I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 103

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10. Leutnant Gustl

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nämlich jetzt nicht mehr von der „schmalen Sichel des !##
ich
des“, sondern wer etwas auf Modernität hält, kann nung
von einer „sehr schmalen Sichel“ reden. Man saguf
mehr: die schwarzen Schatten, sondern: die sehr sches
Schatten. Beide Beispiele finden sich auf der erstens###
jener Erzählung. Immer schien mir schon bei David Intuition
und Reflexion miteinander im Kampf zu liegen. Es scheint
fast, als würde, letztere immer mehr Herr über den Dichter.
Das wäre sehr schade bei seinem Talent, das man auch in
diesem Band oft genug bewundern muß.
Bei den „Frühlingsblumen“.*) Novellen von
Johannes Schlaf, bedauert man auch, daß lange Stellen
dürrer Reflexion mitten zwischen den intimsten, anheimelnd¬
sten Stimmungen stehen. Mitten zwischen Worten, Bildern,
Sätzen, auf denen man ruhen und träumen möchte, so weich
sind sie. Diese Reflexionen wollen Perspektive geben, Hori¬
zonte öffnen, aus der Enge in Weiten und Tiefen deuten,
aber sie stehen doch nur mitten zwischen den Blüthen dieser
Dichtungen wie ein pedantischer Magister mit großmächtiger
Brille auf einer blühenden, bunten Wiese. Schlaf strichelt
mit schalkhaftem Lächeln und stillem Behagen reizende Idyl¬
len, seinen feinen Augen entgeht das Kleinste nicht. Und
wenn es nöthig ist, hat er immer noch vom „Meister Oelze“
cher den festen, grausamen Griff, wie z. B. in der Novelle
„Gerechtigkeit“. Wenn er sich nur den naturphilosophischen
Mummenschanz abthun wollte. Er steht den Dichtungen
nicht, er stört nur. Es muß ja nicht jeder „Wilhelm Böl¬
scheln“.
Auch von Wilhelm v. Polenz liegt ein Bändchen Ge¬
schichten vor, Dorfgeschichten. Es nennt sich „Lugins
land".**) Polenz hat einmal wieder von seinem Gut aus
mit hellen Augen Ausschau gehalten nach allerhand Bauern¬
volk ringsum und dabei Manchen für sein Buch eingefangen,
den es lohnt, kennenzulernen. Namentlich gilt das von den
ersten Geschichten. Ihr Hauptwerth liegt in der Zeichnung
der Charaktere. Das dürfte überhaupt die Stärke dieses
Schriftstellers sein, dessen lyrisches Vermögen, dessen Gabe
zu fabuliren ziemlich gering ist. Ich habe wenigstens stets
seine kürzeren Sachen am höchsten gestellt. Da fallen diese
Mängel nicht auf, wie bei langen Romanen. Auch der
Stil seiner Dorfgeschichten ist farbiger, kräftiger als der
seiner letzten Romane, deren Sprache geradezu konventionell
werden kann. An dem Großbauer Kumack, der Leichenfrau
Mauksch, dem alten Wrack Bierlich, der Familie Riegel und
als Gegenstück dazu die leichte Sippe der Krapse, an ihnen
*) Berlin W., F. Fontane & Co. 1901.
*) Berlin W., F. Fontane & Co. 1901.
95.505
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Meining.Pr.-Pid.4129.905
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allen kann man nur seine ästhetische Freude haben. Sie
alle stehen fest und sicher, wohlgetroffen vor uns. Nur zwei
Gestalten wollen mir nicht recht behagen. Der „rothe“ Run¬
zel aus Gerechtigkeitsgefühl nicht. Wäre ich Mitglied der
ozialdemokratischen Partei, würde sie mich direkt verletzen,
denn dieser Runzig, der als Typus gehalten ist, ist nicht
ypisch für den Sozialdemokraten seiner Art und Lage. Die
andere Gestalt behagt mir aus rein ästhetischen Gründen
nicht recht, denn Zittelgusts Unna, die Heldin der letzten
Erzählung, steht durchaus nicht so im Vordergrund des In¬
teresses, wie man es nach der ganzen Anlage der Geschichte
erwarten sollte.
