I, Erzählende Schriften 8, Die Toten schweigen, Seite 13

8. Die Toten schweigen




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Telephon 12801.
„OBSERVER“
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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in Berlin, Budapest, Chicago, Cbristiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
Sau Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Treio Deoces ise
4- 3. 1905
vom:
1
[Frau Schratt in der Grillparzer=Gesel!
schaft.] Die Grillparzer=Gesellschaft, deren Vorträge sich in
der letzten Zeit vielleicht ein wenig zu ausschließlich mit de
historischen und kritisch=theoretischen Durchforschung unsere
Dichters beschäftigten, griff gestern wieder auf jenen Teil ihres
Programms zurück, der sich auc, die Pflege des vornehmen
lebenden österreichischen Schriftt ims zum Ziel gesetzt hat.
Man bot uns denn gestern einin Abend millebender öster¬
reichischer Autoren dar, und es war vielverheißend und zu¬
gleich im Geiste des Schutzpatrons der Gesellschaft, daß Frau
Katharina Schratt, in ihrer Schalkheit, Natürlichkeit und
frischen Anmut eine Frauengestalt so recht nach Grillparzers
Sinn, uns diese Erzählungen und Verse, Tragisches, Nach¬
präsen¬
denkliches und Heiteres, in Hochdeutsch und Dialekt,
sie liest
tieren sollte. Man weiß, wie Frau Schratt dest;
aus
wie sie spielt, wie sie sich überhaupt gibt, ungezwungen,
und
der Fülle ihres Wesens heraus — natürlich, anmutig
am liebsten schalkhaft. Ihre Stimme ist kräftig=biegsam, rascher
scheint
Verwandlung fähig, wirkt bald gepreßt, bald voll,
abzubrechen, strömt dann wieder hervor: die Stimme paßt
In dieser
sich dem dramatischen Atem des Erzählten an.
eindringlichen, die psychologische Spannung erweckenden und
behauptenden Art trug Frau Schratt in dem ersten Teil des
Abends Arthur Schnitzlers Novelle „Die Toten schweigen“
aus dem zu wenig gekannten Buche „Die Frau des Weisen“
mit überzeugender Wirkung vor. Diese Novelle, neben dem
„Blinden Geronimo“ wohl die stärkste, die wir Schnitzler
danken, behandelt das Erlebnis einer dem Gatten ungetreuen
Frau; während einer mit dem Liebhaber heimlich unter¬
der
nommenen Fahrt in den Prater stürzt der Wagen,
„Dritte“ verunglückt, die Frau verläßt die Leiche und eilt
heim. Hier aber wird dem Gatten gegenüber durch die Macht
des Toten, der in ihr nicht schweigt, auf ihren Lippen das
Geständnis ihres Betruges rege. Zu Beginn vielleicht ein
wenig von Maupassant beeinflußt, steigt diese mit inerbitt¬
licher Schärfe Seelen sondernde Erzählung zu wahrhaft dich¬
terischer, alles Spielende abstreifender Größe auf. Das Publi¬
kum hörte denn auch ergriffen zu, doch schien es sich erst ganz
behaglich zu fühlen, als Frau Schratt die düsteren Pfale ver¬
ließ und eine ernst=groteske italienische Räubergeschichte H
vesis, „Ja oder Nein“, eine überlegen=humorvolle, erzählen
Betrachtung „Eine dumme Geschichte“ von Marie Ebn
1
Eschenbach, eine fidele Dialektskizze Chiavaccis
Stelzhamers, Frau
Dialektgedichte
lustige
grubers und Scha#aks mit besonderer Lust und La
las. Unter denen, die herzlich applaudierten, bemerkte
den Unterrichtsminister Freiherrn v. Hartel, Hofrat Gi
sperz, Grafen Lanckoronski und Josef Lewins
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att, Wien
Ausschnitt aus:
Ai1 05
von:
1# (Katharina Schratt in der Grillparzer=Gesellschaft.) Ei
genfaltige Flut von Menschen war gestern abends zusammengeströmt,
Katharina Schratt lesen zu hören. Eine Stunde vor Beginn war d
Festsaal des Ingenieur= und Architektenvereines voll besetzt, eine hall
Stunde später leistete das Komitee noch das Wunder, für die Spitzen de
Gesellschaft und der Aristokratie noch Platz zu schaffen; dann betrat Fra
Schratt, von Herrn Hofschauspieler Lewinsky geführt, da
Podium und begann mit dem Vortrage der Schnitzlerschen Novel

