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schweigen
8. Die Toten
[Hermann Bahr über Arthur Schnitzler.] Herman
Bahr sprach in Frankfurt über ##r. Oo
auch: Arthur Schnitzler sprach durch Hermann Bahr. Richtige
noch: die Wiener Freunde sprachen beide, zum Hörer bals
bald miteinander. Und im Hintergrunde sah man Hugo Wor
rasen, hörte Olbrich lachen, Hofmannsthal, da er sich n##
1Loris naunte und die jungen Beer=Hoffmann und Salte
mit Bahr und dem Dr. med. Schnitzler in dessen Empfangs¬
Erlebnis: nicht nur Bahr über Schnitzler, sondern Oestyr¬
raum für imaginäre Patienten leidenschaftlich disputieren:
reich sprechen zu hören. Und der Freien Litergri¬
Oesterreich sprach, das junge literarische Oesterreich. Und
schen Gesellschaft danken wir für dieses Erlebnis.
Oesterreich bat: seht die Distanz zwischen euch und uns; wir
sind Deutsche, doch Deutsche eigener Art, nicht Auchdeutsche
dt.—
was euch in unseren Werken befremdet, beurteilt es mit der
gleichen Vorsicht und Schonung, die ihr französischer oder eng¬
lischer Eigenart angedeihen laßt. Wir haben eine andere, eine
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traurige Vergangenheit: zwei Jahrhunderte geistiger Unter¬
drückung liegen hinter uns. Und nicht dies allein erschwert es
ßer geworden als früh.
uns, gleichen Schritt mit Europa zu halten; auch die Liebe
läßt uns manchmal zögern, die Liebe zu zärtlichen alten Din¬
gen, von denen wir uns nicht trennen mögen. Die Ring¬
Gruß, und die peinliche Szene war zu Ende. In seinem
straße gehört nicht zu diesen Dingen, Bahr klagte über sie
Kölner Hotel angelangt, richtete der Baron ein kurzes Tele¬
als über ein Warenhaus aller Architektu.=Stile, das so gar
gramm an seinen kaiserlichen Schutzherrn, in dem
nicht österreichisch, gar nicht wienerisch sei. (Bahr mag sich
er den üblen Empfang schilderte und um die Erlaubnis bat,
trösten: wir empfinden die Friedrichstraße und den Kurfür¬
nach Saaralben zurückkehren zu dürfen, ohne sich den übrigen
stendamm in Berlin oder auch Zeil und Kaiserstraße in Frank¬
Offizieren des Regiments vorgestellt zu haben. Anderthall
furt nicht anders.) Aber in die Wiener Nacht führte der Red¬
Stunden später hatte er eine Depesche; darin hieß es: „Der
ner seine Hörer hinaus, ließ die alte Karlskirche
ittmeister v. Schmid hat vorläufig in Köln zu bleiben und
im Mondlicht vor ihren Augen aufsteigen und
es
eine mündliche Ordre S. M. zu erwarten.“ Und in der
fast wie ein Drama sie miterleben, was die
jun¬
Tat; einer der nächsten Schnellzüge aus Berlin hatte einen
gen Wiener bewegte:
hier wie hinter vergoldetem
Flügeladjutanten an Bord! Am nächsten Tag stellt
Gitter der Zauber des Alten und drüben, flammend und
der Spezialgesandte des Kaisers den Herrn Baron de Schmid,
leuchtend, die neue Zeit. Das Hangen am heimeligen Glück
immer in voller Uniform, dem — Oberstleutnant des
ererbter Schönheit und das Bangen, die großen europäischen
Regiments vor. In der Nacht hatie nämlich der Oberststele¬
Bewegungen zu versäumen
— diese beiden Grundgefühle be¬
graphisch den „blauen Brief“ erhalten. Eo kam es, daß der
herrschen Jung=Wien, beherrschen mit gleichmäßiger Stärke
Herr Oberst zur selben Stunde, als sein schweinezüchtender
vor allen Arthur Schnitzler, und Schnitzler ist über dies
Rittmeister aufs neue den Stahlhelm aufstülpte, daran gin
Dilemma nie hinausgekommen. Gegensätze solcher Art in¬
ich einen Zylinder einzuhandeln.
