II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 47

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Ein historisches Stück — das ist „Im Spiel der
Schnitz'er=Uraufführung.
Sommerlüfn“. Die Geschichte der neben der Wirk¬
se
Deutsches Volkstheater.
lichkeit, nur in ihrer inneren Problematik leben¬
„Im Spiel der Sommerlüfte“ heißt
den Vorkriegsmenschen — hier ist sie noch numilf2
das neue Drama Axtur Schnitzlers. Das ist mehr
Theater geworden, golden umrandet von der#k
als ein zufälliger Titel. Und es ist auch mehr
Erinnerung, hauchzart, verschwebend, nicht faßbar
als ein zufälliges Stück. „Im Spiel der Sommer¬
wie ein Traum und seltsam abgehoben von dem
lüfte“ weht auf, verweht und kommt immer
Hintergrund dieser unserer zerrissenen, aber das
wieder neu — unser Leben. So sah und sieht
Wirkliche mit allen Nerven suchenden Zeit.
Schnitzler, was wir erleben und was wir nicht
Es ist, als ginge man durch welkes, abgefallenes
erleben — immer gab ihm erst diese Zweiheit
Laub. Bei jedem Schritt raschelt es. Aber wie
unser ganzes Dasein. „Im Spiel der Sommer¬
daraus durch irgendein Inkommensurables, das
lüfte“ en.scheidet sich das, was wir Glück oder
man nicht nennen, nicht fassen kann, sich plötzlich
Unglück nennen, wechselt Erfüllung mit Verzicht,
dem Wanderer die Vision: Der Wald, oder: Der
wandert die ewige Liebe in die eben so ewige
Sommer ergeben mag, so steigt hinter diesen das
Einsamkeit hinüber. „Im Spiel der Sommer¬
ahnungslose Sterben einer Welt spiegelnden
lüfte“ — das ist Schnitzlers Aimosphäre.
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Szenen das Gesicht eines empfindsamen, gütigen,
Es ist mehr als ein zufälliges Stück. Es ist,
noch in der Abrechnung zarten, lyrisch umschleier¬
als wolle es die Zusammenfassung aller Schnitzler¬
ik¬
ten Menschen auf — das Gesicht des Dichters.
Dramen sein. Mit sehr bewußter Absicht sind sie
In der Aufführung des Deutschen Volkstheaters
alle wieder da, die Schnitzler=Gestalten — die
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ist die Regie Rudolf Beers sehr um das
Frau, die nicht vom Leben Abschied nehmen will
in
Atmosphärische bemüht, ohne es allerdings immer
se.! — der Künstler, in seinem die Masken wechselnden
ganz zu erreichen. Schnitzlers Drama ist eigentlich
er
Egoismus und seiner kühlen Lebensferne — der
ein Kammerspiel, ein Traumstück aus der Puppen¬
ist
Leutnant, nichts als ein schönes Stück zuckenden
schachtel unseres Lebens. Aber der große Raums
Fleisches — der um das Gewissen, um die Ver¬
des Deutschen Volkstheaters verleitet eben not¬
antwortung, um die Erfüllung Gottes im Irdi¬
wendiger Weise oft zu überbetontem Ausspielen.
schen kämpfende Mann — der junge Arzt, ein
Auch kommt noch hinzu: Wo gibt es heute noch
en
eifersüchtiger Danebensteher und bittergestimmter
oder schon wieder Schauspieler, die aus sich heraus
Durchschauer — das junge Mädel, ins Leben
verhalten, schwebend spielen können oder es auch
hineinrennend, glückhaft, nichts anderem gehor¬
nur wollen — heute, wo alles in der Kunst und
chend als seinem Blut — der junge Bub, schon in
im Leben nach Extensität, nach sich entblößender
den Wirbel des Lebens gerissen und noch halb
Preisgabe drängt!
seinen Spielen gehörend.
