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Frau Bertha Garlan
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unkunstlerischen Schwerfälligkeit der Gesantanlage dier hohen=künst¬
lerischen Werte nicht übersehen. Es ist ein bedeutendes Buch, das
aus dem Gros der Erzeugnisse des Kreises, dem es entstammt, weit
hervorragt.
Mit viel leichterm Gepäck kommt der Oesterreicher Arthur
Schnitzler an uns heran in seinem ebenfalls bei S. Fischer in
Berlin erschienenen Roman „Frau Bertha Garla#“ Aber bei
aller Hochachtung vor dem Denker Felir Holländer werden wir bei
ihm die reinere Kunstwirkung finden, die nicht nur dem einfachen,
aber sein aus dem Leben geschöpften Stoffe, sondern auch der aus
gezeichneten Darstellung entspringt. Es ist ein erotischer Roma
Die verwitwete, noch junge Frau Garlan führt in einer Kleinstadt
unfern von Wien ein einförmig stilles Dasein. Da hört sie, da
der Jugendgeliebte, ein jetzt berühmter Musiker, nach langer Al
wesenheit wieder in Wien sei. Der Lebensdrang erwacht in ihr
sie reist dorthin, findet den Freund und sieht eine neue schöne Zu
kunft erblühen. Aber sie muß erfahren, daß was ihr das Heiligste,
Inhaltsschwerste der Weibesseele war, ihm nur ein angenehmes
Abenteuer bedeutete, wie es ein verwöhnter Künstler in blasirter
Tändelei hinnimmt. In ihrer Weiblichkeit tief verwundet, kehrt sie
in ihr freudelos stilles Daheim zurück. Eine tragisch endende Pa¬
rallele, die sich bei einer Bekannten, einer verheirateten Frau, voll¬
zieht, gibt ihr noch besonders nachdrücklich den Beweis, daß die
Männer da nur grobe Egoisten ihrer Sinne bleiben, wo das Weib
die zartesten Träume spinnt. Schnitzler scheint selber empfunden
zu haben, daß in jenem tragischen Schicksal der verheirateten Frau
sich eine für den feinen Geschmack bedenkliche Wendung befindet. Er
verschleiert sie möglichst discret, kann aber damit doch nicht einen störenden
Geruch abwenden, den wir grade am Schlusse eines sonst sohervorragend
feinen Kunstwerkes umso mehr bedauern. Der Name „Maupassant“
fiel uns während der Lectüre immer wieder ein. Schnitzler wett¬
eifert ebenbürtig mit dem großen Franzosen in dem leichten, scheinbar
ungezwungen natürlichen Fluß des Erzählertons, in der zarten,
aber nicht gezierten Seelenschilderung, in der überzeugenden Lebens¬
wahrheit. Es ist ein Stück schlichten Alltagslebens, dem künst¬
lerische Kraft eine Bedeutung als Menschenschicksal verleiht
anderes Werk, bei dem unser Interesse ganz besonders durch das
„Wie“ der Darstellung in Anspruch genommen wird, ist Geor
v. Omptedas bei F. Fontane u. Co. erschienener Roman „Monte
Carlo: Die Frage ist nicht unberechtigt, ob man es in dieser
breit ausgesponnenen psychologischen Studie der Spielerleidenschaft
überhaupt mit einem Roman zu thun habe. Es geschieht nur das
Eine, daß ein norddeutscher Cavalier, der sich gegen den Spielteufel
gefeit glaubt, aus Uebermut, gewissermaßen um diesen Dämon zu
necken, spielt, gewinnt und ihm nun bis zum tragischen Ende ver
fallen bleibt. Der Leser wird nur an die Figur des Spieler
gefesselt, einige Nebengestalten dienen nur dazu, die pfi
Entwicklung des Helden in schärfster Beleuchtung
sie ohne Erfolg als Hemmschuhe der Leidenschaft zu wirken v
genau di
suchen. Ompteda befolzt nun in seinem Werke
dschaft,
technische Methode Zolas nicht nur in der Kleiume
