I, Erzählende Schriften 8, Die Toten schweigen, Seite 2

Toten
schweigen
8. Die atan Schhuigen
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Seite 7
27. November 1897.

anmin
dore
Liebenden treffen einander in der Gegend des Prats
reich
sterns und irren mit der Unruhe, die solchen Zusich
Local- und Provinzial-Chronik.
ande
menkünften anhaftet, zu Fuß und zu Wagen im Prats
Vor¬
###.* Die kaum glaublichen Vorgänge im
und in den entlegenen einsamen Stadttheilen umher
Mo¬
österreichischen Abgeordnetenhause nahmen gestern wie¬
Zuletzt fahren sie ein Stück Weges auf der Reichs=
sich
der das allgemeine Interesse in einer Weise in An¬
straße, die an der Donau gegen Norden führt. Der
un¬
spruch, daß die Verkaufsuellen der Zeitungen förmlich
halbbetrunkene Kutscher fährt an einem Schotterhausen
zu gestürmt wurden. Die Extra=Beilage der „Bo¬
an, der Wagen stürzt, und das Liebespaar wird auf
Vor¬
hemia“, in welcher wir wenigstens unsern Prager
die Straße geworfen. Die Frau erwacht im Dunkel
rische
Lesern Nachmittags einen umnfassenden Draht=Bericht
aus ihrer Ohnmacht und erk unt beim Schein der
m die
über den neuesten parlamentarischen Sturm bringen
Wagenlaterne, die der Kutscher jetzt erst anzündet, die
uch
konnten, war im Nu vergriffen. Der Eindruck, den
Sitnation. Der Geliebte, aus dessen Schläfe Blut
ssane¬
das in der Erinnerung unverlöschbare jämmerliche
rieselt, liegt leblos da und starrt sie mit gebrochenen
Verhalten der jungeechischen Abgeordneten in dieser
Augen an; sie bettet sein Haupt in ihren Schoß und
parlamentarischen Katastrophe weithin erweckt, scheint
fühlt den Hauch des Todes in ihrer Nähe. Nach kur¬
se war] sich nicht auf die deuische Bevöllerung zu beschränken.
zer Berathung mit dem Kutscher schickt sie diesen in
eimische] Wenigstens ist uns bisher von irgendwelcher Begeiste¬
den nächsten, vom Centrum weitabliegenden St#ttbeil
# öster¬
rung der cechischen Kreise für dieses Vorgehen ihrer
bamit er die Rettungsgesellschaft durch das Telephon
Volksvertreter nichts bekannt geworden.
(günstige
herauruse. In der nächtlichen Einsamkeit der Land¬
** Sterbefälle. Gestern Früh ist hier der
straße überkommt sie erst das Grauen vor dem Leb¬
ung des 1 k. u. k. Hof= und Kammerlieferant Herr Wenzel
losen, dann die Angst vor der Schande, der sie ent¬
ank be¬ Suchy, gewesenes Mitglied des Prager Stadtverord¬
gegensieht. Ein unwideesteblicher Drang, sich selbst zu
Metall= netencollegiums, gewesener erster Vorstand der Prager
reiten und zu bergen, bemächtigt sich ihrer feigen
che um vereinigten Schuhmacher=Genossenschaft, im 69. Lebens¬
Seele. Sie läßt den Todten oder vermeintlich Todten
ind die
jahre gestorben. Das Leichenbegängniß findet morgen
auf den Boden hinabgleiten und eilt davon, in fieber¬
Sonntag, den 28. d. um 3 Uhr Nachm. von der St.
1 Mark
bafter Hast, schen und doch mit gespielter Sicherheit,
Peterskircht aus statt.
aufhorchend auf alles Lebende, das ihr entgegenkommt,
Gleichfalls gestern ist in Smichow Frau Louise
Zureau“
und zugleich bemüht, ihre furchtbare Erregung zu ver¬
Hantschel geb. Palm, Gemalin des k. u. k. Regi¬
#in nach
bergen. Sie schämt sich ihres Egoismus, sie möchte
an
mentsarztes Herrn Mll Dr. F. Hautschel, im 48. Le¬
der
sich gerne weiche Gefühle für den Geliebten, Mitleid
beusjahre gestorben. Die Leiche wird morgen Sonn¬
ster den
mit dem stillen Manne da draußn auf der Landstr ße
mmenen
tag, den 28. d. um 2 Uhr Nachmittags in der St.
vortäuschen; vergeblich — der Selbsterhaltungstrieb,
