I, Erzählende Schriften 3, Sterben. Novelle, Seite 5

3. Sterben
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Den S.
am Abend des 7. einen Brief, mit der Bitte, denselben am
nächsten Morgen ihrer Schwester zu übergeben. Es war der
Abschiedsbrief des Mädchens. Rosa Grabner, die Tochter der
Frau Czerny, deponirte in per Voruntersuchung — die Aussage
wird ebenso wie die des Ledermüller verlesen — daß die Wityska,
so oft sie ein Leichenbegängniß sah, sagte: „Ach Gott,
ich möchte lieher nicht leben. Es kam der Grabnea
des Werkes. Die Erzählung ist eine psychologische. Wer die
Novelle liest, als wäre sie ein Roman, der mag die sittliche
Natur des Ganzen leicht übersehen und nur das Gefäß, die
schimnernde Form im Auge behalten, die Sorgsamkeit der
seelenkundigen Einzelheiten, in denen sich die zunehmende Ent
artung ausspricht. Dieses Mißverständniß werden sich viel
Leser zu Schulden kommen lassen. Der größte Theil der
Verantworrung hiefür ruht aber auf dem Dichter. Denn
er schildert lediglich die Abfolge seelischer Zustände, ohne
ich viel um das Aeußere Jener zu bekümmern, welche diese
Seelen in sich tragen. War dies nothwendig? Keineswegs
Auch ein Talent, das scharfen Auges in die Welt lugt und
dem das Gemüth verschlossen ist, hätte einen solchen Gegen¬
stund der künstlerischen Darstellung meistern können.
Damit nöhern wir uns einer Eigenthümlichkeit unseres
Schriftstellers. In der Auffassung der Abfolge, in welcher
seelische Zustände in Erscheinung treten bethätigt er eine
ausnehmende Schärfe der Beobachtung; seine Schwäche liegt
in dem räumlich Ausgedehnten, im Körperlichen, im Plasti¬
schen. Das Weben und Verschweben, Aufleuchten und Ver¬
dämmern im Bewußtsein, das ist seine Domäne, und durckh
diese wird ihm etwas Musikalisches eigen. Das
Stimmung“ ist der musikalischen Sprache entlehnt, und es
fügt sich daher, daß er nicht nur Alles dem Gehör Zugäng¬
liche mit auffallender Gegenständlichkeit zu erfassen weiß,
sondern insbesondere auch ein Virtuose in der Stimmungs
malerei ist. Die Gestalten aber, die er vorführt, ver¬
schwimmen im Nebel. Sie haben keine Individualität, keine
Persönlichkeit. Der Held ist nicht dieser Kranke, er ist
ein Kranker, die Heldin ist nicht dieses besondere
Mädchen, sondern ein Mädchen. Man kann das Buch bis
zu Ende lesen, und man weiß nicht, wie der Mann aussieht,
man kann sich auch die Züge des Weibes nicht vorstellen.
Schnitzler's Auge ist das eines Träumers, es ist nach innen
gewendet, es forscht nach den kleinsten Veränderungen im
Gemüthe, Veränderungen der Außenwelt, die auf die Seele
des Empfindenden schließen lassen und Spiegel derselben
sind, lassen ihn kalt und entgehen seiner einseitigen Auf¬
merksamkeit.
Solcher in sich gesammelter und mit Ausschließlichkeit
vorgehender Kraft verdankt Schnitzler einige Stimmungs¬

*
üllen Theaterzeiteen N. Nähe „Mäuter im a
merklich starken Lettern gedruckt sein müsse. — Herr
Kugel bestreitet entscheben, daß er den Vertrag nicht eingehalten
habe. In Lemberg habe Maurel nicht singen wollen, doch aber das
Honorar von 2000 Francs verlangt, das er auch erhielt. Da er keine
Quittung ausgestellt hatte, habe er dann dieselben 2000
Francs für Lemberg nochmals verlangt.
bilder, die Vollendung der sprachlichen Form, mit einer ans
Krankhafte grenzenden Sensitivität verbunden. Es sind Seiten
voll jener Schönheit, welche die moderne Schule die „mor¬
bide“ nennt. Das ist eine Art, die sicherlich den Eindruck
des Unangemessenen macht, wenn es sich um Aeußerungen
der Lebensfrische und Lebensfülle handelt. Aber sie paßt
vortrefflich, wenn es sich darum handelt, den einzelnen
Phasen eines langsamen Auflösungsprocesses nachzugehen.
So ist denn „Sterben“ ein ungemein edles, harmonisches
Kunstwerk zu neunen, wiewohl ihm noch vieles vom Kunst¬
stück eigen ist. An dieses gemahnt wenigstens die übertriebene
Consequenz, mit welcher der Autor an dem einmal ange¬
schlagenen Tone festhält, dieser müde, einkönige Gesang au
der G=Saite, diese bei aller Mannigfaltigkeit einförmige
Modulation des Eingangsthemas. Was aus der Künstelei in
die Kunst hineinragt, das ist der tiefe Ernst, mit welchem der
Dichter an den Gegenstand herantritt, die Keuschheit, mit der
er sich jedes Effectes enthält, und die Ungezwungenheit, mit
der er die schlichtesten Mittel zu seinem Zwecke handhabt.
Auch muß rühmend hervorgehoben werden, daß er sich als Stylist
über die meisten seiner gleichalterigen Zeitgenossen weitaus
erhebt und das Wort mit einer Aufmerksamkeit behandelt.
deren die Jugend immer mehr entrathen zu können glaubt. Er
berechtigt zu großen Hoffnungen; hat er auch noch vieles zu
lernen, so ist er doch der Mann, es durch redliches Streben
zu erobern. Man wird „Sterben“ würdigen, wiewohl es
ein banges, beklemmendes Buch ist. Man wird Schnitzler
lesen, wenn er sich vom Sterben einmal dem Leben zuwendet.
Das hat er noch nicht gethan. In einer Reihe reizender
Skizzen verherrlichte er den Lebemann, in einem Theaterstücke
das Lebeweib. Zwischen dem Leben, das genossen wird, und
dem Sterben liegt ein weites Feld, auf dem ihm seine besten
Erfolge blühen könnten: das Leben wie es gelebt wird.
Wir haben „Sterben“ als eine symptomatische Erscheinung
bezeichnet. Wie der unglückliche Felix, so schwindet — auch
die Wiener Belletristik dahin; auch ihr Siechthum wird zum
Hasse gegen alles Gesunde und Markige. Unter solchen Um¬
tänden ist es hoch an der Zeit, alles Werdende mit
doppetter Hingebung zu fördern und zu pflegen. Denn jede
Schwächung des Schriftthums ist Abbruch am Volksthum.
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