des Spielsaals, der Spielgebräuche u. s. w., sondern ganz besonders
elr
auch in einer den toten Gegenständen, z. B. den Roul#
den Geldhaufer, verliehenen pathetischen Symbolik, die noch du
stereotyp sich wiederholende Redewendungen eine rhetorische Steig
erfährt. Das ist mit dem Aufwand der seinf
raffinirtesten Stimmungskunst Zug um Zug ausgearbei
höchsten Anschaulichkeit. Man merkt allmählich die Absicht
zu deutlich und fängt an, Ompteda neugierig über die S
chauen, wie er das Bild, dessen Schlußwirkung man längst voraus
sieht, mit der zur Radirnadel gewordenen Feder langsam auf die Platt
d. h. das Papier strichelt. Es ist ein Kunststück, ober ein ge
lungenes. Seltsamerweise macht ein anderer Schriftsteller, Joyn
Henry Makay, denselben nicht gewöhnlichen Versuch, etragische
Entwicklung einer Einzelpersönlichkeit, von kaum nennenswerten
Nebenerscheinungen abgesehen, unter dem Gesichtspunct eines isolirten
persönlichen Motivs zu geben. Hier ist, das Motiv überdies ein
scheinbar recht untergeordnetes. „Der Schwimmer“ ist der Titel
des Buches und die Schwimmkunst in allen ihren Zweigen und
Sonderarten der treibende Factor. Gleichwohl hebt Makay nicht
wie Ompteda, eine virtusse Absicht hervor. Er erzählt einfach
aber mit größer Frische und Wärme, sodaß wir, obwohl ziemlich
gleichgültig gegen die Ereignisse in Schwimmelubs und bei Meister¬
schaftsschwimmen, doch mehr und mehr Interesse an dem jungen
Burschen bekommen, der schon in frühester Jugend für das Wasser
schwärmte und sich zum Meisterschaftsschwimmer für Europa empor¬
uirbeitet. Das liegt daran, daß eben dieser Held in Schwimmhosen
etwas Ursprüngliches, herzhaft naive Jugendkraft an sich hat.
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Frau Bertha Garlan
11n ente ece ce e e leteeena
unkunstlerischen Schwerfälligkeit der Gesantanlage dier hohen=künst¬
lerischen Werte nicht übersehen. Es ist ein bedeutendes Buch, das
aus dem Gros der Erzeugnisse des Kreises, dem es entstammt, weit
hervorragt.
Mit viel leichterm Gepäck kommt der Oesterreicher Arthur
Schnitzler an uns heran in seinem ebenfalls bei S. Fischer in
Berlin erschienenen Roman „Frau Bertha Garla#“ Aber bei
aller Hochachtung vor dem Denker Felir Holländer werden wir bei
ihm die reinere Kunstwirkung finden, die nicht nur dem einfachen,
aber sein aus dem Leben geschöpften Stoffe, sondern auch der aus
gezeichneten Darstellung entspringt. Es ist ein erotischer Roma
Die verwitwete, noch junge Frau Garlan führt in einer Kleinstadt
unfern von Wien ein einförmig stilles Dasein. Da hört sie, da
der Jugendgeliebte, ein jetzt berühmter Musiker, nach langer Al
wesenheit wieder in Wien sei. Der Lebensdrang erwacht in ihr
sie reist dorthin, findet den Freund und sieht eine neue schöne Zu
kunft erblühen. Aber sie muß erfahren, daß was ihr das Heiligste,
Inhaltsschwerste der Weibesseele war, ihm nur ein angenehmes
Abenteuer bedeutete, wie es ein verwöhnter Künstler in blasirter
Tändelei hinnimmt. In ihrer Weiblichkeit tief verwundet, kehrt sie
in ihr freudelos stilles Daheim zurück. Eine tragisch endende Pa¬
rallele, die sich bei einer Bekannten, einer verheirateten Frau, voll¬
zieht, gibt ihr noch besonders nachdrücklich den Beweis, daß die
Männer da nur grobe Egoisten ihrer Sinne bleiben, wo das Weib
die zartesten Träume spinnt. Schnitzler scheint selber empfunden
