I, Erzählende Schriften 3, Sterben. Novelle, Seite 15

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3. Sterben

war. Kam er, der
denn sie lassen umgekehrt ihn mit ####enm.
##. Belrage von 17,732,000 fl. ein. Wenn durch die
rück, um seinThett
Fixirung des Zuwachspercentes mit 1.2 Percent per Jahr
eine unüherschreitbare Grenze für die Einnahmen des
Fiscus gezogen ist, so haben die Steuerbehörden keinen
ganz mit seinem milden Thau benetzt hat. Doch haben wir
eben ein dramatisches Gedicht vor uns, das auf der Bühne
dergleichen feine metaphysische Vorgänge nur anzudeuten,
nicht auszuspinnen vermag. Der christliche Styl ist in der
vornehmen Form der Mysteriendichtung festgehalten, der
Aufbau schwungvoll, der Reim von schöner Glätie, wie die
wohlgefügten Quadern des Tempels der Liebe, zu dessen
Ausbauung der Dichter selbst die Kelle schwingt. Leider stört
neben manchen guten Bildern von Max Lewis die sym¬
bolische Erscheinung der Liebe in der ungemein sor fältigen und
geschmackvollen Ausstattung des Buches durch den Verleger

M. Engel's Söhne. Dieses Weib sieht nämlich — man
zeihe den Vergleich — eher einer kräftigen Masseuse, als
einem Gebild aus Himmelshöhen ähnlich.
Leicht entschließt sich der bekehrte Centurio zum Tode
— entsetzlich schwer wird dem materialistischen Kinde des
endenden Jahrhunderts das „Sterben“. Der Arzt Dr. Arthur
Schnitzler beschreibt uns mit unheimlicher Genauigkeit das
letzte Jahr eines Schwindsüchtigen, der zu seinem Unglücke
erfahren hat, wann ungefähr seine Lunge die Arbeit gänz¬
lich einstellen wird. Wir verfolgen alle Stimmungen und
Phasen eines solchen Kranken, sein Verzweifeln, Entsagen
Hoffen, Rasen, Verlöschen. Er hat sich von seiner Geliebten
schwören lassen, daß sie ihm in den Tod folgen werde. Knapp
in der letzten Stunde will er die vor dem Orkus Zurück¬
scheuende gewaltsam beim Worte nehmen und sie mit seinen
schwachen Händen erwürgen. Allein sie reißt sich los und
entflieht, hinaus, in das Leben zurück, während der Todt¬
geweihte allein den letzten Seufzer verhaucht.] Ein er¬
schütterndes Buch, erschütternd durch seine palhologische
Wahrheit, seine fast grausame Beobachtung.YSchule
Zola, doch mit geflissentlicher Vermeidung des Ekel¬
hasten, Anstößigen, und jedenfalls das Werk eines künstlerischen
Wollens. Jung=Oesterreich wird Verfasser daher auch
nicht für voll nehmen. Möge
s überwinden, wie ein
Mann!
Kleinpetz.
mmer lieser reicht, is —1 denischen Bolles Wesen und Perg.
Belletristisches.
bm. Arthus Schnitzler: Sterben. Novelle. Berlin,
S. Fischer, 1895.— Eine lesenswerthe Studie, eine bemerkenswerthe
Talentprobe. Ein Leidender fragt einen fremden Meister der Heil¬
künst auf sein Eewissen nach der muthmaßlichen Dauer seines
= Lebens. Der biligt ihm nur mehr die Gnadenfrist eines Jahres
zu. Die Gelisbie des Patienten will in der ersten Aufwallung
des Mitgefühls das Loos des vom Tode Gezeichneten theilen.
Damit setzt die Geschichte ein. Und der ganze weiteie Verlauf
des Banxes bringt das Zusammenleben der Beiden in diesen
Monatek der Prüfung vor Augen; die Wandlungen der Ge¬
sinnungen des anfangs gelassenen Dulders; den naiven wechsenden
Egoismus des Mädchens, das immer weniger Muth und Lust hat,
das Schicksal des zwischen Todesfurcht und sinnlicher Hoffnung
Schwankenden zu theilen. Auch wenn man nicht wüßte, daß der
Erzähler Arzt ist, würde der aufmerksame Leser keinen Zweifel
hegen, daß hier nach der Natur gemalt wurde. Die Beredsam¬
keit der leibhaftigen Sachen wirkt auf uns stärker und eindring¬
licher, als die Beredsamkeit der Prosa, die ab und zu trocken,
nachlässig, fast wie Kanzleideutsch sich gibt. Nirgends aber verletzt
uns Menschenhaß. Schnitzler schildert Durchschnittsnaturen, einen
Mann und ein Weib, die keineswegs zu den Schlimmsten gehören
Beide gemüthlicher Regungen, lyrischer Stimmungen, reiner
Empfindungen fähig; Beide von dem Drang der Lebensfreude
überherrscht; Beide nicht leicht zu vergessen, nachdem man sie und
ihre Passion kennen gelernt: Beide menschlich glaubhaft, in den
mähligen Uebergängen ihrer Launen vollkommen begreiflich und
kaum irgendwann widerwärtig. So macht Schnitzlers Erzählung
den Eindruck von äußerlich und innerlich Durchlebtem, von kräftig,
wenn auch nicht befreiend bemeisterten Thatsachen. „Weißt du,
o sagt eine Hauptperson, „mir ist, wie wenn ich Instrumente eines
Orchesters stimmen hörte. Das hat auch in Wirklichkeit immer
stark auf mich gewirkt. Und in einem der nächsten Momente
werden sich da wohl reine Harmonien hervorringen und alle In¬
strumente fallen richtig ein.“ Dieser lösende, tröstliche Vollklang
bleibt aus. So ist „Sterben“ ein graues Gegenstück zu Heyse's Meraner
Novelle „Unheilbar“. Dort zwei vorschnellen Diagnostikern als
todesreif bezeichnete Menschenkinder, die, vermeintlich sicherem
nahen Ende preisgegeben, zu neuen besseren Leben und Lieben
aufblühen. Hier (mit unvergleichlich geringerem Können, doch mit
sittlichem und künstlerischem Ernst) der Versuch, mit dem Er¬
löschen des Lebens muthige Hingebung und Opfermuth zu
zeigen. Melancholischer als der Tod ist das Absterben einer
Neigung; das hat Benjamin Constant an sich erfahren und in
seiner einzigen „Anekdote“ Adolphe hart, scharf und unvergeßlich
versinnlicht. Es fällt uns nicht bei, Schnitzlers Novelle mit einer
der genannten Meisierschöp jungen in eine Reihe zu stellen. Aber
es ist kein Kleines, wenn die Studie eines Anfängers den Leser
vom ersten bis zum letzten Blatt anzieht und festhält und trotz
aller Unterschiede im Wurf und Vorwurf Musterstücke wie „Un¬
heilbar“ und „Adolphe“ zur Vergleichung aufsteigen läßt.
1) Nachdrücklichst sei hier auch die Lebensbeschreibung Bachs von
R. Bätka in der Reclam'schen Ausgabe empfohlen, die nicht nur vor
vielen andern Künstlerbiographien dieser Ausgabe, sondern auch vor
andern, auch vor dickleibigen Bach=Biographien sich durch eine vortreff¬
liche Darlegung von Bachs nationaler und ethischer Bedeutung aus¬
zeichnet.
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