3. Sterben
ne aen ene den 1
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Tod und Sterben.
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ihm nicht mehr als „der entsetzliche, der Schunder erregende“, sondern
als „der lindernde und ersehnte“. Noch ein Aufflackern, er hofft auf
Genesung, da stirbt er am 30. April gegen Morgen, ohue die Besinnung
wieder erlangt zu haben. Cnarakteristisch genng schliesst das Tagebuch,
dem von fremder Hand bloss die Todesanzeige beigefügt ist, mit einem
Zweifel — an der Kunst der Arzte.
So viel wird aus dem Gesagten hervorgeleuchtet haben, dass
Dombrowski sein Thema sehr ernst und philosophisch gefasst hat, dass
er darauf aus war, es in seiner Tiefe, wenn nicht zu ergründen — wer
— 8o doch zu ahnen. Er hat selbst mit Tronie ein Urteil
wagte das
über sein Werk gefällt, indem er Rudnicki am 3. April schreiben lässt:
„Zu Grunde gehen irgendwo im Sturm der Elemente, in den
Lebens-Kataklysmen, immitten von Kampf und Sieg — damit bin ich
einverstanden; aber so mit dem Tode ringen zu müssen, so elend und
grundlos in den vier Wänden“ das ist schon nicht mehr schrecklich,
das ist grauenhaft.
„Denn ich ringe nicht mit dem Tode, sondern ich faule allmählich
ab, indem ich, ohne Widerstand leisten zu können, das Leben ausatie.
Es liegt nichts Grosses, Erhabenes in einem solchen Tode. Ich bin ein
untergehender Elender, weitel nichts. Kein Romanschriftstellel der ganzen
Welt könnte den Inhalt seines Werkes auf einen solchen Tod basieren.“
„Und thäte er es dennoch. so wäre es unverständlich, öde, lang¬
weilig, erschütternd langweilig.“
Dombrowski thut seinem Werk imrecht, erschütternd ist es allerdlings,
aber langweilig keineswegs, ja es entbehrt auch der Grösse nicht, weil
gleichsam der Vorhang weggezogen und der Abgrund gezeigt wird, der
Sein und Nichtsein trennt. Viel Geistvolles und Tiefsinniges wird vor¬
gebracht, manche Scenen, z. B. das letzté Festmakt, die letzte Olung,
die Weigerung seines Freundes Stasch, den Rest in Rudnickis Theeglas
auszutrinken, wodurch der Verdacht im Kranken entsteht, auch das
Erscheinen Lopacki's sind kleine Kabinettsstücke; von den vier Haupt¬
personen erhalten wir ein anschauliches Bild, selbst die Nebentiguren,
eine Tante, der deutsche Lehrer Hoffmann, die beiden Arzte Starzecki
und Lopacki, die Wohnungsvermieterin Frau Sawicka bleiben nicht
blosse Schatten. Die Beobachtungen über die Krankheit gtreffen wohll
das Richtige und verlieren dadurch an Widerlichkeit, dass der Kranke
selbst sie vortrügt, der vor sich doch nicht Scheu empfinden kann.
Wenn wir neben die Tiefe des polnischen Werkes die Novelle
Schnitzlers halten, könnte sie seicht und klein erscheinen, deun allerdings,
sie verfolgt eine andere Richtung; sie bemüht sich, so weit als möglich.
einfach und natürlich zu sein. Rudnicki, der einmal gegen Dumas los¬
zieht wegen der unrichtigen Schilderung von Lungenkranken und ihren
letzten Gesinnungen, wird doch unwillkürlich zum Deklamntor, das
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Tod und Sterben.
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ihm nicht mehr als „der entsetzliche, der Schunder erregende“, sondern
als „der lindernde und ersehnte“. Noch ein Aufflackern, er hofft auf
Genesung, da stirbt er am 30. April gegen Morgen, ohue die Besinnung
wieder erlangt zu haben. Cnarakteristisch genng schliesst das Tagebuch,
dem von fremder Hand bloss die Todesanzeige beigefügt ist, mit einem
Zweifel — an der Kunst der Arzte.
So viel wird aus dem Gesagten hervorgeleuchtet haben, dass
Dombrowski sein Thema sehr ernst und philosophisch gefasst hat, dass
er darauf aus war, es in seiner Tiefe, wenn nicht zu ergründen — wer
— 8o doch zu ahnen. Er hat selbst mit Tronie ein Urteil
wagte das
über sein Werk gefällt, indem er Rudnicki am 3. April schreiben lässt:
„Zu Grunde gehen irgendwo im Sturm der Elemente, in den
Lebens-Kataklysmen, immitten von Kampf und Sieg — damit bin ich
einverstanden; aber so mit dem Tode ringen zu müssen, so elend und
grundlos in den vier Wänden“ das ist schon nicht mehr schrecklich,
das ist grauenhaft.
„Denn ich ringe nicht mit dem Tode, sondern ich faule allmählich
ab, indem ich, ohne Widerstand leisten zu können, das Leben ausatie.
Es liegt nichts Grosses, Erhabenes in einem solchen Tode. Ich bin ein
untergehender Elender, weitel nichts. Kein Romanschriftstellel der ganzen
Welt könnte den Inhalt seines Werkes auf einen solchen Tod basieren.“
„Und thäte er es dennoch. so wäre es unverständlich, öde, lang¬
weilig, erschütternd langweilig.“
Dombrowski thut seinem Werk imrecht, erschütternd ist es allerdlings,
aber langweilig keineswegs, ja es entbehrt auch der Grösse nicht, weil
gleichsam der Vorhang weggezogen und der Abgrund gezeigt wird, der
Sein und Nichtsein trennt. Viel Geistvolles und Tiefsinniges wird vor¬
gebracht, manche Scenen, z. B. das letzté Festmakt, die letzte Olung,
die Weigerung seines Freundes Stasch, den Rest in Rudnickis Theeglas
auszutrinken, wodurch der Verdacht im Kranken entsteht, auch das
Erscheinen Lopacki's sind kleine Kabinettsstücke; von den vier Haupt¬
personen erhalten wir ein anschauliches Bild, selbst die Nebentiguren,
eine Tante, der deutsche Lehrer Hoffmann, die beiden Arzte Starzecki
und Lopacki, die Wohnungsvermieterin Frau Sawicka bleiben nicht
blosse Schatten. Die Beobachtungen über die Krankheit gtreffen wohll
das Richtige und verlieren dadurch an Widerlichkeit, dass der Kranke
selbst sie vortrügt, der vor sich doch nicht Scheu empfinden kann.
Wenn wir neben die Tiefe des polnischen Werkes die Novelle
Schnitzlers halten, könnte sie seicht und klein erscheinen, deun allerdings,
sie verfolgt eine andere Richtung; sie bemüht sich, so weit als möglich.
einfach und natürlich zu sein. Rudnicki, der einmal gegen Dumas los¬
zieht wegen der unrichtigen Schilderung von Lungenkranken und ihren
letzten Gesinnungen, wird doch unwillkürlich zum Deklamntor, das