I, Erzählende Schriften 3, Sterben. Novelle, Seite 4

3. Sterben
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auch solche Nachgndigten #. den getafen Sc.
Denn es gibt auch eine Schwäche, zu der gewisse Stärke, einig
Ausbildung des Charakters erforderlich ist. Sollte Rudolph Horkt
bereits diese Reife besessen haben, um solchem moralischen Drucke,
der von einem Manne ein Verbrechen der Leidenschaft erzwingen
will, nachgeben zu müssen? Oder ist eher wahr, was von der
FEANAN
Feuilleton.
„Sterben.“
Wien war einst eine Literaturstadi. Hier sann ein Grill¬
parzer, hier grübelte ein Hebbel, hier klagte Lenau, hier
kündeten Grün und Beck en Sonnenaufgang der Freiheit
hier waltete Laube, hier dichtete Halm, hier lächelte die
schalkhafte Muse Bauernfeld's, hier gestaltete Anzengraber
Alles dahin! Der grause Dämon der Vernichtung hat diese
edlen Künstler, diese schöpferischen Geister hinweggefegt. Und
an der Stelle des Modernden sproßte kein grünender Keim.
Gäbe es keine Ebner=Eschenbach, man könnte behaupten, die
Stadt, da die Minnesänger das Saitenspiel gerührt, habe
aufgehört zu singen und zu sagen. Mit Schwermuth blicken
wir nach der ruhmreichen Vergangenheit, mit Neid nach dem
glücklicheren Frankreich, dem strebsamen Deutschland. Paris
ist eine Stätte ununterbrochener Entwicklung und Verjüngung.
Im Reiche draußen treten immer neue Männer auf den
Plan. Auch dort treibt es, die Säfte steigen, ein ungestümer
Lenz erobert seine Rechte. Bei uns hat sich ein Literatur¬
Karst gebildet, da will nichts mehr blühen; Wien
ist ein steiniger Boden, auf dem nichts Starkes mehr wächst
nichts mehr gedeiht. Wie das geworden? Das ist ein schmerz¬
liches Capitel. Gerade der Umstand, daß wir eine Geschichte
haben, verhindert es, daß wir auch über eine Gegenwart
versügen, denn die Erinnerung an die einstige Pracht macht
uns zu vornehm, als daß wir das lebendige Leben in allen
seinen Aeußerungen noch gelten ließen. Jahrzehnte hindurch
hat man bei uns mit lächelnder Miene die Jugend abge¬
wiesen, weil sie jung war; nun ist sie alt, erschöoft und
machtlos, ohne zur Geltung gelangt zu sein. Wir haben
unsere Talente verkommen oder auswandern lassen. Die
Weltstellung, welche der Staat einnimmt, hat es mit sich ge¬
bracht, daß wir nur das Fremde anerkannten und jenes Ein¬
heimische, das sich in der Fremde emporringt. Wir lesen nicht
gern, und wenn wir uns entschließen, ein Buch zur Hand zu
nehmen, dann muß es ausländischer Herkunft sein.
Ja, wenn ein Oesterreicher irgendwo in der Ferne von
sich reden macht, dann schlagen wir selbstgefällig das Pfauen¬
rad. Aber fragen wir uns auch, warum er nicht daheim
blieb? Warum er den Staub des Vaterlandes von den
4—.—
Verbleib den Angehörigen Auskunft gerin zu müssen, ihren Ent= une
Julius ka
schluß zur Reife gebracht haben. Wie Vorky sagt, gab er dem
dolph, er
Drängen der Geliebten nach, setzte den Revolver an den Kopf des
kein Leben.
Mädchens und drückte da der erste Schuß versagte, zwei¬
mir nichts
mallos. Mit einem Aufschrei stürzte Marie Wityska zu Tode
ich Dir nicht
getroffen zusammen.
wundersame
Schuhen schüttelte? Warum er Alles, was ihn an uns, an

zur Seite
die Seinen fesselt, dahingab. um des Erfolges willen?
süchtig auf
in solchen Aus¬
tief;
Selten nur dringen wir
das Grab
nahmsfällen zucken wir überlegen die Achseln und
gunst. Ehe
wir seien eben viel zu fein, wir seien
meinen,
grausam g#
viel zu gebildet, wir ständen viel zu hoch, als daß jener
vorzuführen
Emporkömmling auch bei uns hätte seinen Weg machen
des Todes
können. Nein, wir sind viel zu gescheidt. Wir brauchen keine
möchte, dies
Literatur. Dichter sind nicht so nothwendig, wie man uns
und Schönh
glauben machen will. Beileibe nicht. Theaterstücke von
seiner Schn
Leuten, welche hier, welche „loco“ i Kaffeehause gesehen
weil er wal
werden können, die führen wir nicht auf. Lächerlich! Sind
Die A
unsere Theater Versuchsbühnen? Ja, wenn man es draußen
weist ungen
wagt, wenn das Ding draußen gefällt, dann lassen wir uns
vollen Selb
herbei. Und was ist das Ergebniß solcher Haltung? Wenn
Vorzüge un
Hauptmann, Sudermann und Fulda Wiener gewesen wären,
gedeutet.
sie hätten ihre Dichtung nach Berlin senden müssen, wie
schiedener t
Anzengruber, sie wären nach Berlin ausgewandert wie
Vortheilhaft
Mauthner. Kurz: Wien war ein Literaturstabt. Das schön¬
Dabei müs
geistige, das belletristische, das künstlerische Wien, es ist ge¬
rücken; das
storben oder es ist im Sterben.
hin, das 2
Und darum ist es denn auch kennzeichnend, daß das
gemittelt w
jüngste Werk“) eines junger. Wiener Poeten den düsteren Titel
einander ab
„Sterben“ an sich trägt. Jugend und Poesie, beide wenden
Antor denn
das leuchtende Auge gemeiniglich dem Leben zu, Jugend
gewisse sche
lechzt nach Genuß, Poesie lauscht jeder Regung des Herzens,
Zum Theili
sie schildert mit heißblütigem Wort die gewaltige That, sie
Autor nuf
forscht nach den Erscheinungen, die unser Dasein hervorruft,
chrieben
sie fühlt der Zeit den Puls. Nichts von alledem im
sagen. Eine
„Sterben“. Bei aller Kraft wie müde! Bei aller Schwelgerei
zu verkünd
wie übersättigt! Bei aller Zartheit des Liebesgefühls wie
Das Seerb
entsagend! Was ist die Handlung der seltsamen Novelle?
halt seiner
Sie zeigt uns einen Mann, der an einem unheilbaren Siech¬
der seelische
thum zugrunde geht. Und was erzählt uns das eigenartige
das legt
Buch? Wie das Sterben roh, gemein, egoistisch macht, wie
rauenhafte
es Alles, was mit dem Leben zusammenhängt, von ihm aus¬
kümmert si
geht und aus ihm hervorblüht, zersetzt und zernichtet. Nur
brechen Kr.
drei Menschen lernen wir kennen. Den Kranken, welcher leidet
es uns beg
die Geliebte, die ihn pflegt, den Arzt, der ihn betreut.
sie verursag
Die Schilderung beginnt damit, daß der Held von einem
weckt. Der
Arzte erfährt, er sei verloren; er werde in einem Jahre nicht
mehr auf der Erde wandeln. Er ist zuerst verzweifelt. Dann
findet er sich darein. Endlich schöpft er Hoffnung. Aber er
sieht sich schwinden. Und nun vollziekt sich in ihm eine bei S. Fif