zu haben, daß in jenem tragischen Schicksal der verheirateten Frau
sich eine für den feinen Geschmack bedenkliche Wendung befindet. Er
verschleiert sie möglichst discret, kann aber damit doch nicht einen störenden
Geruch abwenden, den wir grade am Schlusse eines sonst sohervorragend
feinen Kunstwerkes umso mehr bedauern. Der Name „Maupassant“
fiel uns während der Lectüre immer wieder ein. Schnitzler wett¬
eifert ebenbürtig mit dem großen Franzosen in dem leichten, scheinbar
ungezwungen natürlichen Fluß des Erzählertons, in der zarten,
aber nicht gezierten Seelenschilderung, in der überzeugenden Lebens¬
wahrheit. Es ist ein Stück schlichten Alltagslebens, dem künst¬
lerische Kraft eine Bedeutung als Menschenschicksal verleiht
anderes Werk, bei dem unser Interesse ganz besonders durch das
„Wie“ der Darstellung in Anspruch genommen wird, ist Geor
v. Omptedas bei F. Fontane u. Co. erschienener Roman „Monte
Carlo: Die Frage ist nicht unberechtigt, ob man es in dieser
breit ausgesponnenen psychologischen Studie der Spielerleidenschaft
überhaupt mit einem Roman zu thun habe. Es geschieht nur das
Eine, daß ein norddeutscher Cavalier, der sich gegen den Spielteufel
gefeit glaubt, aus Uebermut, gewissermaßen um diesen Dämon zu
necken, spielt, gewinnt und ihm nun bis zum tragischen Ende ver
fallen bleibt. Der Leser wird nur an die Figur des Spieler
gefesselt, einige Nebengestalten dienen nur dazu, die pfi
Entwicklung des Helden in schärfster Beleuchtung
sie ohne Erfolg als Hemmschuhe der Leidenschaft zu wirken v
genau di
suchen. Ompteda befolzt nun in seinem Werke
dschaft,
technische Methode Zolas nicht nur in der Kleiume
des Spielsaals, der Spielgebräuche u. s. w., sondern ganz besonders
elr
auch in einer den toten Gegenständen, z. B. den Roul#
den Geldhaufer, verliehenen pathetischen Symbolik, die noch du
stereotyp sich wiederholende Redewendungen eine rhetorische Steig
erfährt. Das ist mit dem Aufwand der seinf
raffinirtesten Stimmungskunst Zug um Zug ausgearbei
höchsten Anschaulichkeit. Man merkt allmählich die Absicht
zu deutlich und fängt an, Ompteda neugierig über die S
chauen, wie er das Bild, dessen Schlußwirkung man längst voraus
sieht, mit der zur Radirnadel gewordenen Feder langsam auf die Platt
d. h. das Papier strichelt. Es ist ein Kunststück, ober ein ge
lungenes. Seltsamerweise macht ein anderer Schriftsteller, Joyn
Henry Makay, denselben nicht gewöhnlichen Versuch, etragische
Entwicklung einer Einzelpersönlichkeit, von kaum nennenswerten
Nebenerscheinungen abgesehen, unter dem Gesichtspunct eines isolirten
persönlichen Motivs zu geben. Hier ist, das Motiv überdies ein
scheinbar recht untergeordnetes. „Der Schwimmer“ ist der Titel
des Buches und die Schwimmkunst in allen ihren Zweigen und
Sonderarten der treibende Factor. Gleichwohl hebt Makay nicht
wie Ompteda, eine virtusse Absicht hervor. Er erzählt einfach
aber mit größer Frische und Wärme, sodaß wir, obwohl ziemlich
gleichgültig gegen die Ereignisse in Schwimmelubs und bei Meister¬
schaftsschwimmen, doch mehr und mehr Interesse an dem jungen
Burschen bekommen, der schon in frühester Jugend für das Wasser
schwärmte und sich zum Meisterschaftsschwimmer für Europa empor¬
uirbeitet. Das liegt daran, daß eben dieser Held in Schwimmhosen
etwas Ursprüngliches, herzhaft naive Jugendkraft an sich hat.
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