11. Frau Bertha Garlan
„
Frau Bertha Garlan. Roman von Arthur
Schnitzler. (Berlin, S. Fischer 1901.
Eine österreichische Madame Bovary! Dieser Vergleich
bezeichnet Kern und Wesen des Schnitzlerschen Romans
am genauesten, ohne daß dadurch die selbständige Erfin¬
dung der Handlung in dem neueren Werke berührt werden
oll. Es sind ganz andere Situationen als die des
Flaubert'schen Romans, die uns Schnitzler vorführt. Und
die junge Witwe Frau Bertha Garlan lebt unter andern
Bedingungen als Madame Bovary. Aber das in seinem
naiven Verlangen nach Glück und Liebe in der Kleinstadt
unbefriedigt dahinvegetierende Weib ist auch in Frau
Bertha Garlan geschildert. Uebrigens hat der Verfasser
diesen Bovary=Typus gleich zweimal wiederholt, indem
er zu Frau Bertha Garlan in deren Freundin, der Frau
Rupius, eine Parallelfigur schuf, die sich von der Heldin
des Romans nur darin unterscheidet, daß sie unbedenk¬
licher als diese, mutiger und entschlossener die Neben¬
wege geht, die zum verbotenen Genuß führen. Das wird
dann aber auch ihr Verderben. Und der Untergang der
Freundin kann Frau Bertha Garlan zur Warnung dienen,
indem sie selbst das eine Mal, da sie der lockenden Sünde
unterlag, noch mit einem blauen Auge davon gekommen
ist und sich nun derselben süßen Gefahr nicht ein zweites
Mal aussetzen wird, nachdem sie mit Entsetzen gesehen,
wohin dergleichen führen kann. Gemildert wird übrigens
Frau Garlans Fehltritt sehr durch den Umstand, daß es
der Geliebte ihrer ersten Mädchenjahre war den sie als
berühmten Musiker in Wien wiederfand und den sie an¬
fangs einer ebenso echten Liebe fähig hielt, wie die war,
die sie selbst in seine Arme führte. Da mußte sie dann
freilich eine bittare Enttäuschung erleben, indem sie dem
von Frauen verwöhnten Manne nichts anderes mehr war,
als ein Blümchen am Wege, das man ganz gern pflückt,
weil es sich selbst hiezu darzubieten scheint.
Schnitzler ist in dieser Romandichtung tief in das Em¬
pfindungsleben des Weibes eingedrungen. Und bei dem
Eintritt der Katastrophe, beim Tode und der Todes¬
ursache der jungen Frau Rupius wie auch bei Andeutung
der physiologischen Erscheinung, welche die plötzliche see¬
lische Erleichterung der Frau Garlan mit sich bringt, hat
der Dichter Arthur Schnitzler mit dem Arzte Dr. Arthur
Schnitzler einen hurtigen Blick geheimen Einverständnisses
ausgetauscht, bei dem man nicht ganz sicher ist, ob damit
bunden war, das man mit solchen Keckheiten intimer Natur
am sichersten ködert. Aber da sich sachlich gegen diese
Anleihe des Poeten beim Mediziner nichts einwenden
läßt und alles Physiologische mit dem Psychologischen
zur festen Einheit sich verbindet und einen den Charak¬
teren gemäßen Abschluß des Romans herbeiführt, so wird
die Kritik die heiklen gynäkologischen Vorgänge, die
hiezu aufgeboten wurden, nicht wohl ablehnen dürfen.
Nur ein Zug hat uns an dem Frauenkenner Schnitzler
gewundert: Seine Frau Bertha Garlan hat in Wien ein
modisches Kleid bestellt, das anzuprobieren sie nächsten
Montag in die Stadt reisen soll. Da es nun in ihrer
Hand tiegt, ihr Zusammentreffen mit ihrem Jugend¬
geliebten — das erste seit vielen Jahren — zeitlich zu
bestimmen, so müßte sie doch die paar Tage warten, bis
sie das neue modische Kleid hat, statt sich schon Freitags
in ihrer Toilette der kleinen Provinzialstadt dem gefeier¬
ten Künstler zum erstenmal wieder zu zeigen. Wendet
man ein: „Ja aber ihre große Liebe,“ so ist dagegen zu
bemerken, daß Frau Bertha Garlan kein Backsisch, son¬
dern eine junge Frau von neunundzwanzig Jahren ist,
die auf Toilette viel giebt.
