I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 49

10. Leutnant Gustl


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gelul heim Ausgang mit einem
Bäckermeister in Streit. Dieser beschimpft
ihn, der Lieutenant will den Säbel ziehen,
doch der Bäckermeister hält den Säbel fest
und nennt ihn einen dummen Buben.
Nun entwickelt sich in dem verrückten Bur¬
schen die ganze groteske Gedankenweite des
Officiers, die damit schließt, daß er sich
tödten müsse; die „Schmach“ könne er auf
sich nicht sitzen lassen. Er geht in den
Prater, um sich die Kugel in den Kopf zu
schießen, tritt aber vor dem entscheidenden
Augenblick noch in sein Stamm=Café ein.
Dort erfährt er, daß den Bäckermeister in
der Nacht den Schlag getroffen hat, der
Verüber und Zeuge seiner „Schande“ todt
ist. Hier ist der Kern der blutigen Satix¬
der Lieutenant ist ob der Nachricht seite
überglücklich: „O, herrlich, herrlich! —
Am End' ist das alles, weil ich in der Kie
chen g’wesen bin . . . Todt ist er — todt
ist er! Keiner weiß was, und nichts ist
geschehen! Und das Mordsglück, daß ich
in das Kaffeehaus gegangen, sonst hätt'
ich mich ja ganz umsonst erschossen!“
Wohlgemuth zündet er sich die Cigarre an,
bestellt sich seine Geliebte für Abends und
ist wieder der ritterliche, schneidige, ehren¬
hafte Officier, als der er sich und den an¬
dern gilt. Das, was in der kleinen Skizze
so wunderbar erfaßt ist, ist die innerliche
Verrohung, die aus dem Officiersstand
hervorgeht: Jene Verrohung, der ein äu¬
ßerlicher, fetischistischer Ehrbegriff über
Alles geht. Die wahnsinnige Freude über
den Tod eines Menschen geht ins Blut.
Herr Schnitzler ist ob dieser Novelle nun
in ehrenräthliche Untersuchung gezogen
worden — er ist Reserveofficier und Re¬
gimentsarzt — und als er es korrekter¬
weise ablehnte, über sein dichterisches
Schaffen dem Ehrenrathe ## de und Ante
wort zu stehen, wurde er von dieser mili¬
tärischen Behörde des Officierscharakters
für verlustig erklärt. Die Sache ist für
Herrn Schnitzler wohl ohne jede Bedeu¬
tung; schließlich ist man lieber ein Dich¬
ter, denn ein Regimentsarzt, und wenn
die österreichischen Officiere vermeinen,
daß das Dichten mit dem Dienstreglement
unvereinbar ist, so wird wohl jeder auf
das fragwürdige Vergnügen, seine Muse
von dem Officiersbegriff inspiciren zu las¬
sen, gern verzichten. Der Ehrenrath hat
sich ja nicht zum ersten Male blamirt. Als
er seiner Zeit dem Genossen Leuthner we¬
gen einer wissenschaftlichen Rede über
Marx den Officierscharakter entzog, be¬
zeugte er vor der Wissenschaft denselben
Respekt, den er jetzt vor der Kunst offen¬
bart. Das Interessante an dieser „Ma߬
regelung“ eines Dichters liegt aber darin,
daß der Officiersstand damit bekräftigt,
wie wenig er die wahrheits¬
gemäße Schilderung seiner
Mitglieder verträgt. Der Dich¬
ter hat uns den Typus des Lieutenants
gezeigt, den Typus einer Kaste, die ihr
ittliches Fundament, ihre sociale Noth¬
wendigkeit verloren hat und deshalb ganz
aufs Aeußerliche angewiesen ist. Der
Militarismus verträgt aber nicht das
grelle Licht, mit dem der Dichter das auf¬
gedonnerte Nichts dieses Standesgefühls
beleuchtet hat. Herr Schnitzler mag sich
trösten: der den Lieutenant Gustl so un¬
barmherzig porträtirt hat, kann nicht
wünschen, sein Standesgenosse zu bleiben.
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