einanderklingen zu lassen, ist gerade seine eigenste Kunst. Er
d [Berliner Porzellan=Anktion.] Aus Berlin wird
ist zugleich der literarische Journalist, der mit dem Rüstzeug
der Moderne für oder gegen seine Zeit kämpft, und er ist
uns unterm 5. ds. gemeldet: Bei der Auktion der Sammlung
der Träumer, der die Sehnsucht nach dem Glanz der Wiener
Emden, über deren Beginn wir berichtet haben, sind auch
Luft, nach dem Zauber des Wiener Waldes nimmer über
sehr hohe Preise für Porzellan erzielt worden.
windet. In einem Aufsatz, halb Kritik, halb Brief, den er
Abteilung „Meißen“ kam eine Folge von vier Gruppen der
seltteile von J. Kaendler auf 5000 Mk., vier Leüchter
nach der Aufführung des Schnitzterschen „Puppenspie¬
# den Gruppen der Jahreszeiten (Kaendlerschule) brachten
lers“ geschrieben, hat Bahr diese geistige Struktur seines
050 Mk., eine große Figur, Konig August III. als Freimaurer
Freundes besonders glücklich gezeichnet; deshalb las er ihn
darstellend, 3150 Mk., eine große Krinolingruppe: König
vor. Sonst sprach er frei, selbstsicher und geistreich. In ihm
August III., die Gräfin Brühl an der Hand führend — ein
ist der literarische Journalist, der Vorwärtsschauende stärker
berühmtes Modell von Kaendler — 6100 Mk. Sehr be¬
als der Träumer entwickelt. Früher glich er, in Gebärde und
merkenswerte Preise wurden dann auch nachmittags für her¬
— Bart, modernen Franzosen; jetzt hat er etwas vom An¬
vorragende Stücke aus den süddeutschen Manufakturen
dreas Hofer=Typus, aber seine helle, scharf akzentuierende
Frankenthal, Höchst und Ludwigsburg gezahlt
Stimme verrät sofort den Mann, in dem der Geist das Ge¬
So kamen zwei Frankenthal=Figuren mit der Marke des Josept
fühl beherrscht. Und die Beredsamkeit seiner linken Hand
Adam Hannong für 3400 Mk. unter den Hammer
zeugt dazu von jener „seelischen Elegance“, die der Wiener
ein Frankfurter Händler hat sie erstanden — und
von den Schauspielern des alten Burgtheaters gelernt hat;
zwei große Gruppen aus der Manufaktur Höchst (Marke:
die Hände des Herrn Hartmann sind in all seinen Stücken,
Blaues Rad unter Glasur) gingen in den Besitz desselben
meinte Bahr selbst von Schnitzler. Aber er schloß mit dem
Frankfurter Händlers für 6100 Mt. über; für andere Stü¬
Wunsche, daß der Autor des „Wegs ins Freie“ immer wil¬
dieser Manufaktur zahlte man 1500, 2400 und 2900 Mk. Unter
liger dem „Rufe des Lebens“ folgen möge. Man hatte
den Ludwigsburger Exemplaren erzielte eine Gruppe von dre
von dem Vortragenden vielleicht mehr Literatur=Unterricht er¬
Männern, die um einen Tisch herumstehen und Würfel spielen,
wartet und gehofft, mit einem Dutzend fertiger Urteile über
den höchsten Preis. Dieses Stück wandert für 5000 Mk. gleich¬
Schnitzlers Werke heimgehen zu können; der Applaus der
falls nach Frankfurt. Lebhaft gestaltete sich schließlich am
überaus großen Zuhörerschaft bewies, daß man trotzdem nicht
Abend die Versteigerung Alt=Kopenhagener Porzellans
enttäuscht war. Uns wenigstens war es gerade das besondere
das selten auf dem Markt zu haben ist. Fünfzehn Stücke diesen
Manufaktur (Marke: Drei Wellenlinien in Blau unter Glasur
erreichten zusammen etwas über 4800 Mk.
(Hermann Bahr über Arthur Schnitzler.] Hermans
Bahr sprach in Frankfurt neer. Oder
auch: Axthur Schnitzler sprach durch Hermann Bahr. Richtige:
noch: dis Wiener Freunde sprachen beide, zum Hörer bald
bald miteinander. Und im Hintergrunde sah man Hugo Wol
nod
rasen, hörte Olbrich lachen, Hofmannsthal, da er sich
Laris nannte und die jungen Veer=Hoffmann und Salte
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