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22. Dezember 1929
Das Kleine Blot
—
Liebeswerben, und das junge Mädel, das schon
jen für
Rechtsfahren in Öster¬
heute mit den Männern sein Spiel treibt, sind
Länge.
lebenswahr und mit tiefem seelischen Verständ¬
itungen
reich.
nis gezeichnet.
# sind
Vom 1. Dezember 1932 an.
Fräulein Ullrich ist in der Unbefangen¬
ter die
6578
heit ihrer Instinkte, in dem, was sie gibt und
Der Nationalrat hat in seiner letzten
was sie ahnen läßt, ganz ausgezeichnet, und
so lang Sitzung auch ein Verkehrsgesetz beschlossen,
Herr Riedl als ihr Partner von erquickender
an zu
mit dem das Rechtsfahren in Öster¬
Frische und Jugendlichkeit. Frau Terwin als
gewicht
reich eingeführt wird. Als Termin wurde
resignierte und noch jugendlich empfindende
t Mil¬
der 1. Dezember 1932 bestimmt. Die
Mutter, Herr Moissi als der Kaplan, der
Umwandlung der Verkehrsanlagen wird
seine Gefühle nicht ausspricht, Herr Xanthe
natürlich viel Geld kosten; bei der Wiener
als spießbürgerlicher Arzt, der in das Mädchen
en.
Straßenbahn allein dürften die Kosten etwa
verliebt ist und das Feld räumt, Herr Homma
fünfzehn Millionen Schilling be¬
waren
als lebenslustiger Bildhauer — sie alle haben
tragen. Die Sozialdemokraten haben daher
einer
mehr zu sprechen als zu agieren, und tun dies
beantragt, man möge mit der Neuordnung
auf¬
mit aller Kultur, die ein schnitzler'sases Konver¬
noch zuwarten, bis sich die wirtschaft¬
Ver¬
sationsstück erfordert.
amk.
lichen Verhältnisse gebessert haben und die
Pro¬
hohen Kosten daher nicht so drückend ver¬
1929
Die besseren Menschen.
spürt werden. Dieser Antrag wurde aber
Frozent
von der Mehrheit abgelehnt.
nun
„Madonna im Schlafcoupe“,
Auch uns scheint es, als ob wir in Öster¬
n mit
Renaissancebühne.
reich gegenwärtig keine größeren Sorgen
0 Ker¬
hätten. Und die vielen Millionen, die da
Vor ein paar Jahren gab es in Frankreich
aufgewendet werden müssen, könnten wirk¬
einen Moderoman, dessen Autor Maurice
Dekobra seither eine gewisse Salonberühmt¬
lich zweckmäßiger verwendet werden!
heit erlangt hat. Darin werden die etwas
in das
speziellen Launen und Neigungen einer unge¬
rund
heuer reichen englischen Lady geschildert. Sie ist
sind
madonnenhaft schön und liebt das Reisen, wes¬
heatel
jeden
B
BL
halb sie die „Madonna im Schlafcoupé“ genannt
id, ein
wird. Man muß kein Spießbürger sein, um die
Vorkriegszeit.
Weit
Hüllenlosigkeit ihrer Instinkte und die Hem¬
romes
mungslosigkeit ihrer Begierde nach Reichtum als
„Im Spiel der Sommerlüfte.“
geben.
Bestialität zu empfinden. Im Roman klingt aber
Deutsches Volkstheater.
Kraft
doch eine gewisse Eleganz des Ausdrucks und eine
lektri¬
Das war in Wien eine schöne Zeit, die vor
gewisse Ironie in der Darstellung mit. Nun haben
dem Kriege, freilich nur für eine gewisse Schicht
sich zwei französische Autoren bemüßigt gefühlt,
der Bevölkerung, die es sich leister. konnte. Man
id be¬
den Modeerfolg auch für die Bühne auszu¬
lebte behaglich und gemütlich, verbrachte den
schroten und natürlich fand sich sofort ein deutscher
Sommer vom ersten Sonnentag bis zur herbst¬
Theaterindustrieller, Siegfried Geyer, um die
istun=lichen Kühle in der nahen oder fernen Umge¬
Erlebnisse dieser unheiligen Madonna auf die
wären bung der Hauptstadt, man liebelte, und über alle
deutsche Bühne (und nebenbei erwähnt auch in
leuchtete ein zwar nicht erregendes, aber ange¬
zügige
ein durchaus fehlerhaftes Deutsch) zu übertragen.