Stilistisch wäre noch zu bemerken daß die Reflexionen,
welche der Verfasser der Heldin in die Seele legt,
in
den Wiederholungen etwas zu wenig Abwechslung bieten
Das kann man ja als naturalistisch treue Wiedergabe der
Art, wie der Durchschnittsmensch denkt, wohl sogar als
eine Tugend eines modernen Romans preisen. Nur glaube
ich oder hoffe ich wenigstens, wir seien nachgerade alle
über diese Tugend der naturalistisch-treuen Imitation des
seelischen Selbstgesprächs wieder hinaus und sehnen uns
nach höheren Stilgesetzen auch für den modernen Roman.
box 2/1
Und nun wieder aus den Wolken zur Erde hinab, vom Dichter
fort zu den Unterhaltungsschriftstellern! Heinz Tovote, der viel¬
gelesene Vertreter des deutschen Cocottenromans, giebt uns in
„Frau Agna“ die Seelengeschichte einer vornehmen Ehebrecherin,
die aus Liebebedürfnis „vom Wege wich“ und nun die bittere
Erfahrung machen muß, daß ihr Idol ein ganz gewöhnlicher
Heiratsspeculant und Erpresser ist, der mit ihren Liebesbriefen
handeln geht, um mit dem Gelde sich eine Dollarmillionärin zu
erschwindeln. Die Geschichte ist widerwärtig, stellenweise gerade¬
zu schmutzig, dabei unkünstlerisch durchgeführt, kurz gesagt, noch
weniger als ein „Durchschnitts=Tovote“.
& Auch Arthur Schnitzlers erster Roman „Frau Bertha
Garlan“ steht künstlerisch nichtviel höher, wenn er auch inhaltlich
etwas sympathischer berührt. Die Heldin, eine junge Witwe, sehnt
sich in der Leere ihres kleinstädtischen Witwendaseins nach ihrem
ersten Jugendgeliebten, der unterdessen ein berühmter Geigen¬
künstler geworden ist. Sie sieht ihn wieder, giebt sich ihm glück¬
selig hin, gelangt aber bald zu der bittern Ueberzeugung, daß sie
ihm nur noch „eine unter vielen“ ist. Da sie sich zur Dirne zu
gut ist, so verzichtet sie und beschließt nunmehr ausschließlich ihrem
Kinde zuleben. Schnitzler, der in dramatischen Skizzen und in der
Novellette gewiß Vorzügliches leistet, ist auch hier nicht über die
Grenzen seines feingliedrigen Talentes hinausgekommen, er ist
im Episodenhaften stecken geblieben; als Roman behandelt, wirkt
dieses leichte Skizzensujet daher ungeschickt, schleppend und leer.
Wilhelm Jensen hat uns manchen, Hermann Heiberg
wenigstens einen guten Roman geschenkt, jetzt scheinen sie sich
beide recht ausgeschrieben zu haben. Bei Jensen erinnert uns
gelegentlich eine stimmungsvolle Landschaftsschilderung oder
eine vereinzelte, besonders gelungene Charakterstudie doch immer
noch daran, daß wir einen Dichter vor uns haben, der die Welt
nit eignen Augen zu betrachten gewohnt ist. Selbst in der
„Heimat“ einem im übrigen geringwertigen Romane, sorgen
z. B. die Schilderung Gelnhausens, die Zeichnung des alten
Chevalier de Saint=Vallier dafür, daß der Leser nicht gerade
pietätlos über den Dichter urteilen wird, aber den Kopf wird
er freilich manchmal schütteln, wenn er dabei an Jensens erste
Romane gedenkt. Obwohl der Roman historisch sein soll, arbeite
Jensen doch so oberflächlich, daß er z. B., um nur eine Kleinig
keit herauszugreifen, längst vor dem Treffen von Wartenburg
von einem „Grafen York von Wartenburg“ spricht. Heibergs
Roman „Schuldlos belastet“ zeigt gar keine Spuren dichterischen
Könnens mehr, es ist ein unsympathischer Criminalroman mit
Spannungen, Unmöglichkeiten, Uebertreibungen, kurz all dem
Apparat, den der handfeste Leihbibliothekswälzer braucht. Achn¬
lich verhält es sich mit Balduin Grollers „Doppelnatur“
deren hochinteressanter Held zugleich ein bedeutender Maler,
Bildhauer, Falschmünzer und Einbrecher ist. Der Sensations¬
gehalt des Buches ist gewiß respectabel, doch sonst ist nichts
Rühmliches davon zu melden.
