I, Erzählende Schriften 11, Frau Bertha Garlan. Roman, Seite 40

11. Frau Bertha Garlan
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vorbringen würde. Als die heißblütige Thesi
rau Berlha Garlan.
aber mit den vielen Gedankenstrichen und Aus¬
rufungszeichen gestand, daß sie den Mann, dem sie
(Original=Feuilleton des „Neuen Pester Journal“.)
sich hingegeben, eigentlich gar nicht geliebt, daß sie
„Geliebt!“ rief das junge Mädchen, das
einer augenhlicklichen Verirrung ihrer Sinne unter¬
legen und stolz darauf war, so gewesen zu sein, wie
rechtfertigen sollte, leidenschaftlich aus. „Geliebt!
Was heißt denn das eigentlich!? — Das heißt
sie offenbar immer hätte sein mögen — da lachten

Ja — ich hab' ihn geliebt!
und zischten die Leute im Theater, sie johlten Aus¬
gar nichts! —
Was weiß denn ich! — Wenn ich ihn von Weitem
rufungszeichen und gröhlten Gedankenstriche, und
das arme Stück der zweiundzwanzigjährigen hübschen
gesehen hab' hab' ich schon Herzklopfen bekommen.
Dichterin war verloren. Freilich machte es die Rede
Hat er mich lang angeschaut — so ist es mir kalt
nicht allein, Die Dichterin ist eine Anfängerin und
und heiß über den Rücken gelaufen, und wenn er
beging noch andere Ungeschicklichkeiten in ihrem
mich bei der Hand gefaßt hat, hab' ich am ganzen
Stücke. Aber — so mußte schließlich die wohl¬
Körper angefangen zu zittern. —— Und wenn er
vollendste Kritik fragen — ist die plötzliche erotische
Ficht da war, dann hab' ich gar nicht an ihn gedacht,
Aufwallung des Fräulein Therese Mallinger über¬
nicht einmal recht gewußt, wie er eigentlich aus¬
— Weißt
Was ist das?
haupt ein Vorwurf für eine lange, dreiaktige, den
schaut!!! — Nun?
Ge¬
Abend füllende Komödie?
Du's? — So hab' ich Alles thun müssen! —
Geihan hab' ich ja nichts! Ich
Und heute liegt das Werk eines feinen, gereif¬
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than? — Herrgott!
ten, erfolgreichen Schriftstellers vor mir*), der durch
hab' nur Alles geschehen lassen — ich hab' mich nicht
manche Arbeit bewiesen, daß er in die Geheimnisse
wehren können —! Ich hab' nicht können!!
Verstehst Du das? — Nein! — Das verstehst Du
des Frauenherzens einzudringen sucht, man folgt ihm
Was? —— Vielleicht hast Du Recht!
auf mancher Seite mit zagem Widerstreben, und wenn
nicht! —
man das Buch zum Schlusse zuklappt, so muß der
Vielleicht war ich wirklich schlecht. Das weiß ich
wohlwollendste Kritiker fragen: Ja, ist die plötzliche
schon nicht mehr! Aber einmal — ein einzigesmal
trotische Aufwallung der Frau Bertha Garlan wirklich
warich — ich selber!! —
Das ist die Stelle mit allen G=dankenstrichen,
ein Vorwurf für inen langen, vollausgewachsenen
Romen?
Ausrufungszeichen und Blutwallungenrüberdie das
Stück stolperte. Nämlich die Komödie „Die Ehrlosen“
Es ginge su an, wenn diese plötzliche Blutwal¬
Else Plehner, die vor Kurzem im Dautschen
ung in interessante Beziehungen mit den Schicksalen
##
#s dahin
nd Leidenschafter anderer Menschen gebracht worden
Voltsiheater in Wien gegeben lorr
em Stücke
hätts man mit zagem Widerstreben
chifertigung,
gefolgt, immer in Erwartung der
„Frau Bertha Garlan“, Berlin, S. Fischer,
das junge Mädchen für seinen Feyltritt Verlag.
wäre. Wenn durch diesen Fehltritt das G#
Menschen vernichtet worden wäre, der Alles,
Herz an Liebe und Treue aufzubringen verstan
em Weibe zu Füßen legte; wenn der Fehlteitt selt
durch irgendwelche besondere Umstände der
führung oder auch nur durch das fesselnde, unbändige
leidenschaftliche Temperament einer Frau von Rass
begründet worden wäre. Aber nichts von alledem
Wir erhalten nichts als die weitläufige, umfassend
beschriebene Geschichte einer flüchtigen erotischen Ver¬
rrung der Frau Vertha Garlan, die durchaus kein
besonders interessantes Geschöpf, sondern nur eine
hübsche, kleine Witwe, eine halbversauerke arme
Klavierlehrerin ist. Das ist ein Vorwurf für eine
kleine Skizze, für eine Novelle, wenn man sie kurz
halten will — aber für einen Roman?
Man wird das Buch trotzdem lesen, denn der
eine, reife, in allen Künsten der Darstellung gereifte
Schriftsteller verleugnet sich in dem Buche nicht ganz
eigt sogar da und dort, in einem besonderen Zu#
oder hübschem Worte die Meisterschaft — und man
wird es überhaupt lesen, weil sich die Leute hald
ganz merkwürdige Dinge darüber ins Ohr zischeln
werden. Schließlich sind die Dinge, wie sie da##
childert erscheinen, nichts Ungeheuerliches, man hat
a schon stärkere Sachen gelesen. Aber — wie ei
anständige Frau in anständigen Verhältnissen daz
kommen kann, auf eine Stunde zur Dirne zu werden
dieser Vorwurf hat einen gewissen perversen Reiz
der seine Wirkung auf die Leser ausüben wird, ein
Wirkung, die dieses Schriftstellers vielleicht nicht gan
würdig ist, die er aber ganz sicher ausüben wollte.
Befassen wir uns also mit den Schicksalen d
Frau Vertha Garlan, die etwas wir ein versoh