11. Frau Bertha Garlan
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ertene en erenentenenensen bens ere entenenteneeenenenen
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Heinrich Hart: Neues vom Büchertisch.
durchweg Weiber, mögen sie nun Unter= oder
der Flagge „modern“ so vieles, dem die Bezeich¬
Überröcke tragen. Frau Bertha Garlan ist das
nung nicht viel besser ansteht, als etwa einem
Gegenteil einer Romanheldin im älteren Sinne
bänglichen Hausierer des Ostens der Name Leu.
des Worts. Das Moderne an ihr ist einzig, daß
Als ein Führer, eine Säule der Modernen gilt
sie nichts Besonderes erlebt und erfährt, was des
hier und da Arthur Schnitzler, der Verfasser
Erzählens wert wäre. Sie hat ihr Leben ver¬
der „Liebelei“ und des „Freiwilds“. Und doch ist
bracht, wie elf Zwölftel ihres Geschlechts. Eines
er vom Hauch neuartigen Denkens und Empfin¬
Tages, als es die höchste Zeit für sie war, hat
dens höchstens gestreift worden, selbst seine Dar¬
sie einen älteren Herrn geheiratet, nicht weil sie
stellungsweise zeigt nur in Spuren ein schärferes
ihn liebte, sondern weil er allein ihr die Gelegen¬
modernes Gepräge. Wie wenig seine innerste
heit bot, noch vor Thoresschluß unter die Haube
Eigenart von modernem Geist durchsetzt ist, das
zu kommen. Nicht lange darauf stirbt der ältere
bezeugt mit voller Deutlichkeit „Frau Bertha
Herr und läßt Frau Bertha mit ihrem Söhnchen
Garlan (Berlin, S. Fischer), Schnitzlers Erst¬
in äußerlich nicht glänzenden, aber befriedigenden
lingsroman. Im Roman kann ein Dichter sein
Verhältnissen zurück. Ohne sonderliche Erregun¬
eigenstes Wesen weit entschiedener und unum¬
gen und Erlebnisse vegetiert nun die Witwe in
schränkter entfalten, als im Drama, das von
einer Kleinstadt dahin. Nur einmal wird die
Rücksichten auf die Bühne nur zu leicht bestimmt
verstaubte Ruhe ihres Daseins auf ein paar Tage
zu werden pflegt. Und daher gewährt im all¬
unterbrochen. Als Backfisch hat Frau Bertha
gemeinen der Roman einen tieferen Einblick in
ein wenig mit einem Jüngling geliebelt, der
das eigenste Fühlen und Wollen des Schaffenden.
päter ein berühmter Virtuose geworden ist. Alle.,
Schnitzlers Art hat im Grunde etwas Zeitloses,
was in der Witwe an romantischen Empfindungen
die Menschen, die er mit Vorliebe zeichnet, ge¬
steckt, verknüpft sie mit diesem Jugendverhältnis;
hören zu jenem ewig gleichen Beiwerk der Ent¬
in der Erinnerung verklärt es sich zu einem süßen
wickelung, das niemals Geschichte macht und
Wunder. Ein äußerer Anlaß gibt Frau Bertha
das vom Strom der Geschichte kaum berührt
Gelegenheit, mit dem einst Geliebten in neue
wird. Im lieben Österreich hat diese Menschen¬
persönliche Verbindung zu treten. Von Johannis¬
species, die mehr vegetiert als lebt, die sich geistig
trieben gequält, schreibt sie an Enil Lindbach,
und gemütlich in möglichst enge Beziehungen ein¬
den großen Geigenvirtuosen, ob er ihrer noch ge¬
spinnt, besonders zahlreiche Vertreter. Und die
denke, ob sie ihn einmal wiedersehen dürfe? Und
Wiener Litteratur fühlte sich von jeher unter diesen
er, dem jedes Abenteuer mit Weibern recht ist,
Leutchen außerordentlich wohl; um Liebelei und
antwortet alsbald ebense kurz wie herzlich; huld¬
Schnäbelei drehte sich fast ihr ganzes Inter¬
voll gewährt er das Wiedersehen. Sehnsuchts¬
