11. Frau Bertha Garlan
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den Mann bereit finden, ihm, den Verschmählen, mit Füßen Ge¬
tretenen. Ist es da nicht mehr als genug, wenn er seinerseits
dieser Frau nichts anderes geben will als gerade die flüchtige
Befriedigung dieser Laune, das Vergnügen einer Nacht? Uns
dünkt, der vielgeschmähte Zynismus des Mannes sei nur die
krause Blüte, die aus der giftigen Saat weiblichen Verrates
hervorsproßt, die Rache des durch den abstoßenden Materia¬
lismus, die Geldgier, Vergnügungs- und Luxussucht des Weibes
in seinem Idealismus vernichteten, zum Bewußtsein seiner
Herrenrechte erwachten Mannes. Lächerlich gar ist der
falsche Pathos, der über eine Natureinrichtung, welche dem
Weibe gewisse Folgen der Liebe aufbürdet, entfaltet wird.
Diese „Bürde“, die die moderne Frau so sehr einzuschränken
und leicht zu machen verstehl, ist hinlänglich dadurch kom¬
pensiert, daß die ganze ökonomische Ordnung unserer Ge¬
sellschaft dem Manne in ausschließlicher Weise die materi¬
elle Sorge für die Erhaltung des gesamten weiblichen Ge¬
schlechtes und seiner Abkunft auferlegt. Die Frauen also,
die Schnitzler-da vorführt, die von einem Manne Geld und
von eittemanttèren Liebegenuß fordern und noch immer
unzufrieden mit der Weltordnung hadern, erregen nicht unser
Mitleid, sondern unsere Verachtung. Wir sehen sie nicht
ohne innere Genugtuung an ihrem Mangel an Opferkraft,
an ihrer selbstsüchtigen, genußsüchtigen Auffassung der Liebe
zugrunde gehen und verzweifeln.
Dr. Val. Teirich.
Meyer Auron Goldschmidt: „Ein Jude.“ Reman. (Verlag
Axel Juncker, Berlin Mk. 5.) Jakob Bendixen stammt aus
einer orthodox jüdischen Familie. Strenggläubig erzogen,
lernt er bei seinen medizinischen Universitätsstudien das in
der mechanischen Befolgung ritueller Vorschriften gipfelnde
religiöse Judentum überwinden. Er fühlt sich zu den Christen
hingezogen, die Liebe zu einem christlichen Mädchen verstärkt
diese Neigung. Aber gerade diese Liebe läßt ihn die unüber¬
steigbare Grenze erkennen; die Familie des Mädchens, obwohl
liberalen Anschauungen ergeben, vermag ihre Abneigung gegen
den Juden doch nicht ganz zu überwinden. Eine Fülle von
Konflikten bricht über den empfindsamen, feinfühligen Ben¬
dixen herein. Er verläßt voll Gram im Herzen Braut und
Heimat und nimmt fremde Kriegsdienste, in der Hoffnung,
durch militärische Ehren sein Judentum zu maskieren. Er
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den Mann bereit finden, ihm, den Verschmählen, mit Füßen Ge¬
tretenen. Ist es da nicht mehr als genug, wenn er seinerseits
dieser Frau nichts anderes geben will als gerade die flüchtige
Befriedigung dieser Laune, das Vergnügen einer Nacht? Uns
dünkt, der vielgeschmähte Zynismus des Mannes sei nur die
krause Blüte, die aus der giftigen Saat weiblichen Verrates
hervorsproßt, die Rache des durch den abstoßenden Materia¬
lismus, die Geldgier, Vergnügungs- und Luxussucht des Weibes
in seinem Idealismus vernichteten, zum Bewußtsein seiner
Herrenrechte erwachten Mannes. Lächerlich gar ist der
falsche Pathos, der über eine Natureinrichtung, welche dem
Weibe gewisse Folgen der Liebe aufbürdet, entfaltet wird.
Diese „Bürde“, die die moderne Frau so sehr einzuschränken
und leicht zu machen verstehl, ist hinlänglich dadurch kom¬
pensiert, daß die ganze ökonomische Ordnung unserer Ge¬
sellschaft dem Manne in ausschließlicher Weise die materi¬
elle Sorge für die Erhaltung des gesamten weiblichen Ge¬
schlechtes und seiner Abkunft auferlegt. Die Frauen also,
die Schnitzler-da vorführt, die von einem Manne Geld und
von eittemanttèren Liebegenuß fordern und noch immer
unzufrieden mit der Weltordnung hadern, erregen nicht unser
Mitleid, sondern unsere Verachtung. Wir sehen sie nicht
ohne innere Genugtuung an ihrem Mangel an Opferkraft,
an ihrer selbstsüchtigen, genußsüchtigen Auffassung der Liebe
zugrunde gehen und verzweifeln.
Dr. Val. Teirich.
Meyer Auron Goldschmidt: „Ein Jude.“ Reman. (Verlag
Axel Juncker, Berlin Mk. 5.) Jakob Bendixen stammt aus
einer orthodox jüdischen Familie. Strenggläubig erzogen,
lernt er bei seinen medizinischen Universitätsstudien das in
der mechanischen Befolgung ritueller Vorschriften gipfelnde
religiöse Judentum überwinden. Er fühlt sich zu den Christen
hingezogen, die Liebe zu einem christlichen Mädchen verstärkt
diese Neigung. Aber gerade diese Liebe läßt ihn die unüber¬
steigbare Grenze erkennen; die Familie des Mädchens, obwohl
liberalen Anschauungen ergeben, vermag ihre Abneigung gegen
den Juden doch nicht ganz zu überwinden. Eine Fülle von
Konflikten bricht über den empfindsamen, feinfühligen Ben¬
dixen herein. Er verläßt voll Gram im Herzen Braut und
Heimat und nimmt fremde Kriegsdienste, in der Hoffnung,
durch militärische Ehren sein Judentum zu maskieren. Er