10. Lentnant Gustl
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Werk von Karl Scheffler übre Berlin, worin die deutsche
Reichshauptstadt als ein „Stapelplatz", eine „Kolonisten¬
niederlassung wendischer Fischer“ schmählich abgetan und
aller angemaßten Schönheit grausam entkleidet wurde,
An ähnlichen Auslassungen, zum Teil höchst geistvoller Art,
ehlte es auch bei uns nicht, auch der Wiener Charakter, das
Wiener Wesen hat seinen Aristophanes gefunden, der an
unserer Liederlichkeit und „keltischen“. Verlogenheit kein
gutes Haar ließ. Im Gegensatz zu diesen Pamphleten be¬
müht sich das Buch der Herren Bab und Handl um e t aus
Wohlwollen und Höflichkeit gemischte, reinere Betrachtungs¬
art. Wenn ihnen ein Vorwurf in dieser Richtung zu muchen
wäre, so wäre es nur der, daß sie die Liebenswürdigkeit ein
wenig übertreiben. Das Doppelbildnis, das sie zeichnen, ist
ein Januskopf, der nach beiden Seiten hin verbindlich
lächelt.
Die Persönlichkeit der beiden Reichshauptstädte ist heute
etwas absolut Feststehendes, mit dem sich rechnen, aber nicht
rechten läßt, allein auch diese Persönlichkeit hat sich, wie jede,
nur lungsam. im Dunkel der Geschichte, herausgebildet, und
es ist ungemein reizvoll, ihrem Werdegang durch die Jahr¬
hunderte nachzuspüren. Nach Ansicht der Autoren hat Wien
dasjenige, was sie „die entscheidende Prägung nennen, vor
etwa zweieinhalb Jahrhunderten zer Zeit des Kaisers
Leopold und vom „Geiste der Barocke“ empfangen. Es war die
Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege, aus dessen „„ahl¬
bad“ die abseits gelegene Kaiserstadt gekräftigt hervorging,
im Gegensatz zu Berlin, dessen Einwohnerzahl während des
Krieges von 15.000 Menschen auf 6000 Menschen herunter¬
sank. Dafür sah sich Wien ein halbes Jahrhundert später
durch die letzte Türkenbelagerung noch einmal in Frage
gestellt, und erst, nachdem es diese Frage lebenskräftig
bejaht hatte, begann es, zu seiner heutigen Gestalt zu
erblühen. Wenn wir „Wien“ sagen, woran denken wir
zunächst? An die Karlskirche, an die Hofburg, aber mehr an
den Josefsplatz als an den Schweizerhof, an die Herrengasse,
die Freyung, an die Himmelpfortgasse mit dem Winterpalast
des Prinzen Eugen, und an das Belvedere, seinen Sommer¬
palast. Der „alte Steffel“, für den die Volkssänger mit ein¬
gedrückten Trinkeräuglein schwärmen, schafft alledem den
Mittelpunkt, er ist das Wahrzeichen, das über allem schwebt,
aber seine Gotik ist in keiner Weise charakteristisch für Wien,
das alles ist, nur nicht gotisch. Jene anderen Gebäude aber,
die Wien sein charakteristisches Gepräge geben, gehen aus¬
nahmslos auf die Regierungszeit Kaiser Leopolds I. und die
unmittelbar folgenden Jahrzehnte zurück. Es ist das Wien
des Fischer von Erlach, des Prinzen Eugen, des Abraham
a Sankta Clara, woran wir vorzugsweise denken, wenn wir
Wien neunen, mit einem Worte das barocke Wien. Und
dieses Wien ist, wie die Autoren mit erlaubter Bosheit
agen, als „eine der reizendsten italienischen Städte aus
ener Zeit im wesentlichen bis heute erhalten geblieben.
Fürstlicher Geist, katholischer Kirchenpomp, dessen Pracht
panischer und italienischer Herkunft war, gaben ihr Umriß
und Farbe, eine sinnenfreudige, genußfrohe Lebensauf¬
assung, der „alles Festliche heilig und alles Heilige ein Fest
war“, hauchte ihm die Seele ein. Auch die wienerische Lust
an theatralischer Schaustellung innerhalb und außerhalb des
Theaters geht auf) ie Epoche zurück und auf das Vorbild
eines Monarchen, der selbst Musik machte und am Mummen¬
chanz Gefallen fand. So wird berichtet, daß er, als seine
Braut, die Infantin Lurgerita, nach Wien kam, ihr bis
Schottwien entgegenritt, um sie als Postillon verkleidet
inkognito zu begrüßen. „Aber die Infantin vermerkete es an
ihrer Kays. Maj. hierüber erwiesenen Wangenröte, daß
..., worauf sie ihn mit
dieser ihr Bräungam wäre
einem „kostbaren Kastorhut mit blavem Band“ beschenkt.
Unmitt lbar auf diese Begrüßung folgt dann beim Einzug
der Bruut in die Kaiserstadt eine Reihe von Lustbarkeiten:
Feuerwerk, Roßballett, Jagd, Komödie und anschließend
daran eine große „Gastwictschaft“ in Nationalkostümen bei
Hof. All das ist schon recht wienerisch.
Berlinerisch al
Friedrich Wilhelm
einmal im Zorn ei
schwingend, mit de
ürchten, Ihr müßt
Monarch dekretiert
ihren Waren sitzen
4 Pfund Wollen
berlinerisch im gu
einen fürstlichen
Nacht darüber na
Stande kommen k
den K
höchstselbst
grübelt
„Comerce“
wirt, auch über al
tanen, die er bis
äußerungen persön
gewissenhafte Aufs
der Wohnhäuser,
den Heiraten und
der Kleidung und
äußeren und fast
Bürger befaßt
König.“ Hiedurch
jenige vorbereitet,
Jahrhunderte über
viel zu spüren, ehl
seit den Tagen de
Friedr
schwebt.