esse. Schnitzler gehört aber menschlich wie litte¬
und hoffnungsfreudig fährt die Witwe nach Wien,
rarisch zu den typischen Wienern. Wie er aus¬
ie träumt bereiis von einer Anzeige in den Zei¬
sieht, so ist und schreibt er auch. Ein Poet,
tungen: Emil Lindbach und Bertha Lindbach
wie ihn jedes Mädchenherz sich träumt für
verw. Garlan geb. N. N. empfehlen sich als Ver¬
den Salon wie geboren. Weichlichkeit, mit viel
mählte. Aber Emil ist über alle Romantik längst
Sentimerialität und ein bißchen Schalkhaftig¬
hinaus, er sieht in Frau Bertha ein Liebchen
keit durchsetzt, bildet den Grundzug seines We¬
mehr, eine Nummer mehr im Verzeichnis seiner
sens; dazu paßt das Sinnige, Verträumte, Me¬
Don Juanerien, weiter nichts. Und ein Tag
lancholische, das durch die anmutige Koketterie,
und eine Nacht genügen, um die minnigliche
mit der es der Dichter zur Geltung bringt, einen
Witwe gründlichst zu enttäuschen. Beschämt und
besonderen Reiz gewinnt. Daß eine solche Natur
hoffnungslos kehrt sie in ihr enges Nest zurück
mehr dem Kleinen und Alltäglichen, als dem
und wird dort entsagungsvoll verstauben
Großen und Ungewöhnlichen zuneigt, erscheint
Eine Geschichte, schlicht und ganz unaufreglich,
fast selbstverständlich; hie und da freilich verirrt
fast inhallslos; aber das ist eben, wie man mir
sich der Sinn fürs kleine bis ins kleinliche. So
sagen wird, das Moderne daran. Eine Moder¬
im „Grünen Kakadu“ einem Einakter, in dem
nität meiner Ansicht, so alt wie die Litteratur
der Dichter die gewaltige Zeit der Revolution
selbst. Besonders da das innere Leben der liebe¬
aus der Tiefsicht eines Mauselochs betrachtet.
bedürftigen Witwe nicht viel reicher ist, als ihr
Allzuviel höher und weiter erscheint die Welt¬
äußeres. In den beschränkten Grenzen, die sich
betrachtung, zu der sich Schnitzlers erster Roman
Schnitzler gesteckt hat, zeigt er sich auch diesmal
erhebt, keineswegs. Nicht in der Dürftigkeit des
als fein= und zartempfindenden Poeten. Als
Menschenschicksals, das der Dichter behandelt, liegt
Meister in sansten Stimmungen, zierlichen Schil¬
das Kleinliche —es läßt sich auch Kleines im großen
derungen, milder Rührung. Es liegt über der
Sinne gestalten —, sondern in der breiten Ausführ¬
Erzählung wie der Hauch eines Sonntagnachmit¬
lichkeit, die der Dichter seinem winzigen Thema
tags in der Kleinstadt. Idyllisch nennen der¬
widmet. Wie fern muß ein Künstler allem Ernsten
gleichen die Wohlwollenden, einschläfernd die Bös¬
und Großen seiner Zeit stehen, wenn er einen
willigen. Aber so bestrickend ist diese Stimmungs¬
Stoff, der gerade für eine novellistische Skizze
poesie, so überwältigend die Meisterschaft Schnitzlers
ausreicht, dessen Geistes= und Empfindungsgehalt
keinenfalls, daß man ganz ohne Pein 250 Seiten
den einer Auekdote nicht allzusehr überragt, zu
ertrüge, wo 50 ausreichen würden. Mit dem
einem Roman von zweieinhalb hundert Seiten
Inhalt des Romans steht die Sprache in gutem
breitschlägt. Die Heldin des Romans ist selbst¬
Einklang. Auch sie hat etwas Weiches, Sanft¬
verständlich ein Weib; ein Wiener Poet, wie er
hinfließendes; sie ist bis ins kleinste abgetönt
sein muß, geriete in Verlegenheit, wenn er Männer
schildern sollte, und Schnitzlers Helden sind fast und ausgeglättet, ohne Schroffen und Kanten.
