I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 120

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10. Leutnant Gustl

terischen Weibes abgesetzten Pfarrers, für den er übri¬
und Ton der Sprache so charakteristisch, daß man der
gens die historische Existenz in Anspruch nimmt, ent¬
Versicherung des Dichters, daß sie auf ausgebreiteten
faltet der Dichter ein erschütterndes Bild eines aus
folk=loristischen Studien beruhen, gerne Glauben schenkt.
eigener Schuld und tragischem Schicksal zerstörten edlen
Obwohl indessen die Fabel der Erzählungen dem ethno¬
Menschenlebens. Eine mit großer Plastik herausgear¬
graphischen Gewande und Kolorit entspricht, so ist doch
beitete, wahre und ergreifende Gestalt ist dieser Pfarrer,
die psychologische Grundlage allgemein und rein mensch¬
der von den heißen Wallungen seines Blutes und der
lich, bisweilen mit stark satirischem Einschlag versehen.
Bosheit der Menschen von Klippe zu Klippe geworfen
Um diese und die poetische Stimmung ist es dem Dichter
wird und daran elend zerschellt. Die Erlebnisse des
in der Hauptsache zu tun.
ochbegabten und ursprünglich edlen Pfarrers auf seiner
Eine im gleichen Verlag erschienene größere Erzäh¬
Wanderung in Kroatien von einer freien religiösen Ge¬
lung Otto Hausers betitelt sich, ehrer Johannes
meinde zur andern bilden außerdem einen kulturhistorisch
Johansen“ und spielt in Dänemark. Sie erzählt
interessanten Rahmen zu dem ergreifenden Lebensbilde,
die Geschichte eines Lehrers, der über der Schwärmerei
das sich von dem kroatischen Aufstand als bedeutsamem
für die Kuust und ob dem Ehrgeize, eine Statue der
historischen Hintergrund so kräftig abhebt. Die Sicher¬
Aphrodite zu schaffen, Leben und Glück verträumt und
heit und Kraft, womit sich der Dichter hier auf dem
versäumt. Das Werk, dem er so viel geopfert, wird in
Boden eigener Anschauung bewegt, sollte ihm ein Finger¬
der Hauptstadt von Künstlern und „Kennern“ belächelt
zeig sein, diesen nicht zu verlassen, so verlockend seiner
und abgewiesen. Ein von Johansen adoptierter talent¬
leichtflüssigen Phantasie der Ausflug in fremde Gebiete
voller, armer Junge erreicht dank seiner Hülfe das Ziel
erscheinen mag. Auch der begabte Dichter bedarf, um
der Sehnsucht, dem er umsonst sein ganzes Leben hin¬
ein Talent zur vollen Kraft und Reife zu entfalten,
durch nachgestrebt. Auch diese in schlichtem Tone vor¬
des sichern Grundes und scharfbegrenzten Horizontes
getragene Erzählung ist stellenweise satirisch gefärbt.
einer Heimat. Und Otto Hauser ist ein solcher echter
Nur stehen darin die psychologische Ueberzeugungskraft
Dichter, dessen Entwicklung mit Aufmerksamkeit verfolgt
und die künstlerische Gestaltung nicht auf der gleichen
Höhe wie die poctische Stimmung, von der sie erfüllt
zu werden verdient.
ist. Die feinste Kenntnis menschlichen Seelenlebens, ver¬
Kleine Chronik.
bunden mit einer ungewöhnlichen Kunst der Charakteri¬
Naturwissenschaftliches Reisesti¬
sierung und Gestaltungskraft offenbaren sich in der
pendium für die Tropenstation Buiten¬
en Erzählung Otto Hausers: „Ein abgesetzter
r“.*) In der Geschichte seines Helden, eines
zorg. Im Auftrage des eidgenössischen Departements
des Innern bringt das Zentralkomitee der Schweizerischen
Verfolgung und falschen Anklage eines hy¬
Naturforschenden Gesellschaft ein Reisestipendium im Be¬
trage von 5000 Fr. zur Ausschreibung. Dasselbe ist
g von Adolf Bonz u. Comp., Stuttgart.
dazu bestimmt, einem Naturforscher zu #ög
während des Winterhalbjahres 1905/06 im bot
schen Institut zu Buitenzorg wissensch
Arbeiten auszuführen. Es bleibt der Verständigun
Zentralkomitees mit dem Stipendiaten vorbehalten,
und Arbeitsprogramm, sowie das Pflichtenheft im ein
festzustellen. Dabei ist das Arbeitsgebiet örtlich un
lich nicht ausschließlich auf Buitenzorg und fachlich
ausschließlich auf Botanik beschränkt. Bei der Ver
des Stipendiums werden die Lehrer der Natur
schaften an schweizerischen Mittel= und Hochschulen,
jüngere Männer, welche ihre naturwissenschaf
Studien mit Auszeichnung abgeschlossen haben, vo
weise berücksichtigt. Das Zentralkomitee hat zur
bereitung der Berichterstattung und Antragstellt
das Departement eine Spezialkommission nieder
bestehend aus den Herren Dr. Fritz Saras
Basel, Prof. Dr. R. Chodat in Genf, Prof.
Schröter in Zürich. Bewerber haben ihre 2
ung, begleitet von einem curriculum vite und
eisen über die bisherige wissenschaftliche Tätigk
ätestens zum 31. Dezember 1904 an Herrn Pr.
Schröter, Zürich V einzusenden, der auch zu m
uskunfterteilung bereit ist.
Aus der Musikwelt. Der bekannt
Ner Theaterleiter Heinrich Zeller unternimmt w
des Winters mit einem aus 62 Mitgliedern zusa
gesetzten Ensemble und einem dreißig Mann
Orchester eine internationale Opere
Tournee, die die größeren Städte in Deuts
Holland, Belgien, der Schweiz und Rußland be
soll; das Gastspiel wurde am 1. Oktober in
nover erfolgreich eingeleitet. — Karl Weiß