r Ge¬Inehm wärmendes, anscheinend steis wolkenloses
Dabei geht das bißchen Grazie des Originals
stung Glück. Artur Schnitzler, der Dichter eben
flöten.
raft-jener Klasse, die all dies genießen durfte, zeich¬
Kurz gesagt, denn dieses Zeug verdient
owatt= jnet in seinem neuesten Werk wieder einmal das
eigentlich nicht viel Worte: Man hat schon
Was=Innenleben einer solchen Familie. Der Vater
lange auf dem Theater kein widerlicheres
a ein ist ein Bildhauer, der Erfolg und Aufträge hat,
Theaterstück gesehen. Ein Kriminaldrama
Die ein bißchen auf Nebenwege geht und dann
schlimmster Sorte, das mit seinen Inall¬
uernd simmer zur Gattin heimkehrt, die Mutter ge¬
effekten und seinem verlogenen Pathos die
igkeitlstattet sich mit Würde und Anstand eine späte
Leute zum Lachen bringen muß, männliche und
etzten Hinneigung zu einem jungen Mann, der ein¬
weibliche Falotten als Hauptpersonen und zu
Reihe zige Sohn, ein Gymnasiast, hat nur die Sorgen
dem allen noch eine Schilderung von Sowjet¬
mög-der Nachprüfung in Griechisch, sonst aber keine,
rußland, wie es ein schriftstellender Lakai nach
ungs=die Nichte, angehende Schauspielerin, ist schon
den Bedürfnissen des Pariser Boulevars¬
ichen. heute ein kleines Luderchen und wird sich noch
gesindels zeichnet. Nun mag ja Sowjetrußland
kessel ausbilden, dann gibt es Leutnants und Duelle
viele Sünden haben, aber es so darzustellen,
und seelenvolle Kapläne — eine versunkene
ngen.
wie vor fünfzig Jahren oder noch länger zurück
Welt.
itäts¬
etwa ein afrikanischer Stamm in Sensations¬
über diese Familie geht ein kleines Sommer¬
rleihe
romanen dargestellt wurde, ist doch zu grotesk.
gewitterchen, aber es ist nicht mehr so arg, alles
chil¬
Die besseren Menschen sind in diesem Sinne
renkt sich in die gehörigen Bahnen ein, man
zur
jene, die sich, natürlich mit entsprechenden
Elek- zieht vom Land in die Stadt, und nächstes Jahr
sexuellen Gegenleistungen, aushalten lassen
ceue=wird es so oder wieder ähnlich sein. Kein Drama
und die wundervollsten Modeschöpfungen auf
mit wühlenden Konflikten, eher ein Novellchen
etzen,
dem Leibe haben. Die schlechten Menschen sind
des in der Form eines Dramas, als Theaterstück
die Proletarier — dies wird im Stück aus¬
Daß ein bißchen lau, als Spiegelbild einer Gesell¬
gesprochen —, die sich die elegante Prostitution
kome schaft, die war gut gezeichnet. Aber ist es die
nicht leisten wollen.
Aus-Aufgabe des Theaters, nicht Konflikte und
Aber es hat wahrhaftig keinen Sinn, sich
ngen niederprasselnde Gewitter, sondern nur den All¬
heute noch über die gedankliche Rückständigkeit
not#tag von Leuten, die nicht interessant sind, und
des Pariser Schrifttums länger auszulassen.
t, ist das Lüftchen, das seine Oberfläche kräuselt, dar¬
Man braucht sich auch nicht zu verwundern, daß
rger=zu stellen? Natürlich ist Artur Schnitzler auch
jeder Mist aus Pariser Kanälen sofort auf das
heute wie je ein Künstler in der Führung der
nter¬
deutsche Theater übergeleitet wird. Höchstens
Szenen, die im wesentlichen nichts enthalten
estal¬
kann man sich wundern, daß Direktor Jarno
und dennoch zu einem Ziele hinführen und die
schen
die Aussichten eines guten Geschäftes, das ihn
einzelnen Charaktere sind bei ihm scharf porträ¬
die
aber enttäuschen wird, höher stellte als die
t ist. nert, besonders die Figuren der beiden jungen
th. Menschen, der Gymnasiast mit seinem ersten] Wahrung seines Renommees.