Alexander Moissi allerdings in der Rolle
Mit bewußter Absicht — ich sagte schon — sind
eines vom Leben versuchten Kaplans möchte gern
sie alle wieder da — auch die Konflikte der
Verhaltenheit spielen — sein Schauspielerinstinkt
Schnitzler=Welt: das „Zwischenspiel“ der Sinne,
merkt, worauf es hier ankommt. Aber er vermag
„das weite Land“ stimmungshafter Dämmerjeelen,
dabei nicht das Theaterhafte zu überwinden Was
die „Komödie der Verführung“ durch das Theater
#er gibt, ist weniger ein keuscher Heiliger des
und das Abenteuer, die „Komödie der Worte“
Herzens, als ein brillanter Seiltänzer der Cmpfind¬
zwischen den Menschen, die einander nie verstehen
samkeit. In Johanna Terwins Darsiellung
können, auch in der nächsten Nähe nicht, der
der Schnitzler=Frau mit der großen Trauer um
„Leutnant Gustl“, ewig zwischen Duell und
das ungelebte Leben werden die Umrisse der Ge¬
Triumph der Amouren stehend, „der einsame
stalt sichtbar, aber nicht mehr, ebenso in
Weg“ der altgewordenen, enttäuschten Puppen¬
Hommas Künstler. Ganz ins Schattenhafte
spieler mit dem Leben, „der Ruf des Lebens“,
verfließt der Doktor Mihail Xanthos, dagegen
alles überbrausend mit seiner grausamen Gier,
kommt der Leutnant Hans Oldens prägnant
das fliehende Leben in jeder Minute ganz zu
heraus, ein Mensch und ein Typ. Tonio Riedl
Il besitzen, mit seiner fiebernden Angst, zu kurz oder
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setzt an den Buben eine sympathische Begabung.
zu spät zu kommen.
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Freude und Erfüllung des Abends aber ist Louise
Sie alle, die Menschen und ihre Schicksale, läßt
Ullrich. Wie sehr echt und wie sehr menschlich!
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Schnitzler an sich vorbeiziehen. Er sitzt auf einer
ist ihr junges Mädel! Da ist Herbheit und Lyrik,
(g.
Bank, Laub mag auf ihn gefallen sein und ein
Zagheit und Unerbittlichkeit der Jugend. Da wird
wenig Sonne ihn wärmen. Der Reigen seines
durch die Kraft einer Natur das Gestern zum
Lebens und seines Werks tanzt in diesem Spiel
Heute.
von den Sommerlüften noch einmal an ihm und
Großer Beifall. Salut dem Dichter Wiens.
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an uns vorbei. Sie finden nicht zu einander, die
Schnitzler erschien wiederholt, sichtlich ergriffen.
Alternden — zuviel ist zwischen ihnen. Aber die
Oskar Maurus Fontana.1s
jungen Menschen fallen einander zu, weil jeder
Tag ihnen neu und voraussetzungslos beginnt.

Und immer wieder Abschied. Und immer Dieder
Neubeginn. Das Alter muß sterben, das Junge
muß zu einander drängen. Voll sinnbildlicher
Kraft, wenn in diesem Schauspiel die Aufhörerin
die Beginnerin umarmt und küßt — so begrüßt
das scheidende Leben das kommende Leben.
Was in diesem nahe bei Wien gelegenen Land¬
haus geschieht, ist wie Abschied von Schnitzlers
Welt, in der wir alle gelebt haben und die
unwiderbringlich dahin ist. Anders sind teute die
reifen Frauen, anders die Kapläne, anders die
Künstler, anders die jungen Menschen Aber diese
Schnitzler=Welt war einmal Lebendigkeit, sie ist
nicht Phantasmagorie, sie war mit allen ihren
falschen Tönen und echten Empfindungen, mit
allen ihren Unmöglichkeiten und Schönheiten ein¬
mal — es müssen tausend Jahre her sein — „in
unserem Besitz“.