I, Erzählende Schriften 11, Frau Bertha Garlan. Roman, Seite 16

11. Frau Bertha Garlan
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4 4. S 4 a.
Dr. Max Goldschmidt
Bureau für Zeitungsausschnitte und Verlag
der Wissenschaftlichen Revue.
Berlin N., Auguststr. 87 part.
Telephon Amt III, No. 3051.
Ausschnitt.
öinische Zeitung
200071001
Telefon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
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Ausschnitt
105
—.
„UBSERVER Nr. 50
Mit viel leichterm Gepäck kommt der Oesterreichen
Schnitzler an uns heran in seinem ebenfalls bei S. Fischer in
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Be erschienenen Roman „Frau Bertha Garlan“. Aber bei
aller Hochachtung vor dem Denker Felix Holländer werden wir bei
Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
hm die reinere Kunstwirkung finden, die nicht nur dem einfa
— Filiale in Budapest: „Figyeló“ —
ber fein aus dem Leben geschöpften Stoffe, sondern auch der
ezeichneten Darstellung entspringt. Es ist ein erotischer
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
Die verwitwete, noch junge Frau Garlan führt in einer K
nfern von Wien ein einförmig stilles Dasein. Da hört
kr Jugendgeliebte, ein jetzt berühmter Musiker, nach lan
Ausschnitt aus:
esenheit wieder in Wien sei. Der Lebensdrang erwacht i
reist dorthin, findet den Freund und sieht eine neue schöne
Die Wage, Wien.
kunft erblühen. Aber sie muß erfahren, daß was ihr das Heili
Inhaltsschwerste der Weibesseele war, ihm nur ein angeneh
vom 2½
Abenteuer bedeutete, wie es ein verwöhnter Künstler in blaf
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Tändelei hinnimmt. In ihrer Weiblichkeit tief verwundet, kel
in ihr freudelos stilles Daheim zurück. Eine tragisch enden
rallele, die sich bei einer Bekannten, einer verheirateten Fre
Arthur Schnitzler. „Frau Bertha Garlan“, Roman. Berlin,
zieht, gibt ihr noch besonders nachdrücklich den Beweis
Männer da nur grobe Egoisten ihrer Sinne bleiben, wo
S. Fischer Verlag 1901. — Die Kunst mancher Gärtner besteht darin,
die zartesten Träume spinnt. Schnitzler scheint selber
einen kleinen Garten durch geschickte Benützung des Raumes, Vertheilung
zu haben, daß in jenem tragischen Schicksal der verhei
des Schattens, überraschende Anbringung von Lichtungen, wieder von
sich eine für den feinen Geschmack bedenkliche Wendu
unerwarteten Durchblicken, Gruppen und Beeten so groß erscheinen zu
verschleiert sie möglichst discret, kann aber damit dochni
lassen, daß er das Ansehen eines mächtigen Stückes Natur gewin und
Geruch abwenden, den wir grade am Schlusse einess
schließlich, mit der ganzen Umgebung eins, den Horizont aus#eech. So
feinen Kunstwerkes umso mehr bedauern. Der?
weiß Herr Arthur Schnitzler mit feiner Geschicklichkeit und raffinirter
fiel uns während der Lectüre immer wieder ein
Anwendung seines Talentes ein kleines Gebiet von Stoffen und Ge¬
eifert ebenbürtig mit dem großen Franzosen in dem leichten
danken nicht nur als groß, sondern gar als die Welt selbst erscheinen zu
ungezwungen natürlichen Fluß des Erzählertons, in d
aber nicht gezierten Seelenschilderung, in der überzeugenden
lassen. Eine Illusion, die zwar nur den Kurzsichtigen über den wahren
wahrheit. Es ist ein Stück schlichten Alltagslebens, d
Umfang und über die eigentliche Elevation einer Begabung täuschen
lerische Kraft eine Bedeutung als Menschenschicksal verleihh
kann, aber doch an sich etwas keineswegs gering zu schätzendes ist, denn melusive
Porto.
im Erwecken von Illusion, im Erfinden, im Vortäuschen, in der
Zahlbar
0 Voraus.
Fähigkeit, überall blühenden Fictionen den Glanz der Wirklichkeit zu
geben, liegt ja das Wesen der Kunst. Auch dieser Roman einer jungen
à ist das
Witwe ist aus dem kleinen Umkreis hervorgekommen, aber mit sehr
E

suhtiler und delicoter Kunst behandelt. Die Idee, welche er darstellen,
sich in einer Laune, in der aufsteigenden Sehnsucht ihres kümmerlichen
soll, stammt freilich auch aus einer weiteren Welt, aber sie ist gleichsam
Witwendaseins einem Jngendgeliebten. Sie hofft, die ganze Liebe ihrer
als ein abstractes Topfgewächs in den Garten hineingetragen, nicht im
ersten Jugend wieder zu finden, ihm, dem Manne, ist das Alles das ge¬
Freien aufgewachsen, sie wird gesagt, nicht gezeigt. Das ist der Gedanke,
legentliche Abenteuer einer angenehmen Nacht. Heimgekehrt, lernt Frau
der den Sinn der Ehe, die Verachtung vor dem Ehebruch, die Schmach
Bertha Garlan ihr Schicksal verstehen an dem Beispiel einer ehebreche¬
als Dirne, überhaupt die außerordentliche Erhöhung und Beseelung des
rischen Freundin, welche an den Folgen ihres verheimlichten und unter¬
Geschlechtstriebes — und Actes selbst hervorgerufen hat, daß nämlich
drückten Fehltrittes zu Grunde ging. Die Fabel wird mit unnachahmlicher
der Sinn der Wollust die Sehnsucht nach dem Kinde sei, daß der Trieb
Gewandtheit und deutlicher Accuratesse erzählt in einem gelassen berichten¬
nach Forlpflanzung eine thierische Function mit dem Heiligenschein um¬
den Stil von merkwürdiger Objectivität und sachlicher Anmuth. Aber in
gibt und etwas Momentanes in den großen Hintergrund einer unend¬
die Tiefe, in den Schauer, in das eigentlich Mystische und Gewaltige
lichen Geschiechterreihe setzt, die von diesem Acte gleichsam nach vor und
jener Idee wächst diese durchaus sinnlich=klare, enge Fabel gar nicht
rückwärts der Unendlichkeit in die Arme läuft, um mit ihr die Welt zu
hinein. Es liegt aber nicht an ihr. Das erhabene Kunstwerk ist im kleinsten
gebären. Sterile Wollust, die Liebschaft einer Laune, die Leidenschaft einer
Stoff, gleichsam zwischen vier engen Pfählen mit dem tiefsten Weltgeheimnis,
Stunde ist wie ein fressendes Gift, wie ein Fluch, der den Genuß selbst durch
mit dem Weltganzen eins und darum wieder in's Grenzenlose gewachsen,
elende Reue in der Erinnerung befleckt und eben als Strafe erscheint, verhängt
das kleine Kunstwerk ist wieder mit dem größten Stoff allein, seine
für den Betrug, der an der Menschheit ausgeübt worden. Die Frauen, als
Wurzeln führen nicht in die Tiefe und seine Ausblicke sind begrenzt.
Trägerinnen des Kommenden, erliegen ihm, die Männer gehen daran
Dies ist hier wieder einmal der Fall, ohne daß dabei die Schätzung des
unverletzt vorbei. Frau Bertha Garlau, eine Mutter und Witwe, ergibt, gegebenen Stückes Leben unter dieser Einsicht leiden mußte. 0. St.