Henriette von Meerheimb scheint noch nicht lang im Dienste
der Leihbibliotheksmuse zu stehen. Es weht durch ihren zweibän¬
digen Roman „Ohne Liebe“ der das unverwüstliche Thema von
dem tüchtigen Herrenmanne, der sein ihn unterschätzendes Weib
zur Achtung und endlich auch zur Liebe zu erziehen versteht, be¬
handelt, ein frischer, kräftiger Zug, denn nicht nur die Gabe der
scharfen Einzelbeobachtung, sondern (viel seltener bei unsern
Schriftstellerinnen) auch eine gesunde Weltanschauung sich zu¬
gesellt. Es ist ja in der That heutzutage schon ein glücklicher Zu¬
fall, wenn man eine Romanschreiberin trifft, die nicht für
Emancipationsideen eintritt. Wie lange H. v. M. sich diesen
„freien“ Standpunkt wahren wird, bleibt freilich abzuwarten.
Vielleicht wird auch sie in dem Maße, wie ihre Gestaltungskraft
abnehmen wird, sich dem üblichen Tendenzgebrauche anbequemen
müssen. Das ist nun leider einmal zum Erfahrungsgrundsatze
bei der schriftstellernden Frauenwelt geworden. Als z. B. Frau
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Frau Bertha Garlan. Roman von Arthur
Schnitzler. (Berlin, S. Fischer 1901.
Eine österreichische Madame Bovary! Dieser Vergleich
bezeichnet Kern und Wesen des Schnitzlerschen Romans
am genauesten, ohne daß dadurch die selbständige Erfin¬
dung der Handlung in dem neueren Werke berührt werden
oll. Es sind ganz andere Situationen als die des
Flaubert'schen Romans, die uns Schnitzler vorführt. Und
die junge Witwe Frau Bertha Garlan lebt unter andern
Bedingungen als Madame Bovary. Aber das in seinem
naiven Verlangen nach Glück und Liebe in der Kleinstadt
unbefriedigt dahinvegetierende Weib ist auch in Frau
Bertha Garlan geschildert. Uebrigens hat der Verfasser
diesen Bovary=Typus gleich zweimal wiederholt, indem
er zu Frau Bertha Garlan in deren Freundin, der Frau
Rupius, eine Parallelfigur schuf, die sich von der Heldin
des Romans nur darin unterscheidet, daß sie unbedenk¬
licher als diese, mutiger und entschlossener die Neben¬
wege geht, die zum verbotenen Genuß führen. Das wird
dann aber auch ihr Verderben. Und der Untergang der
Freundin kann Frau Bertha Garlan zur Warnung dienen,
indem sie selbst das eine Mal, da sie der lockenden Sünde
unterlag, noch mit einem blauen Auge davon gekommen
ist und sich nun derselben süßen Gefahr nicht ein zweites
Mal aussetzen wird, nachdem sie mit Entsetzen gesehen,
wohin dergleichen führen kann. Gemildert wird übrigens
Frau Garlans Fehltritt sehr durch den Umstand, daß es
der Geliebte ihrer ersten Mädchenjahre war den sie als
berühmten Musiker in Wien wiederfand und den sie an¬
fangs einer ebenso echten Liebe fähig hielt, wie die war,
die sie selbst in seine Arme führte. Da mußte sie dann
freilich eine bittare Enttäuschung erleben, indem sie dem
von Frauen verwöhnten Manne nichts anderes mehr war,
als ein Blümchen am Wege, das man ganz gern pflückt,
weil es sich selbst hiezu darzubieten scheint.
