I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 48

Gustl
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10. Leutnant


Zufall, thätlich beleidigt, verhindert war, sic
für diese Beleidigungen die entsprechende Ge
nugthuung zu verschaffen und nun durch di
Ehrbegriffe seines Berufes sich verpflichte
fühlt, sich selbst zu tödten, wovor ihn abe:
wieder ein glücklicher Zufall bewahrt, da sein
Beleidiger plötzlich stirbt. Aber, wie erwähnt
wir wollen hievon ganz absehen, sondern um
auf die Consequenzen und Abirrungen hinweisen,
wenn wirklich das Spiel der freien Phantasic
unter die Controle, unter die Censur militä¬
rischer Ehrengerichte gestellt würde, wenn diesen
die Berechtigung eingeräumt würde, literarische
Martialgerichte abzuhalten und einen literarisch¬
militärischen Codex aufzustellen, in dem es § 1
heißen würde, der Officiers=Ehrenrath hat das
Recht und die Pflicht, auch Dichtungen der
schönen Literatur, wenn deren Autor activer
Officier oder auch bereits in der Reserve oder
in der Landwehr, zu überprüfen, ob deren In¬
halt nicht gegen die Anforderungen der Standes¬
ehre verstößt.
Wir begreifen es, dass sich die Officiere
berechtigt halten, bei journalistischer Veröffent¬
lichung von Thatsachen und daraus gezogenen
Schlüssen oder dazu gemachten Bemerkungen,
welche beleidigend oder verletzend für ihren
Beruf sind, oder so gedeutet werden können,
gegen den Autor Stellung zu nehmen, und —
wenn er Officier ist — ihn vor dem Forum
des Ehrengerichtes zur Verantwortung ziehen.
Aber wenn schon eine derartige Procedur wegen
geäußerter politischer Meinungen seitens eines
Mannes, der nicht activer Officier ist, ein Ein¬
griff in dessen bürgerliche Selbständigkeit ist
und darum zurückzuweisen ist, so muss gegen
diese allerneueste Ausdehnung des Urtheilsrechtes
auf das Spiel der freien Phantasie, auf
das schöpferische Seelen= und producierende
Geistesleben des Dichters entschieden protestiert
werden.
In das Geistesleben der Nationen und
deren führende und schöpferische Geister darf
der Militarismus keinen Eingriff thun und sich
nicht gestatten, sich zum Censor aufzuwerfen.
Er hat schon genug gesündigt durch die Ein¬
griffe in das bürgerliche Leben und zur Genüge
die staatsgrunkgesetzlich gewährte Freiheit und
Selbständigkeit durch das System der allge¬
meinen Wehrpflicht und dessen Auswüchse ein¬
geengt und beschränkt. Literariiche Martialgerichte
dürfen nicht gestattet werden.
R. J. B
Cagesneuigkeiten.
Kinderbewahr= und Mädchen=Lehr¬
anstalt in Wr.=Neustadt. Sonntag, den
30. Juni fand die Feier des 50jährigen Be¬
standes dieser Anstalt statt. Das segensreiche
Wirken dieses, unter Leitung der Schwestern
vom 3. Orden des heil. Franciscus Seraphicus
stehenden Institutes erfreute sich allseitiger
Wrni dei der Stiege zum Zahlstock
Telefon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
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Aunr oaApl
Ausschnitt aus:
vom
47 190—7
Dichter und Reserveofficier.
Aus Wien wird vom 21. Juni geschrie¬
ben: Eine k. k. österreichische Dichtkunst
hat es immer gegeben, aber daß man nach
dem militärischen Dienstreglement zu dich¬
ten habe, ist sicherlich etwas Neues. Und
doch ist diese Regel gestern hochamtlich
verkündet worden: Ein Schriftsteller ist
wegen einer Novelle vom Ehrenrath seiner
Officierscharge verlustig erklärt worden.
Für 50 Zeitung
inclusive
Der Held dieser Tragikomödie ist Ar¬
28
100
Porto.

thur Schnitzler, unter den Schrift¬
200
Zahlbar
10.
stellern der sogenannten Wiener Schule
500
im Voraus.

sicherlich der begabteste. Schnitzler ver¬
„ 1000
öffentlichte in der Weihnachtsnummer der
sausschnitte ist das
„Neuen Freien Presse“ eine Studie „Lieu¬
auch steht es den
Abonnement dure
tenant Gustl“, die nicht nur dichterisch
zu ändern.
Abonnenten frei
äußerst werthvoll, sondern sicherlich eine
der schärfsten Satiren ist, die je gegen den
szug enthaltend die
Der „OB
Officiersstand geschrieben worden sind.
ener Morgen¬
Inhaltsangabe
d „Wiener Zeitung“)
Die Stärke der Satire liegt darin, daß
blätter (Tag
irthschaftliche Leben
der Dichter den Lieutenant nicht verhöhnt,
wodurch eine Ue
Diese Mittheilungen
sondern schildert — als einen im
des In- und A
werden in Wien
Grunde genommen gutmüthigen und nicht
ungünstig veranlagten Menschen, dem je¬
6.
doch der äußerliche Ehrbegriff des Porte¬
pecs den Kopf verdreht, das Herz ausge¬
höhlt, die echte Sittlichkeit vertrieben hat.
Es ist nicht gerade der Officier, den
Schnitzler schildert, sondern der Lieute¬
nant, der halbn achsige Junge, den der
Müßiggang des Soldatenthums zu den
Weibern treibt. dessen centrales Empfin¬
den der geschlechtliche Genuß ist. Die
kleine Novelle ist ein einziger Monolog;
Lieutenant Gustl ist in ein ernstes Koncert¬
gerathen, wo er sich furchtbar langweilt,
und geräth leim Ausgang mit einem
Ballermester in Streit. Dieser be##
ihn, der Lieutenant will den Säbel ziehen,
doch der Bäckermeister hält den Säbel fest
und nennt ihn einen dummen Buben.
Nun entwickelt sich in dem verrückten Bur¬
schen die ganze groteske Gedankenweite des
Officiers, die damit schließt, daß er sich
tödten müsse; die „Schmach“ könne er auf
sich nicht sitzen lassen. Er geht in den
Prater, um sich die Kugel in den Kopf zu
schießen, tritt aber vor dem entscheidenden
Augenblick noch in sein Stamm=Café ein.
Dort erfährt er, daß den Bäckermeister in
der Nacht den Schlag getroffen hat, der
Verüber und Zeuge seiner „Schande“ todt
ist. Hier ist der Kern der blutigen Satip¬
der Lieutenant ist ob der Nachricht selt
überglücklich: „O, herrlich, herrlich!
Am End' ist das alles, weil ich in der Kie
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