box 1/11
Gustl
10. Leutnant
1
Sahe Sdan-Kiste
P.1E.6 4.
Telefon 12801.
22 Len
Gustl. Novelle von Arthur
ler. Illustrirt von M. Coschell.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Fischer.
Ausschnitt
Auf=der großen Weltausstellung in Chicago, die
Nr. 52
ja neben den bedeukendsten Blüthen der Cultur auch
106 „OBSERVER“
den ungeheierlichsten Blödunn der verschiedensten Art
zeitigte, ließ sich für Gel ein Mann sehen, der ohne
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Unterbrechungsvom Mor#en bis zum Abend sprach
und dabei die Verpflichtung üternommen hatte, nicht
Wien, IX, Türkenstrasse 17.
weniger als so und so viele tausend Worte in der
— Filiale in Budapest: „Firyeló“ —
Stunde auszusprechen. Nun, nachgezählt wird wohl
Keiner haben. Mit diesem Geschwind= und Dauer¬
Vertretungen in Berlin, Chicago, Genf, London, Newyork, Paris, Rom, Stockholm.
redner aber hat Arthur Schnitzker in seiner neuesten
Novelle eine gewisse Aehnlichkeit. Diese Novelle von
achtzig Seiten nämlich besteht aus einem einzigen
Ausschnitt aus:
Selbstgespräch des jungen, in Wien garnisonirenden
Leutnants „Gustl“. Zwischen dem Chicagoer Redner
rtiner Tagebiat:
und dem genialen Schnitzler gibt es freilich auch wieder
einen großen Unterschied. Jener redete Blödsinn, denn
vom 72
zur aufs Reden kam es ihm an, Schnitzler's Schnell¬
und Dauerredner dagegen (er redet nämlich auch von
S
Abends 9 bis zum nächsten Morgen 9 Uhr un¬
unterbrochen) fesselt den Zuhörer durch die Geschichte,
welche enthüllt wird, ganz ungemein. Nur hier und
da wird einem das ewige Gerede durch seine Ein¬
tönigkeit ein bischen zu viel. Das ist schade, denn
Arthur Schnitzler. Leutnant Gustel. Berlin, S. Fischer.
die Novelle ist nicht mehr und nicht weniger als eine
Leutnant Gustel hat bei dem Ausgang aus einem Konzert, in
feine Seelenmalerei. Leutnant Gustl wird im Concert
das ihn ein guter Freund versetzt hat, ein Abenteuer mit einem
von einem Bäckermeister tödtlich insultirt, ohne sich
Bäckermeister, das wirklich sich so anläßt, als sollte es tragisch
wehren zu können, und da er unter diesen Umständen
enden. Der Bäckermeister, dem er grob begegnet ist hat ihn im
ein Duell nicht fordern darf, meint er, sich todt¬
Gebränge einen „dummen Buben“ genannt. Er hat ihm dies
schießen zu müssen. Die letzte Nacht seines Lebens ist
allerdings un, in das Ohr gesagt, aber er hat ihm die
durch ein Selhstgespräch ausgefüllt, in dem Reflexionen
Hand so fest gepreßt, daß er den Degen nicht ziehen
aus Vergangenheit und Gegenwart, Kämpfe des
konnte. Leutnant Gustel konnte die ihm angethaue Beschimpfung
nicht rächen. Das kann er nicht verwinden. Der ganze Mensch ist
Lebensdranges mit dem
die Selbstvernichtung
auf den Begriff der Offiziersehre gestimmt, an ihm nimmt er
fordernden Ehrgefühl, Erinnerungen mit einander
Jetzt,
seiner Leichtlebigkeit und Leichtfertigkeit den einzigen Halt.
abwechseln.
Ehe der Todescandidat Morgens
da ihm dieser entzogen ist, sieht er nur das Nichts vor sich.
heimwankt, um ein Ende zu machen, erfährt er in
hat
spielt mit dem Gedanken, sich zu erschießen aber er
einem Caféhause, daß seinen Beleidiger gleich nach
noch Glück im Unglück. Denn ehe der Gedanke sich
seinem Rencontre der Schlag getroffen hat, und da
daß
Entschluß und That umwandelt, meldet ihm die Zeitung.
die Beleidigung keine Zeugen hatte, ist dem glücklichen
10.
der grobe Bäckermeister auf dem Heimwege aus dem Konzert
Leutnant Gustl das Leben geschenkt.
tödtlich vom Schlage getroffen worden ist. Und eine ungeheure
Erleichterung zieht in Leutnants Gustels Seele ein. Denn Niemand
braus.
wird je erfahren, daß er ungestraft ein „dummer Bub“ genannt
worden ist, — er kann weiter leben. Schnitzler beschreibt die Vor¬
it das
gänge in der Seele Gustels von dem Eintritt in das Konzert bis
s den
zum Tode des Bäckermeisters als Gedankenleser. Gustels Ideen
wickeln sich unmittelbar vor dem Leser ab, wie menn ein Knäuel
Garn abgewickelt wird. Es kommt alles heraus, was in dem
1d die
armen kleinen Köpschen steckt. Es ist nicht Schnitzlers Schuld,
gen¬
Untalnglut Jaale sne
wenn es nicht mehr ist. Aber es ist mit einem überlegenen und
ung
doch gutmüthigen Humor erzählt, als wollte der Dichter sagen: es
7 419
muß auch solche Thiere geben.
g.
##
Mr Ausidnace 1 „ueud ebchu. Litsehmtscheilungen
werden in Wien um 9 Uhr Früh verschickt.
Prospecte gratis und france
Arthur Schnitzler: Leutnant Gustl„Mit 21 Illustrationen
von M. Coschell. Verlag von S. Fischer, Beekin. Arthur Schnitzler
hat das Charakterbild eines jungen österreschischen Leutnants, wie es
sich in einem kritischen Augenblick, semes Lebens offenbart, zu erfassen
gesucht und, im Rahmen eineß=trägikomischen Erlebnisses, dieser Figur
mit einer gewissen überlegenen Ironie Gestalt gegeben. Diese tragi¬
komische Geschichte vomLeutnant Gustl wird viel und gern gelesen
werden.
Jgrunee Nue dechune
N 269
72222
Arthur Schnitzler: „Lieutenant Gustl.“ Dieses
psychologische Cabinettstück, die erschöpfende Bloslegung der Lieutenants¬
seele, ist nun von M. Cochell illustriert, in Buchform erschienen. Die
gekauft zu werden, da sie bei S. Fischer Berlin in vierter Auflage
vorliegt.