Schnitzler ist in dieser Romandichtung tief in das Em¬
pfindungsleben des Weibes eingedrungen. Und bei dem
Eintritt der Katastrophe, beim Tode und der Todes¬
ursache der jungen Frau Rupius wie auch bei Andeutung
der physiologischen Erscheinung, welche die plötzliche see¬
lische Erleichterung der Frau Garlan mit sich bringt, hat
der Dichter Arthur Schnitzler mit dem Arzte Dr. Arthur
Schnitzler einen hurtigen Blick geheimen Einverständnisses
ausgetauscht, bei dem man nicht ganz sicher ist, ob damit
bunden war, das man mit solchen Keckheiten intimer Natur
am sichersten ködert. Aber da sich sachlich gegen diese
Anleihe des Poeten beim Mediziner nichts einwenden
läßt und alles Physiologische mit dem Psychologischen
zur festen Einheit sich verbindet und einen den Charak¬
teren gemäßen Abschluß des Romans herbeiführt, so wird
die Kritik die heiklen gynäkologischen Vorgänge, die
hiezu aufgeboten wurden, nicht wohl ablehnen dürfen.
Nur ein Zug hat uns an dem Frauenkenner Schnitzler
gewundert: Seine Frau Bertha Garlan hat in Wien ein
modisches Kleid bestellt, das anzuprobieren sie nächsten
Montag in die Stadt reisen soll. Da es nun in ihrer
Hand tiegt, ihr Zusammentreffen mit ihrem Jugend¬
geliebten — das erste seit vielen Jahren — zeitlich zu
bestimmen, so müßte sie doch die paar Tage warten, bis
sie das neue modische Kleid hat, statt sich schon Freitags
in ihrer Toilette der kleinen Provinzialstadt dem gefeier¬
ten Künstler zum erstenmal wieder zu zeigen. Wendet
man ein: „Ja aber ihre große Liebe,“ so ist dagegen zu
bemerken, daß Frau Bertha Garlan kein Backsisch, son¬
dern eine junge Frau von neunundzwanzig Jahren ist,
die auf Toilette viel giebt.
Stilistisch wäre noch zu bemerken daß die Reflexionen,
welche der Verfasser der Heldin in die Seele legt,
in
den Wiederholungen etwas zu wenig Abwechslung bieten
Das kann man ja als naturalistisch treue Wiedergabe der
Art, wie der Durchschnittsmensch denkt, wohl sogar als
eine Tugend eines modernen Romans preisen. Nur glaube
ich oder hoffe ich wenigstens, wir seien nachgerade alle
über diese Tugend der naturalistisch-treuen Imitation des
seelischen Selbstgesprächs wieder hinaus und sehnen uns
nach höheren Stilgesetzen auch für den modernen Roman.
box 2/1
Und nun wieder aus den Wolken zur Erde hinab, vom Dichter
fort zu den Unterhaltungsschriftstellern! Heinz Tovote, der viel¬
gelesene Vertreter des deutschen Cocottenromans, giebt uns in
„Frau Agna“ die Seelengeschichte einer vornehmen Ehebrecherin,
die aus Liebebedürfnis „vom Wege wich“ und nun die bittere
Erfahrung machen muß, daß ihr Idol ein ganz gewöhnlicher
Heiratsspeculant und Erpresser ist, der mit ihren Liebesbriefen
handeln geht, um mit dem Gelde sich eine Dollarmillionärin zu
erschwindeln. Die Geschichte ist widerwärtig, stellenweise gerade¬
zu schmutzig, dabei unkünstlerisch durchgeführt, kurz gesagt, noch
weniger als ein „Durchschnitts=Tovote“.
