I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 119

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10. Leutnant Gustl

(1897), „Ein Vater“ (1897), „Ein Tag“ (1899), „Aven¬
türe (1899), „Dorfchronik“ (1899), „Liebe“ (1900) und
„Blumen“ (1900). Sie sind ihrem Werte nach ungleich,
weisen aber von Nummer zu Nummer einen deutlich
sichtbaren Fortschritt auf. Es sind kurze Skizzen oder
vielmehr bloße impressionistische Stimmungsbilder, die
den Faden der Erzählung nur aufnehmen, ihn jedoch
nicht weiterspinnen, sondern mit Auslassung ihrer ebenen
Strecken von einem Höhepunkt der Handlung zum andern
schreiten und auch hier die Situation weniger ausschöpfen
ils vielmehr ihre Stimmung nur antönen. In dieser
Beziehung haftet einzelnen dieser Studien etwas Dilet¬
tantisches an. Jedoch die Stimmung, der alle entspringen,
ist so echt poetisch und das Gewand der meisten aus
ursprünglicher, kräftiger dichterischer Anschauung so präch¬
ig gewirkt, daß sie wie Gedichte wirken. Der Verfasser
ist ein echter Poet, dessen Auge sich an den Schönheiten
der Natur vollgesogen. Ihrem Titel entsprechen sie da¬
durch, daß insbesondere der taufrische Glanz, die feucht¬
duftige Stimmung des frühen Morgens in ihnen einen
plastischen Ausdruck gefunden. Wie das zarte Farben¬
spiel des jungen Tags, so gibt der Dichter auch die erste
unbewußte Regung sinnlicher Liebe der Kinder in farben¬
satten, stimmungsvollen Bildern wieder. Die Skizzen
„Kinder“ und „Aventüre“ sind technisch sehr bemerkens¬
werte Stücke, die Phantasie „Blumen“ ist geradezu eine
virtuose poetische Leistung. Wir hoffen, dem talentvollen
St. Galler Poeten recht bald wieder und öfter zu be¬
gegnen.
Auch gegenüber einem andern Buche haben wir eine
versäumte Pflicht nachzuholen. Ein im Verlag von
Siegfried Cronbach in Berlin letztes Jahr erschienener
Roman von M. Pruschanski mit dem Titel
bos 1/11
Ein Blatt aus der Chronik unserer
Stadt“ ist ein in mehrfacher Hinsicht interessantes
und bemerkensweites Buch. Der Roman spielt in einer
jüdischen Stadt Rußlands zur Zeit Kaiser Nikolaus I.,
reicht also über ein halbes Jahrhundert weit zurück,
Man könnte, weil die Personen seiner Handlung fast
urchweg Juden sind, ihr Held, ein „Genius“, d. h.
ein hochbegabter und gebildeter Jude, gegenüber der
jüdischen Orthodoxie fortschrittliche Ideen und am
Schlusse sogar den Zionismus vertritt, das Buch für
inen spezifisch jüdischen Tendenzroman halten, stünde
das Werk durch seinen poetischen und künstlerischen
Wert nicht turmhoch über einer bloßen Tendenzschrift.
Wohl bietet der Roman in der Wahrheit seiner mgung
fachen Charaktere und ihrer Schicksale ein-lebendiges,
kulturhistorisch interessantes Gemälde“ des Charakters
und Lebens der russischen Juden vor einess halben
Jahrhundert, aber noch schärfer tritt darin das Bild
der russischen politischen Zustände jener Epoche, insbe¬
ondere der korrupten Beamtenwirtschaft hervor, wie sie
i Gogols in der gleichen Zeit spielenden Komödie
„Der Revisor“ gegeißelt ist. Unbeabsichtigt, aber um so
pikanter sind die zahlreichen Vergleiche mit der Gegen¬
wart, die sich dem Leser aufdrängen. Aber alle diese
tofflich interessanten Dinge und Schilderungen treten
zurück vor dem allgemein und rein menschlich ergreifen¬
en Inhalte der Erzählung und ihrer poetischen und
künstlerischen Gestaltung. Nicht bloß ist die Erzählung
rfüllt von reichem und warmem inneren Leben, sondern
auch die Technik des Erzählers ist vorzüglich, seine Dar¬
stellung lebendig und geistreich graziös. Der interessanten
geistreichen Beobachtungen und Bemerkungen enthält der
Roman eine große Zahl. Der Stil ist von schlichier,
aber vornehmer Eleganz. „Ein Blatt aus der Chronik
unserer Stadt“ ist ein stilles, schlichtes, aber feines und
vornehmes Buch.
„Leutnant Gustl“ die Novelle von Arthur
Schnitzler, die in militärischen Kreisen Oesterreichs
s. Z. so großes Aufsehen erregt und ihren Verfasser
den Charakter eines Reserveoffiziers gekostet hat, ist im
Verlage von S. Fischer in Berlin bereits in neunter
Auflage erschienen. Die kleine Novelle von sechzig Seiten
ist ein einziger virtuoser Monolog. Der lebenslustige
Leutnant Gustl muß sich, weil er von einem ordinären
Bürgerlichen, einem Bäckermeister, beleidigt worden ist,
rschießen. Seine Offiziersehre verlangt das. Da aber seinen
Gegner der Schlag trifft, ehe eine andere Menschenseele
von der tödlichen Beleidigung etwas hat erfahren können
macht der Selbstmordkandidat einen Freudensprung in
das Leben, dessen Herrlichkeiten in den letzten Stunden
n doppelt verführerischem Glanze au ihm vorbeigezogen¬
Es gibt keine blutigere Satire auf die bloße Standes¬
ehre, als dieser „Leutnant Gustl“ ist.
Ein echter Dichter, dessen schmiegsames, liebenswür¬
diges Talent dank einer reichen Phantasie und hoch ent¬
wickelten Anempfindungsfähigkeit in die verschiedensten Ge¬
stalten und Gewandungen aller Himmelsstriche und Lebens¬
kreise zu schlüpfen vermag, ist Otto Hauser. Dieses
Geschick hat sich schon in Hausers im Verlage von Adolf
Bonz u. Co. in Stuttgart erschienenen „Gthnogra¬
phischen Novellen“ bewährt. Die sechs kleinen Er¬
jählungen spielen in den verschiedensten Gegenden.
Robbe“ in Grönland, „Finnenzauber“ in *
„Lyma“ bei den Lappländern, „Jela“ in Un¬
Kreuzigung“ und „Die Insel Pung=Sai“
China. Das Lokalkolorit dieser Geschichten ist¬