen in die Arme. Sie
geht an ihrem Betrug zu Grunde, während der Mann, für
den sie stirbt, straflos und auch wohl reuelos draußen in
der großen Stadt herumgeht und weiterleben darf wie
tausend andere auch —
ächtniß“ schlägt einen ähnlich=ernsten Ton
das man einer großen Frage vergleichen
—4
Jalene Jageblatt¬
% 535
6/1. 04.
Arthur Schnitzler. Frau Bertha Garlan. Berlin,
S. Fischer.
Der Jung=Wiener Dichter, der nicht erst, wie umnerlich ge
schehen, die Märtyrerkrone hätte erhalten müssen, für eines
unserer stärksten zeitgenössischen Talente zu gelten „Arthur Schnitzler
hat in diesem Ryman nicht sein Bestes gegebeu Er ist ja immer
Anklage= und Thesendichter, aber sonst umkleide# er doch das logische
Gerippe der Handlung mit viel mehr lebendihem Fleisch, als er es
dieses Mal gethan hat. Die These des Romnans lautet, daß das
Recht auf Liebesgenüß bei Männern und Frauen darum nicht
gleich sei, weil die Frate ihn nicht um seiner selber willen begehren
dürfe, sondern nur in Sehnsucht nachder Mutterschaft. — Das mag
soziales als ein
richtig sein, ist aber mehr ein medizinisches unt
dichterisches Beweisthema. Schnitzter, den diese These als früheren
sie erst
ganz
Mediziner ja sehr fesseln möchte, äußert
am Schluß des Buches. Weim er sie nicht äußerte, würden
wir das Abenteuer der „Fran Bertha Garlan“ aus sich selbst
heraus gar nicht verstehen und würden kaum wissen, ob damit ein
recht unbedentender Einzelfall oder eine typische Erscheinung
modernen Frauenthunks gemeint ist. Menschlich läßt uns die Ge¬
schichte in jedem Falle kalt. Daß die tugendhafte, im Grunde recht
ein
beschränkte Wittue Garlan, die in der Tlei¬
Dämmerleben „führt, nun plötzlich eine Akt
in einer illustrirten Zeitung das
weil
Jügendgeliebten findet, daß sie
1
wirft und auf kurze Stunden ihm
hut ist, sich zu kaufen, das will
so
vorkommen. Und es ist, als ob 2
für nicht recht glaubhaft hielte. Denn
plötzliche, ebenso schnell kommende wie ver
körperliche, in der Natur des Weibes be
klären, die wiederum mehr den Arzt als d
Gestaltung interessiren können. — Daß der 9
viele Feinheiten enthält, graziöse Nüancen, packende St
immung“
das versteht sich bei Arthur Schnitzler von selbst.
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# 4 C J n
Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
EDee Auschnltt
AUt „OBSENVE
Nr. 26
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, IX/1, Türkenstrasse 17.
Filiale in Bydapest: „Figyelö“
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Ausschnitt aus:
(aiubarslscher Cerrespendent
vor 25 792.
Frau Bertha Garlan.
koman von Arthur Schnitzler.
Berlin. S. Fischer. 1901.
Hiep reden beide: Arzt und Poet. Das Ergeoniß: Für
das Gros der Leser ein frivoles Decadence=Stück. Für die
übrigen eine lebendig gestaltete psychologische Studie aus
dem Leben des Weibes „hart an der Grenze einer Zeit, wo
es keine Hoffnungen und keine Wünsche mehr giebt" Der
Dichter nimmt sich allerdings die Freiheit, diese Grenze
—
wintürlich zu verrücken. Er macht seine Heldin um minde¬
stens ein Jahrzehnt jünger, als sie es in Wirklichkeit, zu
jener Phase, sein könnte. Er korrigirt eben die Natur zu
50 Gunsten der Anziehungskraft des Weibes, da er dem Leser
Für
100 seine Romanheldin nicht als finkendes Gestirn, als auch
lusive
physisch vom Lebensdurst gestillt vorstellen kann.
Der Roman berührt ein difficiles Gebiet. Nur die orto.
7.
— 500.
1000 Ueberkultur konnte es litterarisch in ihren Dienst stellen. olbar
„
lm Das Drum und Dran — wie immer sehr anschaulich und oraus.
ist das
Abonnemezwingend geschildert — ist wie ein fauler, schlammiger
es den
AbonnentéBoden. Kein Fünkchen echte Lebensfreudigkeit glimmt auf.