& Auch Arthur Schnitzlers erster Roman „Frau Bertha
Garlan“ steht künstlerisch nichtviel höher, wenn er auch inhaltlich
etwas sympathischer berührt. Die Heldin, eine junge Witwe, sehnt
sich in der Leere ihres kleinstädtischen Witwendaseins nach ihrem
ersten Jugendgeliebten, der unterdessen ein berühmter Geigen¬
künstler geworden ist. Sie sieht ihn wieder, giebt sich ihm glück¬
selig hin, gelangt aber bald zu der bittern Ueberzeugung, daß sie
ihm nur noch „eine unter vielen“ ist. Da sie sich zur Dirne zu
gut ist, so verzichtet sie und beschließt nunmehr ausschließlich ihrem
Kinde zuleben. Schnitzler, der in dramatischen Skizzen und in der
Novellette gewiß Vorzügliches leistet, ist auch hier nicht über die
Grenzen seines feingliedrigen Talentes hinausgekommen, er ist
im Episodenhaften stecken geblieben; als Roman behandelt, wirkt
dieses leichte Skizzensujet daher ungeschickt, schleppend und leer.
Wilhelm Jensen hat uns manchen, Hermann Heiberg
wenigstens einen guten Roman geschenkt, jetzt scheinen sie sich
beide recht ausgeschrieben zu haben. Bei Jensen erinnert uns
gelegentlich eine stimmungsvolle Landschaftsschilderung oder
eine vereinzelte, besonders gelungene Charakterstudie doch immer
noch daran, daß wir einen Dichter vor uns haben, der die Welt
nit eignen Augen zu betrachten gewohnt ist. Selbst in der
„Heimat“ einem im übrigen geringwertigen Romane, sorgen
z. B. die Schilderung Gelnhausens, die Zeichnung des alten
Chevalier de Saint=Vallier dafür, daß der Leser nicht gerade
pietätlos über den Dichter urteilen wird, aber den Kopf wird
er freilich manchmal schütteln, wenn er dabei an Jensens erste
Romane gedenkt. Obwohl der Roman historisch sein soll, arbeite
Jensen doch so oberflächlich, daß er z. B., um nur eine Kleinig
keit herauszugreifen, längst vor dem Treffen von Wartenburg
von einem „Grafen York von Wartenburg“ spricht. Heibergs
Roman „Schuldlos belastet“ zeigt gar keine Spuren dichterischen
Könnens mehr, es ist ein unsympathischer Criminalroman mit
Spannungen, Unmöglichkeiten, Uebertreibungen, kurz all dem
Apparat, den der handfeste Leihbibliothekswälzer braucht. Achn¬
lich verhält es sich mit Balduin Grollers „Doppelnatur“
deren hochinteressanter Held zugleich ein bedeutender Maler,
Bildhauer, Falschmünzer und Einbrecher ist. Der Sensations¬
gehalt des Buches ist gewiß respectabel, doch sonst ist nichts
Rühmliches davon zu melden.
Henriette von Meerheimb scheint noch nicht lang im Dienste
der Leihbibliotheksmuse zu stehen. Es weht durch ihren zweibän¬
digen Roman „Ohne Liebe“ der das unverwüstliche Thema von
dem tüchtigen Herrenmanne, der sein ihn unterschätzendes Weib
zur Achtung und endlich auch zur Liebe zu erziehen versteht, be¬
handelt, ein frischer, kräftiger Zug, denn nicht nur die Gabe der
scharfen Einzelbeobachtung, sondern (viel seltener bei unsern
Schriftstellerinnen) auch eine gesunde Weltanschauung sich zu¬
gesellt. Es ist ja in der That heutzutage schon ein glücklicher Zu¬
fall, wenn man eine Romanschreiberin trifft, die nicht für
Emancipationsideen eintritt. Wie lange H. v. M. sich diesen
„freien“ Standpunkt wahren wird, bleibt freilich abzuwarten.
Vielleicht wird auch sie in dem Maße, wie ihre Gestaltungskraft
abnehmen wird, sich dem üblichen Tendenzgebrauche anbequemen
müssen. Das ist nun leider einmal zum Erfahrungsgrundsatze
bei der schriftstellernden Frauenwelt geworden. Als z. B. Frau
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