I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 30

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10. Leutnant Gustl
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kann
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Geisteszustandes des
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57,
Dr. Puppe bezeichnete den Letzteren als eine.
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verneinte aber die Anwendbarkeit des § 51 des Strafgeseeue
Staatsanwalt beantragte zwei Jahre Gefängniß und Ehrverlust auf
kelt
drei Jahre. Das Urtheil lautete auf neun Monate Gefängniß
ar
unter Anrechnung von drei Monaten auf die Untersuchungshaft.

aus welcher diese Dokumente stammen.“
„Das ist nicht meine Sache; ich kaufe die Akten und nehme
n!
sie mit mir, alles Uebrige geht mich nichts an.
„Das ist richtig, des Barres soll sehen, wie er fertig wird,
daneben versichern Sie ihn, daß ich ihm zu Diensten stehe,
as
obald er irgenoeine Aufklärung wünscht
ib¬
„Sehr gut!“ Leben Sie wohl!
„Haben, Sie es denn so eilig? Trinken wir doch ein Glas
eb¬
zusammon.
das
„Ein andermal!“
(Fortsetzung folgt.) ###
tzen 1
77
„Lentnant Gustl.
ehen
e„In¬
& Am 15. Juni wurde dem weit über die schwarzgelben Grenzpfähle
Leben
hinaus bekannten Wiener Schriftsteller Dr. Arthur Schnitzler ein
inde.“
Erlaß des Landwehrkommandos vom 1. Juni zugestellt, in dem er auf
e Sie
Grund eines Ehrenrathsbeschlusses vom 26. April seiner Offizierscharge
für verlustig erklärt wurde. Der Beschluß sagt, daß Dr. Arthur
blickte
Schnitzler dadurch, daß er als Angehöriger des Offizierstandes eine
Novelle („Leutnant Gustl“) geschrieben und veröffentlicht habe, in der
die Ehre und das Ansehen der österreichisch= ungarischen Armee ge¬
schädigt und herabgesetzt werde, sowie dadurch, daß er gegen die
in der
persönlichen Angriffe der Zeitung „Reichswehr" (die eine Kritik
üchern
über die Novelle veröffentlicht hatte) keinerlei Schritte unternahm,
te des
die Standesehre verletzt habe. — Dr. Arthur Schnitzler, der
ck, der
zu der Verhandlung des Ehrenraths persönlich geladen war,
honen.
st der Ladung nicht nachgekommen: er wollte wohl durch
nach
sein Fernbleiben erklären, daß er keinem Ehrenrathe das
Packet
Recht zugestehe, über die Art und das Maß künstlerischen Schaffens
ein Urtheil abzugeben, das einseitig von dem Standesinteresse
iktirt wird.
Es ist schon von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, daß
nöglich
dies Standesinteresse der österreichisch=ungarischen Armee durch die
chlossen
Novelle „Leutenaut Gustl“ in keiner Weise verletzt werden kann. Es
eimnisse
ist in der Erzählung durchaus nicht gesagt, daß der arme
Gustl sich nicht erschosfen hätte, wenn der dicke Bäcker¬
Galbran.
meister, der ihm körperlich zu nahe trat, nicht vom Schlage getroffen
ten durch
wäre; es ist auch nicht gesagt, daß der Leutnant Gustl, der nun,
en. „Ich
nachdem Niemand etwas von seiner Krankung weiß, wieder fürs
n können,
Leben und für seine Mutter gewonnen ist, das Muster des öster¬
2.. Feunesnet a. M. Berührt
werden folgende Ortschaften und Städte: Rhens=Königsstuhl, Boppard,
St. Goar, Oberwesel (Kontrolstation), Bacharach, Bingerbrück, Bingen
Kempten, Nieder=Ingelheim, Mainz (Kontrolstation), Kastel, Höchst
S
reichischen Offiziers sei, oder daß auch nur viele österreichische
Offiziere in einem ähnlichen Falle so handeln würden, wie
es Leutnant Gustl that. Wodurch in aller Welt wird also hier
das Standesinteresse verletzt? Soll einem Dichter nicht mehr
erlaubt sein, an einer Persönlichkeit einen Fall, der sich in seiner
Phantasie gestaltet hat, künstlerisch zu entwickeln? Dann muß die
ganze Literatur demolirt werden denn was den österreichischen
Offizieren recht ist, das ist auch für Könige und Kaiser, für Grafen,
Gelehrte, Pfarrer, Schriftsteller, Künstler und Händwerker billig.
Aber bisher ist zum Glück ein solcher Brauch noch nirgends geübt worden.
Sogar im Militärstaat Preußen würde man es einfach für eine Blamage
der Standesehre halten, wenn man zum Beispiel wegen des „Rosen¬
montag“ gegen Otto Erich Hartleben irgend welche Schritte unter¬
nähme oder wegen seiner lustigen Soldatengeschichten gegen den
Freiherrn v. Schlicht. Das ist eine üble Standesehre, die
sich durch die Beobachtung, daß es un#er vielen Ehren¬
werthen auch einige Minderwerthige giebt, verletzt fühlen
kann! Was sagt die Standesehre zu den Ausschreitungen öster¬
reichischer Offiziere gegen Bürgersleute, die gerade in der letzten Woche
durch die Presse ins Land getragen wurden? In dem einen Falle
waren Offiziere in einen geschlossenen Verein gedrungen, aus dem sie mit
höflicher Deutlichkeit entfernt werden mußten; in einem anderen
wvar ein Offizier mit dem Säbel auf offenem Markte einem Civilisten
nachgelaufen. Der Civilist war diesmal kein starker Bäckermeister,
und so blieb die Standesehre des Offiziers gewahrt — wenn sie nicht
(wie Mancher meinen könnte) durch die allzu kriegsfreudige Waffen¬
klapperei im Frieden schon vorher verletzt war.
Aber vielleicht ist die vom Ehrenrath verhängte Aberkennung der
Offizierscharge nicht so sehr durch den Inhalt der Novelle veranlaßt
worden wie durch den Umstand, daß Schnitzler die „Reichswehr" für
eine scharfe und beleidigende Kritik nicht zur Rechenschaft zog. Er
hätte ihr nach der Ansicht des Ehrenrathes wahrscheinlich eins über
den Kopf geben sollen, wie der Leutnant Gustl es mit
dem dicken Bäckermeister vorhatte. Er konnte das um so eher,
als — zum wenigsten in schriftstellerischer Beziehung — die „Reichs¬
wehr“ ihm gegenüber ganz gewiß nicht die stärkere gewesen
väre. Aber wenn er das nicht wollte, so bewies er damit
ach unserer Auffassung eine höhere Achtung vor der Standesehre
als jener Offizier, der dem Bürger mit der Waffe in der Hand über den
Markt nachrannte. Er dachte sich wohl, daß der Offiziersstand, dem
er angehörte, sich am würdigsten benähme, wenn er sich über alles