„Die Toten schweigen“. Sturmnacht jenseits der Reichsbrücke
Wagen eine Frau mit ihrem Geliebten — ein betrunkener Kutsch
— ein Sturz, er tot, sie unversehrt — sie flieht nach Hause, Seelen
qualen, endlich erzählt sie ihrem Gatten alles. Die ganze grauenhaft
Düsterkeit, die furchtbare Tragik, alles ließ die Künstlerin vor den Hörern
vorüberziehen, nur die köstliche Figur des Kutschels hab s Daaun¬
gemütlich aus dem Nachtgemälde ab. Nach der Pause, während deren sich
das Podium in einen Blumengarten perwandelt boiteaan Brau Schrat
erst noch Hevesis Novelle „Ja oder Nein“ zum besten, dann folgte der
heitere Teil des Abends, Humoristisches von Stelzhamer, Schadek, Frauen¬
gruber u. a.; erst hier war die Kunstlerin ganz in ihrem Element und
vor¬
plätscherte vergnügt im wienerischesten Dialekt herum, eine jede der
geführten Figuren plastisch herausarbe#end, lauter Wiener Typen
vom
alten Schrot und Korn. War sie noch vor kurzem die ernste großel
Kathorina Schratt gewesen, so war sie jetzt erst ganz sie selbs
nämlich Kathi Schratt. Die letztere, das wagen wir zu gestehen, ist
uns nämsich lieber. Ihre Wiener „vom Grund“ macht ihr nicht so
bald jemand nach. Das wußte auch das Publikum zu würdigen, das erst
gegen Schluß in die rechte Beifallsstimmung kam. Wer gestern mit dahei
war, der wird sich an den „Herrn Hampel“ und die „Frau Lamberger“
noch lange erinnern, wenn ihm die Helden der Schnitzlerischen Novelle schon
längst entschwunden sind.
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Lunden, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
Sau Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
Palenangabe ohne Gewähr.)
Miüsiuistie Wianer Etrablatt
Ausschnitt aus:
4- 3. 1905
vom:

(Schratt=ortesung in der Grillparzer¬
Gesellschaft.) Katharina Schratt am Vorlesetisch.
Das ist dem Publicum gleichbedeutend mit einem an
Knstenuß reichen Abend. Die Zuhörer strömen
hirbei) #füllen den Saal bis auf den letzten
von dem
sind enthusiasmirt
Platz" und
hinreißenden Vortrage der gefeierten Künstlerin. So
ar es auch gestern wieder der Fall, als Frau
Katharina Schratt, einer Einladung der Grill¬
parzer=Gesellschaft folgend, im Festsaale des
Ingenieur= und Architektenvereines eine Vorlesung
hielt. Ein distinguirtes Publicum, edas den
geräumigen Sgal schon eine Stunde vor Biginn des
Vortrages besetzt hielt, bereitete der Künstlerin
bei ihrem Erscheinen einen stürmischen Willkomm¬
gruß und überreichte prächtige Blumensvenden.
Frau Schralt las zunächst Arthur Schnitzler's
Novelle „Die Todten schweigen“. Mit wachsender
Spannung verfolgten die Zuhörer die mit lebhaften¬
Farben geschilderten Erlebnisse der geängstigten, von
Seelenqual gemarterten Frau. Die Künstlerin erzielte
mit dem warmen Gemüthston, den sie anschlug, einen
großartigen Erfolg. Dann las Frau Schratt Geschichten
von Hevesi und Chiavacci, Gedichte von Stelzhamer,
Schadek und Fraungruber. Sie zeigte sich hier als
Meisterin des Humors; jede Pointe rief lebhafte,
Heiterkeit wach. Am Schlusse der Vorlesung wollte
der Beifall kein Ende nehmen. Das Publicun
ichneten Vorleserin ehren
brachte der aus
Ovstiöne