Folgerungen aus
die angebahnte Ti
ür da
bedeutet
für Wier
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diese K
richtig ist auch
Wiens
Genius
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Werk von Karl Scheffler übre Berlin, worin die deutsche
Reichshauptstadt als ein „Stapelplatz", eine „Kolonisten¬
niederlassung wendischer Fischer“ schmählich abgetan und
aller angemaßten Schönheit grausam entkleidet wurde,
An ähnlichen Auslassungen, zum Teil höchst geistvoller Art,
ehlte es auch bei uns nicht, auch der Wiener Charakter, das
Wiener Wesen hat seinen Aristophanes gefunden, der an
unserer Liederlichkeit und „keltischen“. Verlogenheit kein
gutes Haar ließ. Im Gegensatz zu diesen Pamphleten be¬
müht sich das Buch der Herren Bab und Handl um e t aus
Wohlwollen und Höflichkeit gemischte, reinere Betrachtungs¬
art. Wenn ihnen ein Vorwurf in dieser Richtung zu muchen
wäre, so wäre es nur der, daß sie die Liebenswürdigkeit ein
wenig übertreiben. Das Doppelbildnis, das sie zeichnen, ist
ein Januskopf, der nach beiden Seiten hin verbindlich
lächelt.
Die Persönlichkeit der beiden Reichshauptstädte ist heute
etwas absolut Feststehendes, mit dem sich rechnen, aber nicht
rechten läßt, allein auch diese Persönlichkeit hat sich, wie jede,
nur lungsam. im Dunkel der Geschichte, herausgebildet, und
es ist ungemein reizvoll, ihrem Werdegang durch die Jahr¬
hunderte nachzuspüren. Nach Ansicht der Autoren hat Wien
dasjenige, was sie „die entscheidende Prägung nennen, vor
etwa zweieinhalb Jahrhunderten zer Zeit des Kaisers
Leopold und vom „Geiste der Barocke“ empfangen. Es war die
Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege, aus dessen „„ahl¬
bad“ die abseits gelegene Kaiserstadt gekräftigt hervorging,
im Gegensatz zu Berlin, dessen Einwohnerzahl während des
Krieges von 15.000 Menschen auf 6000 Menschen herunter¬
sank. Dafür sah sich Wien ein halbes Jahrhundert später
durch die letzte Türkenbelagerung noch einmal in Frage
gestellt, und erst, nachdem es diese Frage lebenskräftig
bejaht hatte, begann es, zu seiner heutigen Gestalt zu
erblühen. Wenn wir „Wien“ sagen, woran denken wir
zunächst? An die Karlskirche, an die Hofburg, aber mehr an
den Josefsplatz als an den Schweizerhof, an die Herrengasse,
die Freyung, an die Himmelpfortgasse mit dem Winterpalast
des Prinzen Eugen, und an das Belvedere, seinen Sommer¬
palast. Der „alte Steffel“, für den die Volkssänger mit ein¬
gedrückten Trinkeräuglein schwärmen, schafft alledem den
Mittelpunkt, er ist das Wahrzeichen, das über allem schwebt,
aber seine Gotik ist in keiner Weise charakteristisch für Wien,
das alles ist, nur nicht gotisch. Jene anderen Gebäude aber,
die Wien sein charakteristisches Gepräge geben, gehen aus¬
nahmslos auf die Regierungszeit Kaiser Leopolds I. und die
unmittelbar folgenden Jahrzehnte zurück. Es ist das Wien
des Fischer von Erlach, des Prinzen Eugen, des Abraham
a Sankta Clara, woran wir vorzugsweise denken, wenn wir
Wien neunen, mit einem Worte das barocke Wien. Und
dieses Wien ist, wie die Autoren mit erlaubter Bosheit
agen, als „eine der reizendsten italienischen Städte aus
ener Zeit im wesentlichen bis heute erhalten geblieben.
Fürstlicher Geist, katholischer Kirchenpomp, dessen Pracht
panischer und italienischer Herkunft war, gaben ihr Umriß
und Farbe, eine sinnenfreudige, genußfrohe Lebensauf¬
assung, der „alles Festliche heilig und alles Heilige ein Fest
war“, hauchte ihm die Seele ein. Auch die wienerische Lust
an theatralischer Schaustellung innerhalb und außerhalb des
Theaters geht auf) ie Epoche zurück und auf das Vorbild
eines Monarchen, der selbst Musik machte und am Mummen¬
chanz Gefallen fand. So wird berichtet, daß er, als seine
Braut, die Infantin Lurgerita, nach Wien kam, ihr bis
Schottwien entgegenritt, um sie als Postillon verkleidet
inkognito zu begrüßen. „Aber die Infantin vermerkete es an
ihrer Kays. Maj. hierüber erwiesenen Wangenröte, daß
..., worauf sie ihn mit
dieser ihr Bräungam wäre
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Unmitt lbar auf diese Begrüßung folgt dann beim Einzug
der Bruut in die Kaiserstadt eine Reihe von Lustbarkeiten:
Feuerwerk, Roßballett, Jagd, Komödie und anschließend
daran eine große „Gastwictschaft“ in Nationalkostümen bei
Hof. All das ist schon recht wienerisch.
Berlinerisch al
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