I, Erzählende Schriften 11, Frau Bertha Garlan. Roman, Seite 41

11. Frau Bertha Garlan

Leben lebt. Sie wollte sich ursprünglich der Kunst
widmen und besuchte das Wiener Konservatorium,
sie hatte Talent und die Zukunst schien ihr schöne
Aussichten zu hieten. In einer Aufwallung seiner
bürgerlichen Anschauungen verbot ihr aber eines Tages
der Vater den weiteren Besuch des Konservatoriums,
wodurch alle diese Aussichten wie auch die Beziehungen
zu einem jungen Geigenspieler, der seither sehr berühmt
geworden, ein Ende hatten. Sie verlebte ein paar
Jahre in stiller Verdrossenheit und wies ein paar
Heirathsanträge ab. Als sie aber sechsundzwanzig
Jahre alt geworden war und der Valer sein kleines
Vermögen verlor, mußte sie manche Vorwürfe an¬
hören und reichte schließlich einem Kaufmann die
Hand, der in einer kleinen Provinzstadt unfern Wiens
in ganz angenehmen Verhältnissen lebte. Aber nach
drei Jahren starb der Mann unvermuthet und ließ
sie mit einem Kinde und ohne rechte Versorgung
zurück. Doch die Verwandten nahmen sich ihrer lieb¬
reich an, und unter dem Titel von Klavierlektionen, die
ste ven Kindern zu ertheilen hatte, ließ man ihr die
Mittel zukommen, ihr bescheidenes, doch nicht unbe¬
hagliches Leben weiterzuführen. So lebte sie seit drei
Jahren in der kleinen Stadt mit den kleinbürgerlichen
Menschen und ihren kleinbürgerlichen Anschauungen,
ohne rechten Wunsch und ohne rechte Hoffnung, ihrem
kinde gewidmet. Ihr einziges Vergnügen waren
Aeine Spaziergänge im Freien, ihr einziger Trost,
wenn sie eines solchen bedürftig, die Musik, die sie
den kleinen traurigen Verhältnissen ihres Lebens
entrückte.
Da wird die Phantasie dieser durchaus an¬
standigen, offenbar gar nicht besonders sinnlich ver¬
anlagten Frau durch eine Reihe kleiner Begebenheiten
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plötzlich merkwürdig erregt. Erst durch die plumpen
Bewerbungen einer kalibanartigen Persönlichkeit in
dem kleinen Orte, die derben Scherze eines
lustigen Schwagers, die ungestümen Liebkosungen
ines jugendlichen Neffen, dann durch die Reden, die
man über eine Freundin führt, eine schöne, stille,
kluge, elegante Frau, die an einen gelähmten Mann
verheirathet ist und für die Enttäuschungen der Ehe
Trost suchen soll in Wien, wohin sie häufig allein
kleine Ausflüge macht. Einer Einladung dieser Frau
olgend, macht sie einmal deren kleine Reise mit, um
Verwandte zu besuchen, doch beschäftigt es wieder
hre Phantasie, daß sie diese Frau, einmal in Wien
ingskommen, bald verläßt und erst im Bahnhofe
wieder mit ihr zusammentrifft. Auch der ungewohnte
Lärm des großstädtischen Lebens, die kecken Blicke
und Annöherungen einiger fremder Herren an die
allein wundelnde Dame rufen in Frau Vertha einige
Erregung hervor. Dann liest sie in der Zeitung von
den Erfolgen ihres jugendlichen Verehrers im Kon¬
rvatorium, sie spinnt halb im Traume den harm¬
osen Flirt jener Tage, der in seinem stürmi¬
chesten Augenblicke nur zu einem verschämten
Kusse geführt, weiter, und bald bildet sie sich
ein
en
hab
iesen Menschen ernstlich geliebt
g noch immer zu lieben. Er hat eine Ordens
on
zeichnung erhalten, sie gratulirt ihm, und
wickelt sich ein brieflicher Verkehr, der da
ibredung einer Zusammenkunft in Wien
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Bertha macht ein zweites Mal die Reise d
trifft den Jugendgeliebten, der sie so#
iebreich behandelt wie ehedem, wenn####
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Nuance gleichgiltiger und zerstraßer.
un
das kleine Weibchen für hn plöclich ergli
ihm eine bonno fortune winkt, die er nicht ver¬
schmäht. Nach einem gemeinschaftlichen Souper, bei
dem der Champagner das Uebrige thut, führt er
Frau Bertha in ein Absteigquartier, wo sit ein paar
Stunden eines heißen Liebesrausches verleben, dann
geleitet er sie zurück in ihr Hotel, und die Geschichte
st aus. Wohl ist sie selig, voll Glück und Stolz,
vohl spinnt sie sofort kühne Träume, will nach der
auptstadt übersiedeln, hofft den Geliebten zu
esseln, vielleicht zur Ehe einzufangen. Doch er lehnt
Alles höflich und liebreich ab, und bald begreift die
arme, kleine Frau, daß sie nichts gewesen war wie
ie Zerstreuung einer Stunde für einen blasirten
Mann, der sie nicht weiter brauchen kann, weil er
einer andern Welt angehört als sie. Sie zittert, daß
das Abenteuer ihr ganzes Dasein vernichten könnte,
aber an dem Todtenbette ihrer Freundin, der Frau
Rustius, die an den Folgen ihrer verbotenen Liebe
tirbt, lösen sich alle Befürchtungen, und auch „der
ganze Wahn dieser wirren Tage" und Alles, was
ie für Liebe gehalten, beginnt zu verströmen. Sie
wird sich über Alles klar, wird ruhig, wird sich ihres
Werths bewußt, denkt nur mit Ekel an die jüngst
verflossenen Begebenheiten zurück. Und dann schließt
Buch mit einigen sein (en, moralisirenden
das
Bemer
kungen ab.
im Ganzen eine hübsche pfychologisch
e die unendlich gewonnen
breit#gerathen wäre. Ein