Man steht unbehaglich, fröstelnd da wie in naßkaltem
Der Herbstwetter, das selbst den Frohen muthlos machen kann.
Die Seelenstimmung Frau Bertha Garlan's ist mit
and die
Inhaltsan
eminent feinem Spürblick herausgebracht. Nicht die leifeste
9
blätte
wodurch Regung ist dem Verfasser entgangen. Und wir können ihmrgen.
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Leben de das Zugeständniß machen, daß er ein lebenswahres und astliche
se Mit¬
theilunger lebensgetreues Bild gezeichnet hat, aus dem die Seele zu
Grundaedanke, der tief sittlich ist, der die
uns spricht der##ehörtdas die Lüstern¬
heit für sich reklamirt. Es ist die Reoe von ehelicher und
freier Liebe, — ein „frei“ in weitestem Sinne, das die gan¬
Kändige“ Frau, die sich ihren Regungen überläßt, im
Gegensatz zur Absolution des Mannes ohne weiteres ver¬
dammt. Weshalb? Warum berührt das zügellose Auf¬
gehen in der Liebesleidenschaft von Seiten der Frau so
peinlich? Schnitzler's Heldin „ahnt das ungeheure Unrecht
in der Welt: Daß die Sehnsucht nach Wonne ebenso in die
Frau gelegt wird als in den Mann, und daß es bei den
Frauen Sünde wird und Sühne fordert, wenn die Sehnsucht
nach Wonne nicht zugleich die Sehnsucht nach dem Kinde ist.“
Frau Bertha Garlan gelangt nach einer Zeit morali¬
scher Wirren, als die letzten Schauer einer verlangenden
Werblichkeit, alles, was sie für Liebe gehalten, in nichts zu
verströmen beginnen, zur rechten Einsicht über ihr Wesen.
Sie erkennt, „daß sie nicht von denen war, die, mit leichtem
Sinn beschenkt, die Freuden des Lebens ohne Zagen trinken
dürfen.“ Als Pendant, in zweiter Linie, steht die Freundin
Bertha's, Frau Rupius. An einen Gelähmten gefesselt,
treibt die Lebensgier sie einem anderen in die Arme. Sie
geht an ihrem Betrug zu Grunde, während der Mann, für
den sie stirbt, straflos und auch wohl reuelos draußen in
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tausend andere auch —
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Arthur Schnitzler. Frau Bertha Garlan. Berlin,
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Der Jung=Wiener Dichter, der nicht erst, wie umnerlich ge
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unserer stärksten zeitgenössischen Talente zu gelten „Arthur Schnitzler
hat in diesem Ryman nicht sein Bestes gegebeu Er ist ja immer
Anklage= und Thesendichter, aber sonst umkleide# er doch das logische
Gerippe der Handlung mit viel mehr lebendihem Fleisch, als er es
dieses Mal gethan hat. Die These des Romnans lautet, daß das
Recht auf Liebesgenüß bei Männern und Frauen darum nicht
gleich sei, weil die Frate ihn nicht um seiner selber willen begehren
dürfe, sondern nur in Sehnsucht nachder Mutterschaft. — Das mag
soziales als ein
richtig sein, ist aber mehr ein medizinisches unt
dichterisches Beweisthema. Schnitzter, den diese These als früheren
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Mediziner ja sehr fesseln möchte, äußert
am Schluß des Buches. Weim er sie nicht äußerte, würden
wir das Abenteuer der „Fran Bertha Garlan“ aus sich selbst
heraus gar nicht verstehen und würden kaum wissen, ob damit ein
recht unbedentender Einzelfall oder eine typische Erscheinung
modernen Frauenthunks gemeint ist. Menschlich läßt uns die Ge¬
schichte in jedem Falle kalt. Daß die tugendhafte, im Grunde recht
ein
beschränkte Wittue Garlan, die in der Tlei¬
Dämmerleben „führt, nun plötzlich eine Akt
in einer illustrirten Zeitung das
weil
Jügendgeliebten findet, daß sie
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wirft und auf kurze Stunden ihm
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so
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für nicht recht glaubhaft hielte. Denn
plötzliche, ebenso schnell kommende wie ver
körperliche, in der Natur des Weibes be
klären, die wiederum mehr den Arzt als d
Gestaltung interessiren können. — Daß der 9
viele Feinheiten enthält, graziöse Nüancen, packende St
immung“
das versteht sich bei Arthur Schnitzler von selbst.