terben
erenenennenen
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Prof. Dr. Richard Maria Werner.
freudigen Rhythmen weiter, in der Villa „Aurcra“ aber ist der ewige
Morgen angebrochen, und aus zwei Männerangen perlen die Thrünen!
Er hat sie so innig gelicbt!
Der Carnevale tollt durch die Strassen: in bunten Masken, auf
Wagen und Balkenen eine heitere lachende Menge. Die Confetti fliegen
wie ein Regen durch die Luft, hier ein lustiger Kampf, dort ein fröhlicher
Überfall. Alles freut sich, tollt mit so gut es geht; droben aber in der
Pension „Austria“ dämmert einer hinüber, den sie kürzlich erst brachten.
Und mit einem Seufzer der Erlösung atmet die auf, die mit ihm kam;
min ist sie frei!
Es ist ja überall nicht anders, überall der furchtbare Kontrast
zwischen Leben und Tod. aber so sinnfällig wird er wohl nur in den
Winterkurorten: hier drängt sich alles zusammen, hier sind die Kranken
die eigentlichen Bewohner, ein Gesunder hat fast nur das Recht, als
Krankenbegleiter zu erscheinen. Darum kann sich niemand diesem
Eindruck entziehen. Und vielleicht hier mehr als anderswo leuchten
dlie Worte Gocthe's ein, die er in seinem grossartigen Hymnus „Die
Natur“ von ihr rühmt: „Leben ist ihre schönste Erfindung, und der Tod
ihr Kunstgriff, viel Leben zu haben.“ Aber freilich nur den Gesunden
leuchten sie ein, die „Morituris werden, nichts von ihnen wissen
wollen
Mir blieb die novellistische Skizze Sudermann's „Das Sterbelied“
vielleicht deshalb so lebhaft im Gedächtnis, weil ich sie zum ersten Mal
im Wartezimmer eines Kurarztes las, wührend rings um mich die
Leidenden das Aufrufen ihres Namens erharrten. Sudermann hat den
Kontrast zwischen Leben und Tod, den er in seinen letzten drei ein¬
aktigen Stücken von einer ganz anderen Seite angefasst, jedentalls für
nicht ausreichend gehalten, dein er stellt einander nicht nur den
sterbenden Pastor und seine jugendkräftige Frau gegenüber, er kon¬
trastiert noch überdies die pflichtgetreue deutsche Gattin mit einer leicht¬
lehigen Französin und schwächt so das bedeutsame Motiv, indem er es
mit Pikanterie umgiebt in unzweifelhafter Nachahmnung Maupassants.
Ganz anders hatte Heyse schon 1862 in „Unheilbar“, einer seiner
„Merauer Novellen“, das Problem behundelt: hier lässt eine Moritura,
Marie, nur deshalb die Neigung in ihrem Herzen Wurzel fassen, weil sie
an ihren nahen Tod glaubt. Der Arzt aber hatte sie über ihren Zustand
absichtlich getäuscht, sie war durchaus nicht so schwer leidend, und so
kann ihre Heilung den Bund mit dem Geliebten herbeiführen, der auch
wie durch ein Wunder dem sicheren Tosl entrissen wird. Wieder anders
hat A. von Hedenstjerna das Motiv gewendet, indem die Genesende kein
Recht mehr am Leben zu haben vermeint, ist sie doch nur aus Mitleid
geheiratet werden, weil sie eine Sterbende war: also in gewissem Sinn
die Furcht vor'm Gesundwerden.
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Prof. Dr. Richard Maria Werner.
freudigen Rhythmen weiter, in der Villa „Aurcra“ aber ist der ewige
Morgen angebrochen, und aus zwei Männerangen perlen die Thrünen!
Er hat sie so innig gelicbt!
Der Carnevale tollt durch die Strassen: in bunten Masken, auf
Wagen und Balkenen eine heitere lachende Menge. Die Confetti fliegen
wie ein Regen durch die Luft, hier ein lustiger Kampf, dort ein fröhlicher
Überfall. Alles freut sich, tollt mit so gut es geht; droben aber in der
Pension „Austria“ dämmert einer hinüber, den sie kürzlich erst brachten.
Und mit einem Seufzer der Erlösung atmet die auf, die mit ihm kam;
min ist sie frei!
Es ist ja überall nicht anders, überall der furchtbare Kontrast
zwischen Leben und Tod. aber so sinnfällig wird er wohl nur in den
Winterkurorten: hier drängt sich alles zusammen, hier sind die Kranken
die eigentlichen Bewohner, ein Gesunder hat fast nur das Recht, als
Krankenbegleiter zu erscheinen. Darum kann sich niemand diesem
Eindruck entziehen. Und vielleicht hier mehr als anderswo leuchten
dlie Worte Gocthe's ein, die er in seinem grossartigen Hymnus „Die
Natur“ von ihr rühmt: „Leben ist ihre schönste Erfindung, und der Tod
ihr Kunstgriff, viel Leben zu haben.“ Aber freilich nur den Gesunden
leuchten sie ein, die „Morituris werden, nichts von ihnen wissen
wollen
Mir blieb die novellistische Skizze Sudermann's „Das Sterbelied“
vielleicht deshalb so lebhaft im Gedächtnis, weil ich sie zum ersten Mal
im Wartezimmer eines Kurarztes las, wührend rings um mich die
Leidenden das Aufrufen ihres Namens erharrten. Sudermann hat den
Kontrast zwischen Leben und Tod, den er in seinen letzten drei ein¬
aktigen Stücken von einer ganz anderen Seite angefasst, jedentalls für
nicht ausreichend gehalten, dein er stellt einander nicht nur den
sterbenden Pastor und seine jugendkräftige Frau gegenüber, er kon¬
trastiert noch überdies die pflichtgetreue deutsche Gattin mit einer leicht¬
lehigen Französin und schwächt so das bedeutsame Motiv, indem er es
mit Pikanterie umgiebt in unzweifelhafter Nachahmnung Maupassants.
Ganz anders hatte Heyse schon 1862 in „Unheilbar“, einer seiner
„Merauer Novellen“, das Problem behundelt: hier lässt eine Moritura,
Marie, nur deshalb die Neigung in ihrem Herzen Wurzel fassen, weil sie
an ihren nahen Tod glaubt. Der Arzt aber hatte sie über ihren Zustand
absichtlich getäuscht, sie war durchaus nicht so schwer leidend, und so
kann ihre Heilung den Bund mit dem Geliebten herbeiführen, der auch
wie durch ein Wunder dem sicheren Tosl entrissen wird. Wieder anders
hat A. von Hedenstjerna das Motiv gewendet, indem die Genesende kein
Recht mehr am Leben zu haben vermeint, ist sie doch nur aus Mitleid
geheiratet werden, weil sie eine Sterbende war: also in gewissem Sinn
die Furcht vor'm Gesundwerden.