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ertene en erenentenenensen bens ere entenenteneeenenenen
575
Heinrich Hart: Neues vom Büchertisch.
durchweg Weiber, mögen sie nun Unter= oder
der Flagge „modern“ so vieles, dem die Bezeich¬
Überröcke tragen. Frau Bertha Garlan ist das
nung nicht viel besser ansteht, als etwa einem
Gegenteil einer Romanheldin im älteren Sinne
bänglichen Hausierer des Ostens der Name Leu.
des Worts. Das Moderne an ihr ist einzig, daß
Als ein Führer, eine Säule der Modernen gilt
sie nichts Besonderes erlebt und erfährt, was des
hier und da Arthur Schnitzler, der Verfasser
Erzählens wert wäre. Sie hat ihr Leben ver¬
der „Liebelei“ und des „Freiwilds“. Und doch ist
bracht, wie elf Zwölftel ihres Geschlechts. Eines
er vom Hauch neuartigen Denkens und Empfin¬
Tages, als es die höchste Zeit für sie war, hat
dens höchstens gestreift worden, selbst seine Dar¬
sie einen älteren Herrn geheiratet, nicht weil sie
stellungsweise zeigt nur in Spuren ein schärferes
ihn liebte, sondern weil er allein ihr die Gelegen¬
modernes Gepräge. Wie wenig seine innerste
heit bot, noch vor Thoresschluß unter die Haube
Eigenart von modernem Geist durchsetzt ist, das
zu kommen. Nicht lange darauf stirbt der ältere
bezeugt mit voller Deutlichkeit „Frau Bertha
Herr und läßt Frau Bertha mit ihrem Söhnchen
Garlan (Berlin, S. Fischer), Schnitzlers Erst¬
in äußerlich nicht glänzenden, aber befriedigenden
lingsroman. Im Roman kann ein Dichter sein
Verhältnissen zurück. Ohne sonderliche Erregun¬
eigenstes Wesen weit entschiedener und unum¬
gen und Erlebnisse vegetiert nun die Witwe in
schränkter entfalten, als im Drama, das von
einer Kleinstadt dahin. Nur einmal wird die
Rücksichten auf die Bühne nur zu leicht bestimmt
verstaubte Ruhe ihres Daseins auf ein paar Tage
zu werden pflegt. Und daher gewährt im all¬
unterbrochen. Als Backfisch hat Frau Bertha
gemeinen der Roman einen tieferen Einblick in
ein wenig mit einem Jüngling geliebelt, der
das eigenste Fühlen und Wollen des Schaffenden.
päter ein berühmter Virtuose geworden ist. Alle.,
Schnitzlers Art hat im Grunde etwas Zeitloses,
was in der Witwe an romantischen Empfindungen
die Menschen, die er mit Vorliebe zeichnet, ge¬
steckt, verknüpft sie mit diesem Jugendverhältnis;
hören zu jenem ewig gleichen Beiwerk der Ent¬
in der Erinnerung verklärt es sich zu einem süßen
wickelung, das niemals Geschichte macht und
Wunder. Ein äußerer Anlaß gibt Frau Bertha
das vom Strom der Geschichte kaum berührt
Gelegenheit, mit dem einst Geliebten in neue
wird. Im lieben Österreich hat diese Menschen¬
persönliche Verbindung zu treten. Von Johannis¬
species, die mehr vegetiert als lebt, die sich geistig
trieben gequält, schreibt sie an Enil Lindbach,
und gemütlich in möglichst enge Beziehungen ein¬
den großen Geigenvirtuosen, ob er ihrer noch ge¬
spinnt, besonders zahlreiche Vertreter. Und die
denke, ob sie ihn einmal wiedersehen dürfe? Und
Wiener Litteratur fühlte sich von jeher unter diesen
er, dem jedes Abenteuer mit Weibern recht ist,
Leutchen außerordentlich wohl; um Liebelei und
antwortet alsbald ebense kurz wie herzlich; huld¬
Schnäbelei drehte sich fast ihr ganzes Inter¬
voll gewährt er das Wiedersehen. Sehnsuchts¬