Gen
22. Dezember 1929
Das Kleine Blot
—
Liebeswerben, und das junge Mädel, das schon
jen für
Rechtsfahren in Öster¬
heute mit den Männern sein Spiel treibt, sind
Länge.
lebenswahr und mit tiefem seelischen Verständ¬
itungen
reich.
nis gezeichnet.
# sind
Vom 1. Dezember 1932 an.
Fräulein Ullrich ist in der Unbefangen¬
ter die
6578
heit ihrer Instinkte, in dem, was sie gibt und
Der Nationalrat hat in seiner letzten
was sie ahnen läßt, ganz ausgezeichnet, und
so lang Sitzung auch ein Verkehrsgesetz beschlossen,
Herr Riedl als ihr Partner von erquickender
an zu
mit dem das Rechtsfahren in Öster¬
Frische und Jugendlichkeit. Frau Terwin als
gewicht
reich eingeführt wird. Als Termin wurde
resignierte und noch jugendlich empfindende
t Mil¬
der 1. Dezember 1932 bestimmt. Die
Mutter, Herr Moissi als der Kaplan, der
Umwandlung der Verkehrsanlagen wird
seine Gefühle nicht ausspricht, Herr Xanthe
natürlich viel Geld kosten; bei der Wiener
als spießbürgerlicher Arzt, der in das Mädchen
en.
Straßenbahn allein dürften die Kosten etwa
verliebt ist und das Feld räumt, Herr Homma
fünfzehn Millionen Schilling be¬
waren
als lebenslustiger Bildhauer — sie alle haben
tragen. Die Sozialdemokraten haben daher
einer
mehr zu sprechen als zu agieren, und tun dies
beantragt, man möge mit der Neuordnung
auf¬
mit aller Kultur, die ein schnitzler'sases Konver¬
noch zuwarten, bis sich die wirtschaft¬
Ver¬
sationsstück erfordert.
amk.
lichen Verhältnisse gebessert haben und die
Pro¬
hohen Kosten daher nicht so drückend ver¬
1929
Die besseren Menschen.
spürt werden. Dieser Antrag wurde aber
Frozent
von der Mehrheit abgelehnt.
nun
„Madonna im Schlafcoupe“,
Auch uns scheint es, als ob wir in Öster¬
n mit
Renaissancebühne.
reich gegenwärtig keine größeren Sorgen
0 Ker¬
hätten. Und die vielen Millionen, die da
Vor ein paar Jahren gab es in Frankreich
aufgewendet werden müssen, könnten wirk¬
einen Moderoman, dessen Autor Maurice
Dekobra seither eine gewisse Salonberühmt¬
lich zweckmäßiger verwendet werden!
heit erlangt hat. Darin werden die etwas
in das
speziellen Launen und Neigungen einer unge¬
rund
heuer reichen englischen Lady geschildert. Sie ist
sind
madonnenhaft schön und liebt das Reisen, wes¬
heatel
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B
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halb sie die „Madonna im Schlafcoupé“ genannt
id, ein
wird. Man muß kein Spießbürger sein, um die
Vorkriegszeit.
Weit
Hüllenlosigkeit ihrer Instinkte und die Hem¬
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mungslosigkeit ihrer Begierde nach Reichtum als
„Im Spiel der Sommerlüfte.“
geben.
Bestialität zu empfinden. Im Roman klingt aber
Deutsches Volkstheater.
