I, Erzählende Schriften 10, Lieutet Gustl. Novelle, Seite 203

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10. Leutnant Gust
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Alex. Weigl's Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Ausschnitt
„OBSERVER
Nr. 5
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MWontags-Frühblatt, Wer
Ausschnitt aus:
vom
2# #. Go¬
Wie sich dieses Bild im großen Reichshaushalte abspielt,
so ähnlich zeigt es sich — nur mit wenigen Ausnahmen
auch in den Vertretungen der Länder. Seit voriger Woche
tagen die Landtage, ohne daß man gehört hätte, daß beson¬
dere arbeitsfeindliche oder störende Zwischenfälle eingetreten
wären. Wo dies doch geschehen ist, so hielt sich die Ovposition
in den Gienzen, welche durch die Bereitwilligkeit der Re¬
gierung, nach Thunlichkeit und nach dem Stande der Gesetz¬
gebung den Wünschen der Bevölkerung Rechnung zu tragen,
gezogen wurden. Sehr zur unrechten Zit hat die Opposition
in Tirol reichliche Nahrung durch die Bozener Affaire erhalten.
So wenig diese nicht genug zu verurtheilende Angelegenheit
zur Debatte in der Landtagssitzung geeignei ist, so sehr wirdgelusire
von allen Seiten gerade dort eine decidierte Erklärung ver- Porto.
langt. Und diese kann an dieser Stelle nicht gegeben werden.Lahibar
Voraus
Immer heftiger wird in der Bevölkerung der Wunsch nach
Regelung der Militärgesetzgebung und immer dringender wirde ist das
die Nothwendigkeit, diesem Wunsche nachzukommen. Bei a“ ht es den
Hochachtung vor dem Literaten Dr. Schnitzler und trotz un¬
entwegten Eintretens für die Freiheit der geistigen Bethätigung
altend die
möchten wir dagegen Protest einlegen, daß viese beiden jüngsten
orgen¬
[Militäraffairen in einem Athem genannt werden. Schnitzler
Zeitung“)
bist seiner Charge verlustig erklärt worden, nicht weil eriche Leben
1
„Leutnant Gustl“ geschrieben hat, nicht weil er einettheilungen
beleidigende Kritik dieses Werkes ruhig hinnahm, sondern
weil er einer Vorladung zum Ehrenrath nicht Folge
leistele. Das ist etwas ganz anderes als die Säbel¬
affaire in Bozen, welche die friedliebendsten Patrioten
zur förmlichen Rebellion hinriß. Solche Vorgänge sind
geeignet, dem Ansehen des Herres und der Arbeitsmöglichkeit
der Regierung zu schaden. Nicht zum erstenmal haben Organe,
welche dem Reichs=Kriegsministerium unterstehen, die schwierigen
Arbeiten des Ministeriums der diesseitigen Reichshälfte zu
erschüttern gedroht. Nur die ganze persönliche Beliebtheit des
Ministerpräsidenten Dr. v. Koerber konnte derartige Unter¬
strömungen eindämmen. Es wird aber Zeit sein, dafür zu
sorgen, daß ein anderer Geist in die Armee getragen werde,
und dazu wird vor Allem nothwendig sein, daß das Porte¬
feuille des Kriegsministers in eine andere Hand gelegt werde,
in die Hand eines Mannes, der unabhängiger von engen
Verhältnissen und beispielgebender wirken kann, als dies bei
dem jetzigen Kriegsminister der Fall in.
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vom
Aus der Woche.
Die Wiener Gesellschaft, welche die Theater und die
Jours gefüllt hat, so lange es Winter war, hat jetzt, mitten
im Juni noch eine ganz schöne Nachtrags=Sensation erlebt.