wozu
Wenzels Basilika zu Smichow eingesegnet, nach Leipa
die Stimmung des fliehenden Libeltbäters, die Eigen¬
Regie= überführt und dort übermorgen, Montag, den 29. J.
liebe, die das ganze Wesen anspannt, beben
rklären, um 9 Uhr Nachm. von der Friedhofscapelle aus zu
von ihr Besitz genommen. So erreicht sie die
ei Mit= Grabe getragen werden.
Stadt, benützt mit dem Instinkt des Verbrechers, der
#* Sterbefall. In Bielitz verschied gestern im die Spuren seiner Wege verwischt, zwei Fiaker, von
hm den
Alter von 77 Johren nach langem schwerem Leiden denen sie der eine in die Nähe ihrer Wohnung, der
Heer D. J. Hoeniger. Der Verblichene war Chef] andere an ihr Haus heraubringt, huscht die Treppe
und Gründer des gleichnamigen Bank= und Großhand¬
empor, schleicht am Dienstmädchen vorbei in ihr
lungshauses, das im Jahre 1869 in eine Actien Ge¬
Zimmer, verbirgt die staub- und kotbbedeckten Kleider
Tüll sellschaft, die Bielitz=Bielaer Handels= und Gewerbe=] und sitzt mit der harmlos=liebenswürdigen Miene der
eutigen Bank überging, welches Unternehmen im Jahre 1890
Hausfrau, in den Schlufrock gehüllt, neben ihrem
##mit der k. k. priv. Böhmischen Union Bonk in Prag
Kinde an der Abendtafel, da der Gatte aus der Sitzung
easionirt wurde und seither als deren Filiale fungirt.
beimkehrt und sie mit gewohnter schlichter Zärtlichkeit
Der Verhlichene, der sich um dit Entfaltung des Hau¬
begeüht. Sie ig geborgen, bei Manz und Kind —
der dels und Industrie der Schwesterstädte Bielitz = Vialo
was kann ihr usch widerfahren? Mit Selbstbeherr¬
che die durch vielsache Erleichterungen im Credit= und Es¬
schung hört sie die Erzählungen des Mannes an, der
9der=Icompte=Verkehr große Verdienste erworben, trat vor
die kkeinen Vorfälle der Sitzung berichtet — aber
Par=einigen Jahren aus dem Verbaude des vorgenannten
zwischendurch weill sie mit den Gedanken draußen auf
Atre
#ustitutes, welches er leitete, aus und lebte nunmehr der fürchterlichen Landstraße, und die Vorstellung, daß
im Rubestande für die humanitären und gemeinnätzigen sie keinen Todten, sondern einen schwer Verwundeten
Ingeressen der genaunten Gemeinde wirkend.
verlassen habe, demüchtigt sich ihres schwärmenden
Msd.
X. Leichenbegängnis. Gestern um 10 Uhr Vor¬
Geistes. Er wird zu sich kommen, er wird sich rächen,
Aj. mittags wurdr der verstorbene Verlagsbuchhändler
er wird reben — tönt es in ihrem Innern. Dann
nast= DHerr Jakob Pascheles vom isr. Badhose aus zu
wiederum ringt sie diese Befürchtungen nieder, hält sie
Püres
Grabe getragen. Zu der Leichenfeier hatten sich außer¬
sich das Bild des Erstarrten vor Augen, und unwill¬
irdeim ordentlich zablreiche Trauergäste eingesunden. Der
kürlich treten ihr die Worte „Die Todten schweigen“
Und Herr Oberrabbiner Dr. Ehrenfeld, die übrigen Rab¬
auf die Lippen. Der Gatte hört die seltsame Rede, ge¬
[die biner Prags, Vertreter der isr. Cultusgemeindereprä¬
wahrt ihren furchtbaren Zustand, hißt sie das Kind
Tien sentanz, der Vorstand der isr. Beerdigungsbruderschaft,
zur Rube bringen und fordert Aufklärung — sie klam¬
Abordnungen mehrer Wohltbätigkeitsvereine waren an¬
mert sich an diese Forderung wie an einen letzt.n Halt

wesend. Die Beisetzung erfolgte auf dem neuen isr.
und wird gestehen, was zu gestehen ist. Die in Wiener
Friedhof.
Localfarbe getauchte Beschichte hat ein prächtiges Co¬

Hersonaländerungen im k. k. Post= lorit, sie erinnert in der Darstellung des Unheimlichen
en
dienste. Uibersetzt wurden: der Postcontrolor Wenzel
m