esse. Schnitzler gehört aber menschlich wie litte¬
und hoffnungsfreudig fährt die Witwe nach Wien,
rarisch zu den typischen Wienern. Wie er aus¬
ie träumt bereiis von einer Anzeige in den Zei¬
sieht, so ist und schreibt er auch. Ein Poet,
tungen: Emil Lindbach und Bertha Lindbach
wie ihn jedes Mädchenherz sich träumt für
verw. Garlan geb. N. N. empfehlen sich als Ver¬
den Salon wie geboren. Weichlichkeit, mit viel
mählte. Aber Emil ist über alle Romantik längst
Sentimerialität und ein bißchen Schalkhaftig¬
hinaus, er sieht in Frau Bertha ein Liebchen
keit durchsetzt, bildet den Grundzug seines We¬
mehr, eine Nummer mehr im Verzeichnis seiner
sens; dazu paßt das Sinnige, Verträumte, Me¬
Don Juanerien, weiter nichts. Und ein Tag
lancholische, das durch die anmutige Koketterie,
und eine Nacht genügen, um die minnigliche
mit der es der Dichter zur Geltung bringt, einen
Witwe gründlichst zu enttäuschen. Beschämt und
besonderen Reiz gewinnt. Daß eine solche Natur
hoffnungslos kehrt sie in ihr enges Nest zurück
mehr dem Kleinen und Alltäglichen, als dem
und wird dort entsagungsvoll verstauben
Großen und Ungewöhnlichen zuneigt, erscheint
Eine Geschichte, schlicht und ganz unaufreglich,
fast selbstverständlich; hie und da freilich verirrt
fast inhallslos; aber das ist eben, wie man mir
sich der Sinn fürs kleine bis ins kleinliche. So
sagen wird, das Moderne daran. Eine Moder¬
im „Grünen Kakadu“ einem Einakter, in dem
nität meiner Ansicht, so alt wie die Litteratur
der Dichter die gewaltige Zeit der Revolution
selbst. Besonders da das innere Leben der liebe¬
aus der Tiefsicht eines Mauselochs betrachtet.
bedürftigen Witwe nicht viel reicher ist, als ihr
Allzuviel höher und weiter erscheint die Welt¬
äußeres. In den beschränkten Grenzen, die sich
betrachtung, zu der sich Schnitzlers erster Roman
Schnitzler gesteckt hat, zeigt er sich auch diesmal
erhebt, keineswegs. Nicht in der Dürftigkeit des
als fein= und zartempfindenden Poeten. Als
Menschenschicksals, das der Dichter behandelt, liegt
Meister in sansten Stimmungen, zierlichen Schil¬
das Kleinliche —es läßt sich auch Kleines im großen
derungen, milder Rührung. Es liegt über der
Sinne gestalten —, sondern in der breiten Ausführ¬
Erzählung wie der Hauch eines Sonntagnachmit¬
lichkeit, die der Dichter seinem winzigen Thema
tags in der Kleinstadt. Idyllisch nennen der¬
widmet. Wie fern muß ein Künstler allem Ernsten
gleichen die Wohlwollenden, einschläfernd die Bös¬
und Großen seiner Zeit stehen, wenn er einen
willigen. Aber so bestrickend ist diese Stimmungs¬
Stoff, der gerade für eine novellistische Skizze
poesie, so überwältigend die Meisterschaft Schnitzlers
ausreicht, dessen Geistes= und Empfindungsgehalt
keinenfalls, daß man ganz ohne Pein 250 Seiten
den einer Auekdote nicht allzusehr überragt, zu
ertrüge, wo 50 ausreichen würden. Mit dem
einem Roman von zweieinhalb hundert Seiten
Inhalt des Romans steht die Sprache in gutem
breitschlägt. Die Heldin des Romans ist selbst¬
Einklang. Auch sie hat etwas Weiches, Sanft¬
verständlich ein Weib; ein Wiener Poet, wie er
hinfließendes; sie ist bis ins kleinste abgetönt
sein muß, geriete in Verlegenheit, wenn er Männer
schildern sollte, und Schnitzlers Helden sind fast und ausgeglättet, ohne Schroffen und Kanten.