Schade, daß sie sich bei diesen halbsommerlichen Verhält¬
nissen — der Kalender sagt Ja, das Wetter sagt Nein —
nicht recht so ganz hat ausnützen lassen, wie es sonst bei
solchen Augelegenheiten in der Welt, in der man die Anderen
langweilt, üblich ist. Da nun die dichten Gesellschaftsconglo¬
merate im Parquet und auf den Parquetten sich in den
ersten heißen Tagen aufzulösen begannen und als disparate
Gerölle und Geschiebe nach Bädern und Sommerfrischen ab¬
gerollt und abgeschoben sind, so bleibt den einzelnen Rück¬
ständigen auch dieser relativ großen Sache gegenüber nichts
anderes übrig, als je nach Maßgabe der vorhandenen Mittel
sich ihren einsamen Gedanken hinzugeben. Das übrige thun
da schon die berufenen Meinungsvertreter hinzu. An die
mögen sich die gewissen Minderbemittelten nun halten.
Was aber die Sache selbst anbelangt, Schnitzler's
militärische Maßregelung wegen „Lientenant Gustl“, so ist
es wirklich schwer, so im ersten Moment schlank und schlicht
herauszusagen, wie viel Recht und wie viel Unrecht da ge¬
schehen ist. Es gibt natürlich eine Meinung, die von vorne¬
herein den gewissen Intellectuellen=Stempel trägt, daß man
nämlich gegen rein literarische Erzeugnisse mit keinen anderen
Maßstäben als nur rein literarischen vorgehen darf, daß die
Kunst einmal absolut frei sein müsse und der Künstler um
keinen Preis wegen eines rein objectiven Kunstwerkes zur
Rechenschaft gezogen werden dürfe, und was von diesen
Principien mehr auseinandergesetzt wurde, die sehr gerecht
und billig sind.
Andererseits aber könnten doch vielleicht die Soldaten
sagen: Wir sind keine Dichter und keine Kritiker, wir haben
nicht die Pflicht und nicht die Absicht, es zu sein. Wir sind
lediglich Soldaten und Ehrenmänner. Wir wehren uns. Wir
wehren uns gegen jeden, der uns nahe tritt, und gegen jeden,
von dem wir auch nur berechtigt sind, zu glauben, daß er es
gewollt haben könnte. Und gegen ein Kunstwerk ebenso, wie
gegen einen Hieb, eine freche Bemerkung oder ein unziem¬
liches Lachen. Wir müssen uns wehren, auch wenn das
Kunstwerk gut it. Und darum haben wir geglaubt, daß der¬
jenige, der das Militär so bitter gehöhnt hat, vielleicht ein
sehr feiner Dichter, aber niemals ein würdiger Kamerad
sein kann.
Darauf gibt es nun eine schöne Antwort, und sie ist
natürlich auch schon öffentlich gegeben worden: Ja# er hat
gar nicht das Militär an und für sich gemeint, sondern nur
einen Einzelnen, einen gleichgiltigen Menschen, der zufällig
Offichr ist. Das hat ja weiter mit seiner Stellungnahme
zum Militär nichts zu schaffen
Nun, die Ehrenrichter brauchen das nicht zu glauben
wenn sie nicht wollen. Es ließe sich ganz gut nachweisen
daß dieser Lieutenant bei dem völligen Mangel irgend welchen
individueller Züge, die aus besonderen Anlagen und Trieben,
aus Familie oder Vererbung herauskämen, nur als typischer
Repräsentant aufgefaßt werden kann. Daß die Bedingungen
und innersten Triebfedern der Geschichte specifisch militärischen
Charakter haben, und nur im Militär möglich sind, daß ein
eigentlich ragischer Vorgang in eine Farce herumgerissen
wurde, nur weil es dem Dichter beliebte, die innere Ehr¬
lichkeit dieses Officiers, der nicht anders als typisch gemeint
sein konnte, in Zweifel zu ziehen. Und das können sich
eben Officiere von einem Officier nicht bieten lassen...
So könnten die Vertreter des militärischen Ehrenge¬
richtes auf die Vorwürfe der Intellectuellen, der Vertheidiger
der absoluten Freiheit des künstlerischen Schaffens antworten.
Sie werden es natürlich nicht thun. Denn hohe Militärs,
die sie ja sind, antworten nicht auf Einwände. Sie handeln
bloß. Die anderen wieder sind glücklicherweise so, daß sie
sich durch keine Antwort in Verlegenheit bringen lassen...
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