I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 34

10. Leutnant Gustl


—.— „

sommerliche Muße zur Composition. Wir berichteten
neulich von dem Liederspiel „Frühling und Liebe“
(für Solostimmen, kleinen Chor und kleines Orchester),
welches am genannten Stadttheater zur ersten Auf¬
führung kam und einen guten Erfolg hatte. Die Auf¬
führung war von besonderem Interesse, weil sie keine
rein concertmäßige war, sondern nach Art der „lebenden
Lieder“ in Scene gesetzt. Im Mai hat nun Herr
G. Hartmann ein neues Werk vollendet. Es betitelt
ich: „Friedrichsruh“, ein Hochgesang (Hymnus)
für deutsche Männerchöre mit Begleitung von Hörnern
und Pauken. Soeben hat nun der Verlag B. Schott
Söhne in Mainz dieses sangbare und dankbare
Werk erworben, welches zum Herbst im Druck vor¬
liegen wird. Der Satz ist so eingerichtet, daß die
Begleitung auch weggelaßmn werden kann. Anderer¬
eits stützt die Begleitung der Hörner (im Schlußsatze
sind es gar 4]) die Intonation schwieriger Stellen.
Im Allgemeinen geht der Satz über mittlere Schwie¬
rigkeiten=nicht hinaus.
Der Wiener Schriftsteller Dr. Arthur Schnitzler,
belcher österreichischer Regimentsarzt in der Reserve
war, ist, wie schon vorgestern gemeldet, von einem
militärischen Ehrenrathe seiner Officiers¬
charge verlustig erklärt worden. Veranlassung
dieser Maßregel ist eine kleine Erzählung unter dem
Titel „Leutnant Gustl“ Der Ehrenrath hat
befunden, daß der Schriftsteller in dieser Studie der
Ehre des österreichischen Officierscorps nahegetreten
sei. Als ein weiterer Grund wird angegeben, daß
Dr. Schnitzler auf eine diese Arbeit betreffende Kritik,
in welcher er persönlich heftig angegriffen wurde, nicht
reagirt habe.
Die Handlung der Novelle ist folgende:
Leutnant Gustl langweilt sich im Concert, bei einem
Oratorium. Er denkt dabei an alle möglichen Sachen,
Militär, Familie, Weiber; seine Gedanken kommen
mitunter recht weit ab vom Kunstgenuß. Er ist eigent¬
lich sehr froh, wie das Concert ein Ende hat, und
eilt in die Garderobe, um dann endlich wieder an die
frische Luft zu kommen. In der Garderobe genirt ihn
ein dicker Mensch, der ihm den Weg verstellt. Er erkennt
in ihm einen Bäckermeister, den er oft im Café
gesehen hat. Lieutenant Gustl fordert ihn unwirsch
auf, aus dem Wege zu gehen, und erhält eine sehr
resolute Antwort, worauf er mit einer Grobheit
replicirt.
Daraufhin hält der Bäcker den Säbelgriff des
Leutnants mit eiserner Kraft fest und sagt seinem
Gegner, daß er die Waffe zerbrechen und die Stücke
aus Regimentskommando schicken werde, wenn der
Herr Lentnant noch ein unziemliches Wort zu sprechen
wagt. Das hat der Bäcker in einem nichtsweniger
als schmeichelhaften Tone, aber so leise, daß es kein
Dritter hören konnte, dem Officier auseinandergesetzt.
Dann geht er ruhig weg. Nach der ersten sprachlosen
Verwirrung wird dem Lentnant klar, daß durch das
Vorgehen des Bäckers seine Officiersehre einen
unverwischbaren Flecken erhalten habe. Es giebt keine
Wiederherstellung für ihn. Mit Schimpf und Schande
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A. C
quittiren, oder sich erschießen, eine andere Wahl hat
Höpner der
er nicht.
gespielt un
Von diesem Gedanken getrieben, geht er die ganze
stimmen bi
Nacht in den Straßen der Stadt und im Prater
herum. Sein ganzes Leben, sein ganzer, nicht sehr
weiter Interessenkreis mit allen Personen und Ver¬
E
hältnissen kömmt ihm nach und nach in den Sinn,
eine Vorstellung bringt ihn auf die nächste, in
abgerissenen Bildern malt sich ihm sein ganzes
inneres und äußeres Leben und dazwischen kehrt
immer wieder der verzweifelte Gedanke: Du mußt
Von ein
aber jetzt sterben. So kommt er gegen Morgen zu
lich die Red
seinem Stammcafé, und da er übernächtig und sehr
daß die Bez
hungrig ist, entschließt er sich, zu frühstücken. Der
Bedeutung
Marqueur theilt ihm die Neuigkeit mit, daß der
klingt ein
Bäcker, der immer ins Café kommt, in dieser Nacht
oft heraust
gestorben ist. Es ist der Mann, der seine Ehre ange¬
unsaub
tastet, der ihn in den Tod getrieben hat. Es ist aber
Eine
auch der einzige, der um diese unselige Affaire ge¬
Ernstes
1n
wußt hat. Leutnant Gustl ist anfangs ganz con¬
sternirt. Dann athmet er auf. Jetzt
— jetzt ist ja
wie ein
der ganze Selbstmord nicht mehr nothwendig.
ist
für die
denn seine Ehre befleckt, wenn Niemand auf der Welt
währender
von der Schmach weiß, die ihm angethan worden ist?
auf Kosten
Nein. Er ist wieder, was er früher war. Am selben
auch „im
Nachmittag soll er mit einem Doctor, mit dem er ein
den praktisch
Rencontre gehabt hat, zum Duell antreten. Er ist
erschwingba
gerade in der rechten Stimmung. Sein Gegnersoll
und denno
sich nur freuen. Den wird er „auf Krennflei
Die
hauen!
in ei
In dieser Arbeit, deren Gedankengang hier skizzirt
Länder
wurde, glaubte nun der militärische Ehrenrath eine

doch
Beleidigung des österreichischen Officiercorps erblicken
insb#dere
zu sollen! Es scheint uns eine Art Gebot des Tactes,
ladung
die öffentliche Auseinandersetzung mit diesem Ehren¬
besondere,
rath der österreichischen Presse zu überlassen. Aber
doch ungedu
erstaunen wird man überall ob jenes Urtheils.
nahme
Schriftstellernde Reserveofficiere haben auch bei uns
hat sich
mehrfach Auseinandersetzungen mit dem Officierscorps
ragendsten
gehabt. Zur Ausschließung aus dem Offfciersstand
nicht nöth
aber ist es hier nie gekommen. Fragt sich übrigens,
gung an so
ob die Zugehörigkeit eines hervorragenden und be¬
einen Schi
rühmten Schriftstellers dem österreichischen Officiers¬
der Kreis
corps nicht eine ebenso große Ehre war, wie dem
der ken
Schriftsteller die Zugehörigkeit zum österreichischen
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Officiesrcorps
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Ausgedehnterer Ferien erfreut sich das Dredn###
selten vor,
königl. Schanspiel. Während das Dresdumt
besucher a
Opernhaus nur vom 1. Juli bis 10. August schließt,
etwa sagt
bibt das Schauspielhaus vom 23. Juni bis 7. Sep¬
Sie mir
temher geschlossen.
Ihren grö
Wenn
Die geplanten Wagner=Aufführungen in
vorüberbur
Turin werden nicht stattfinden, obwohl die Stadt¬
einer Loco
verwaltung 90,000 Lire zu den Unkosten beisteuern
Wohlgefal
wollte. Das Wagner=Comité hat sich bereits auf¬
stellung s
gelöst und veröffentlicht in den Blüttern einen lok-1