Kraft
doch eine gewisse Eleganz des Ausdrucks und eine
lektri¬
Das war in Wien eine schöne Zeit, die vor
gewisse Ironie in der Darstellung mit. Nun haben
dem Kriege, freilich nur für eine gewisse Schicht
sich zwei französische Autoren bemüßigt gefühlt,
der Bevölkerung, die es sich leister. konnte. Man
id be¬
den Modeerfolg auch für die Bühne auszu¬
lebte behaglich und gemütlich, verbrachte den
schroten und natürlich fand sich sofort ein deutscher
Sommer vom ersten Sonnentag bis zur herbst¬
Theaterindustrieller, Siegfried Geyer, um die
istun=lichen Kühle in der nahen oder fernen Umge¬
Erlebnisse dieser unheiligen Madonna auf die
wären bung der Hauptstadt, man liebelte, und über alle
deutsche Bühne (und nebenbei erwähnt auch in
leuchtete ein zwar nicht erregendes, aber ange¬
zügige
ein durchaus fehlerhaftes Deutsch) zu übertragen.
r Ge¬Inehm wärmendes, anscheinend steis wolkenloses
Dabei geht das bißchen Grazie des Originals
stung Glück. Artur Schnitzler, der Dichter eben
flöten.
raft-jener Klasse, die all dies genießen durfte, zeich¬
Kurz gesagt, denn dieses Zeug verdient
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eigentlich nicht viel Worte: Man hat schon
Was=Innenleben einer solchen Familie. Der Vater
lange auf dem Theater kein widerlicheres
a ein ist ein Bildhauer, der Erfolg und Aufträge hat,
Theaterstück gesehen. Ein Kriminaldrama
Die ein bißchen auf Nebenwege geht und dann
schlimmster Sorte, das mit seinen Inall¬
uernd simmer zur Gattin heimkehrt, die Mutter ge¬
effekten und seinem verlogenen Pathos die
igkeitlstattet sich mit Würde und Anstand eine späte
Leute zum Lachen bringen muß, männliche und
etzten Hinneigung zu einem jungen Mann, der ein¬
weibliche Falotten als Hauptpersonen und zu
Reihe zige Sohn, ein Gymnasiast, hat nur die Sorgen
dem allen noch eine Schilderung von Sowjet¬
mög-der Nachprüfung in Griechisch, sonst aber keine,
rußland, wie es ein schriftstellender Lakai nach
ungs=die Nichte, angehende Schauspielerin, ist schon
den Bedürfnissen des Pariser Boulevars¬
ichen. heute ein kleines Luderchen und wird sich noch
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viele Sünden haben, aber es so darzustellen,
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ngen.
wie vor fünfzig Jahren oder noch länger zurück
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etwa ein afrikanischer Stamm in Sensations¬
über diese Familie geht ein kleines Sommer¬
rleihe
romanen dargestellt wurde, ist doch zu grotesk.
gewitterchen, aber es ist nicht mehr so arg, alles
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Die besseren Menschen sind in diesem Sinne
renkt sich in die gehörigen Bahnen ein, man
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jene, die sich, natürlich mit entsprechenden
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sexuellen Gegenleistungen, aushalten lassen
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und die wundervollsten Modeschöpfungen auf
mit wühlenden Konflikten, eher ein Novellchen
etzen,
dem Leibe haben. Die schlechten Menschen sind
des in der Form eines Dramas, als Theaterstück
die Proletarier — dies wird im Stück aus¬
Daß ein bißchen lau, als Spiegelbild einer Gesell¬
gesprochen —, die sich die elegante Prostitution
kome schaft, die war gut gezeichnet. Aber ist es die
nicht leisten wollen.
Aus-Aufgabe des Theaters, nicht Konflikte und
Aber es hat wahrhaftig keinen Sinn, sich
ngen niederprasselnde Gewitter, sondern nur den All¬
heute noch über die gedankliche Rückständigkeit
not#tag von Leuten, die nicht interessant sind, und
des Pariser Schrifttums länger auszulassen.
t, ist das Lüftchen, das seine Oberfläche kräuselt, dar¬
Man braucht sich auch nicht zu verwundern, daß
rger=zu stellen? Natürlich ist Artur Schnitzler auch
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deutsche Theater übergeleitet wird. Höchstens
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kann man sich wundern, daß Direktor Jarno
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Gen