3.
Sterben
Annen n I. un 41.
box 1/2
Tod und Sterben.
359
Alfred die allmählichen Fortschritte der Krankheit, die Stimmungen des
Patienten und seiner Umgebung, Furcht und Hoffen lebendig werden
und richtet seinen Blick auch der Wandlung zu, die in Marie vorgehit.
Joseph Rudnicki beobachtet sich und grübelt über den Tod, dessen Zeit¬
punkt ihm nicht mehr zweifelhaft ist, Schitzler beschreibt den Fall als
unsichtbarer Zuschauer. Beide Formen der Darstellung bedingen manches
Unwahrscheinliche, doch verrät der polnische Dichter seine grössere
Jugendlichkeit durch die Wahl der Ich-Erzählung, die es nötig macht,
dass der Erlebende manches nur für den Beobachter Wichtige ver¬
zeichnet; es muss aber hervorgehoben werden, wie geschickt Dombrowski
die Schwierigkeiten zu decken versteht, als Beweis seines vielversprechenden
Talentes.
Sehr bedeutsam erscheint mir nun, worin der wesentliche Unter¬
schied zwischen beiden Dichtern steckt, weil darin vielleicht ein völker¬
psychologisches Moment zu erkennen ist.
er einundzwanzigjährige polnische Jurist hat den Glauben ver¬
etee er schildert uns ganz genau, wie es kam, wie allmählich Stück
Sek die Tradition von ihm abfiel, jetzt steht er da ohne äusseren
Halt. Shse #ünung und Zuversicht, aber mit dem sehnsüchtigen Wunsch
nach einere Halt etwas Festem, an das er sich anklammern könnte.
Er hat in sich #nteritht zerstört, er hat an allem gezweifelt, nun
zweifelt er auch un dem Zweitel und empfindet „diese Gewissheit der
Hoffnungslosigkeit“ als Mdie“. Er braucht einmal den höchst
bezeichnenden Ausdruck „G#n#enus der Wahrheit“ und zerbricht sich
den Kopf über das „Warum“, ich kämpfe nicht nur ohne Hoffnung
auf Sieg“
breibt er am 20. März — „sondern mit der Gewissheit,
dass ich güegh####nterliegen werde — und doch kämpfe ich, um zu
siegen
Vür mit dem Tode kann man einen so hoffnungslosen
Kampf führen." Er hat keinen Glauben, d. h. für ihn keinen Gottes,
glauben, aber er meinte doch einen Ersatz zu haben, das bildet den
Gegenstand seiner Grübeleien am 27. März.
„Sterblichkeit oder Unsterblichkeit der Seele? Was sollte ich mich
vorläufig darum kümmern? Wer denkt im einundzwanzigsten Lebens¬
jahre ernst über solche Dinge nach? Uber den Tod? Ich baute mein
Leben, was konnte mich der Tod interessieren?“ Er vorgleicht sich mit
einem Architekten, dem es auch nicht der Mühe wert erscheint, darüber
nachzudenken, dass und wodurch sein Gebände später einmal „einst“
zertrümnmnert werden wird. „Ganz wie dieser hielt auch ich die Be¬
dachte also einfach gar nicht darüber nach.“
„Das Absolute, der Wille, das Unbewusste, der Dynamismas! Alle
diese Wörter verstand ich nicht recht; aber ich redete mir ein, sie zu
verstehen. Sie vertraten mir meinen ehemaligen Gott. Die Theorie des
Sterben
Annen n I. un 41.
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Tod und Sterben.
359
Alfred die allmählichen Fortschritte der Krankheit, die Stimmungen des
Patienten und seiner Umgebung, Furcht und Hoffen lebendig werden
und richtet seinen Blick auch der Wandlung zu, die in Marie vorgehit.
Joseph Rudnicki beobachtet sich und grübelt über den Tod, dessen Zeit¬
punkt ihm nicht mehr zweifelhaft ist, Schitzler beschreibt den Fall als
unsichtbarer Zuschauer. Beide Formen der Darstellung bedingen manches
Unwahrscheinliche, doch verrät der polnische Dichter seine grössere
Jugendlichkeit durch die Wahl der Ich-Erzählung, die es nötig macht,
dass der Erlebende manches nur für den Beobachter Wichtige ver¬
zeichnet; es muss aber hervorgehoben werden, wie geschickt Dombrowski
die Schwierigkeiten zu decken versteht, als Beweis seines vielversprechenden
Talentes.
Sehr bedeutsam erscheint mir nun, worin der wesentliche Unter¬
schied zwischen beiden Dichtern steckt, weil darin vielleicht ein völker¬
psychologisches Moment zu erkennen ist.
er einundzwanzigjährige polnische Jurist hat den Glauben ver¬
etee er schildert uns ganz genau, wie es kam, wie allmählich Stück
Sek die Tradition von ihm abfiel, jetzt steht er da ohne äusseren
Halt. Shse #ünung und Zuversicht, aber mit dem sehnsüchtigen Wunsch
nach einere Halt etwas Festem, an das er sich anklammern könnte.
Er hat in sich #nteritht zerstört, er hat an allem gezweifelt, nun
zweifelt er auch un dem Zweitel und empfindet „diese Gewissheit der
Hoffnungslosigkeit“ als Mdie“. Er braucht einmal den höchst
bezeichnenden Ausdruck „G#n#enus der Wahrheit“ und zerbricht sich
den Kopf über das „Warum“, ich kämpfe nicht nur ohne Hoffnung
auf Sieg“
breibt er am 20. März — „sondern mit der Gewissheit,
dass ich güegh####nterliegen werde — und doch kämpfe ich, um zu
siegen
Vür mit dem Tode kann man einen so hoffnungslosen
Kampf führen." Er hat keinen Glauben, d. h. für ihn keinen Gottes,
glauben, aber er meinte doch einen Ersatz zu haben, das bildet den
Gegenstand seiner Grübeleien am 27. März.
„Sterblichkeit oder Unsterblichkeit der Seele? Was sollte ich mich
vorläufig darum kümmern? Wer denkt im einundzwanzigsten Lebens¬
jahre ernst über solche Dinge nach? Uber den Tod? Ich baute mein
Leben, was konnte mich der Tod interessieren?“ Er vorgleicht sich mit
einem Architekten, dem es auch nicht der Mühe wert erscheint, darüber
nachzudenken, dass und wodurch sein Gebände später einmal „einst“
zertrümnmnert werden wird. „Ganz wie dieser hielt auch ich die Be¬
dachte also einfach gar nicht darüber nach.“
„Das Absolute, der Wille, das Unbewusste, der Dynamismas! Alle
diese Wörter verstand ich nicht recht; aber ich redete mir ein, sie zu
verstehen. Sie vertraten mir meinen ehemaligen Gott. Die Theorie des