Ebenfalls hauptsächlich durch die dargestellten Charaktere
fesseln die vier Geschichten in dem Bändchen: „Die
chwarze Madonna“*), von Hans Weber=Lut¬
kow. Es sind Geschichten aus dem österreichisch=ungarischen
Kleinrußland, deren Menschen zuml Theil in ganz ähnlichem
Milieu leben wie die Menschen in „Luginsland“. Aber welch
weite Rassen= und Kulturunterschiede! Bei Weber=Lutkow
finden sich fast nur dumpfe Triebmenschen, die von den aller¬
primitivsten Trieben beherrscht werden. Da ist z. B. die
gutkatholische Martha, die des Geldes wegen einen alten,
vertrunkenen Kerl geheirathet hat, während sie einen jungen
hübschen Burschen liebt. Sie wartet und wartet, daß der
Alte endlich stirbt, und wenn sie ungeduldig wird, tröstet sie
hre Mutter: Gott werde schon gnädig sein und bald ein Ein¬
ehen haben. Aber es dauert ihr doch zu lange, viel zu lange
und sie fleht zur schwarzen Madonna, die im Zimmer hängt,
ie möge doch helfen, ohne aber gleich zu wissen, wie sie denn
helfen soll, nur aus dem dumpfen Instinkt heraus, daß sie
das Lenen an der Seite des Alten nicht mehr lange aus¬
halten kann. Plötzlich kommt ihr der Gedanke, sie müsse den
Alten todtschlagen. Sie erschrickt, sie kämpft gegen den Ge¬
anken, aber die schwarze Madonna an der Wand sieht sie
o freundlich an, gerade als billige sie den Gedanken. Ja sie
schaut fast so aus, als wäre sie selbst es, die ihr den Ge¬
danken eingegeben. So führt sie ihn denn aus und wird von
den bäuerlichen Geschworenen freigesprochen, denn was die
Madonna wünscht, muß man thun, das fordert die Frömmig¬
keit. Krasse Brutalitäten dieser Triebmenschen versteht Weber¬
Lutkow so darzustellen, daß sie verständlich werden, daß man
nicht nur Grauen empfindet vor diesen Wesen. Und darin
zeigt sich eben, daß Weber=Lutkow ein Dichter ist. Das trifft
ür alle vier Geschichten zu. Darin und in der Fähigkeit, die
Linz, Wien, Leipzig, Oesterreichische Verlagsanstalt,
1901.
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onsonid. Seiinik
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Dessauer Gas
208.—b 207.10
D. Waff.- u. Munit. 182.— b 181.756
für diese Menschen nothwendige
umgebenden Natur zu erzeugen,
Ganz anderer Art sind die
von Beate Bonus, die mir
unbekannt war. Sie versteht au
iren, aber da sie fast ganz und
so ch.trakterisirt sie weniger dadu
Menschen bis zum Letzten psycho
daß sie die Eigenheiten ihrer Gel
alles Dessen, wodurch ein Malel
irt, aufzeigt, wodurch ja auch
kann. Dies scheint mir besonder
schichten. Auch die kleinen Na
einen besonderen Reiz darin, da
wiedergegeben sind. Sie versteh
wirklich geistreiche Diktion, die
gleiche von überraschender Eige
chüttelt. Auch hat das Buch Hu#
noch mehr darin, wenn sich die k
o klug zügelte. Nur einmal ist
hat sie sich, wie es gerade Humo
Einfall so verliebt, daß sie nicht
ihm loskommen kann. Ich mei
gleich mit der Lokorotive in de
er ist, wird er doch zu lange fest
Fehler zeugt mir für die humor
geborenen Humoristen erkennt
chneller an seinen Fehlern als
„Geschichten“ dieser Erzählung
konventionell.
Hatte ich die Freude, trotz m
her von lauter Büchern reden zu
ind, von denen keines ohne lite
ich jetzt ein Buch nennen, das i
es von einer Dichterin stammt,
leicht die beste naturalistische G
wvir Deutschen besitzen. Ich mein
„Feierabend“ von Anna Croi
Buch: „Pimpernellche“
dagegen bös ab. Was jene Mü
net, fehlt hier so gut wie ganz,
schichten auszeichnet, ist keine
blutvoller, saftiger Stil, der a#
unbedingt nothwendigen Rohhei
*) Leipzig, Fr. Wilh. Gruno
Verlegt bei Schuster u.
1901.