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31. Im Spiel der Somnerinefte
Berliner Börsen-Zeitung Nr. 602, Freitag, 27. Dezember.
—
Schnitzler=Araufführung in Wien.
seines Menschenwertes bewußt, tritt der Priester vor die
Frau des Hauses. Das Gefühl zwischen beiden wird nie
„Im Spiel der Sommerlüste“
ausgesprochen, es beherrscht nur das Stück, und so ist der
im Deutschen Volkstheater.
entscheidende Kampf dieser beiden, eine sich bis zu den
Kaum je war ein Dichter mehr verwoben mit der
reinen Höhen des Geistes steigernde Duoszene, in den
Landschaft, mit dem Menschenschlag seiner Heimat als
Mitielpunkt des Dramas, an den Schluß des zweiten Aktes
Arthur Schnitzler. Die große Spannung der Gefühlswelt
gesetzt. Ein Dichter spricht hier von seinem eigenen
des Oesterreichers, von Süßigkeit bis zu Wehmut, die
Ringen um die Reinheit und die Gottesnähe durch Zweifel
Weichheit und Verschwommenheit des Donaulandes sprechen
und irdische Bindungen. Bei Schnitzler bleiben beide
aus allen seinen Gestalten. Schnitzler hat sie aber nicht
Kämpfer Sieger. Die Frau kommt in der Klarheit ihres
nur abgezeichnet und geschildert, sondern macht sie zu
Fühlens Gott nahe und wird ebenso fromm wie der
Trägern symbolhafter Vorgänge, die mit feinster Psycho¬
Priester, der sich durch die Zweifel zur wirklichen Gläubig¬
logie entwickelt und ins Allgemein=Menschliche gewandelt
keit durchkämpfen muß. Bleibt noch der Gatte, eine echte
werden.
Künstlernatur, flatterhaft, aber voll Herzenswärme, der
In seinem neuen Bühnenwerk, das von herber Süßig¬
schließlich nach dem Gewitter zu seiner wahren Liebe, der
keit geschwellt ist, führt er uns in eine österreichische Som¬
Gattin, zurückfindet.
merfrische in der Nähe der Großstadt, wo in Bergeshöhe
Das Stück spielt im kaiserlichen Oesterreich, lange vor
die menschlichen Körper und Seelen gesunden sollen. Die
dem Kriege. Man hält die Menschen, die hier auf der
Schwüle der Sonnenglut lastet auf allen, bis das reinigende
Bühne ihre Schicksale erleben, für längst dahingegangen;
Gewitter und damit die Lösung und Erlösung kommt.
etwas Gespenstisches haftet ihnen an. Aber ein Dichter
Parallel mit diesen Vorgängen in der Natur gehen die in
haucht den golemgleichenden warmen Atem seines Lebens
den menschlichen Herzen. Zunächst scheint sich das Drama
ein, und der Hörer wird ergriffen, ohne daß er sich dessen
nur langsam zu entwickeln. In seinem Mittelpunkte stehen
gewahr wird. Vielleicht klingt Schnitzlers Sentiment im
zwei Frauen: die eine der von Schnitzler geprägte und
Wiener Publikum besonders stark mit, vielleicht sind seine
verewigte Typ des süßen Wiener Mädels, das schmetter¬
Gestalten nur ein Stück von unserer eigenen Sehnsucht nach
linghaft, weich und sehnsüchtig vom Manne die Glut der
Glück und Schönheit. Eines Dichters milde, abgeklärte
Liebe trinkt; die andere gereift, aber auch empfänglich für
Altersweisheit, sein wehmutdurchglänztes Lächeln werden
Liebesglück, wenn auch stets bereit, den Eros zu subli¬
in Rollen lebendig; das Spiel der Sommerlüfte durchzieht
mieren, ins Geistige zu wenden. Die Schicksale dieser
jedes Herz.
beiden Frauen werden nun gegeneinander gestellt. Das
Großen Anteil an dem starken Erfolge des Werkes
Mädchen, Gusti, die Nichte des Hauses, als Sommergast
hatte die ganz ausgezeichnete Darstellung. Moissi als
anwesend, ist eine angehende Schauspielerin. Sie träumt
Kaplan hat erschütternde Momente, ohne betontes Pathos;
von Glück und Ruhm der Zukunft und spielt mit dem
er hebt die Gestalt fast zum Symbolhaften. Frau Ter¬
Herzen eines Doktors, der ihr nicht mehr bedeuten känn
win, seine Partnerin, beschränkt sich auf das stille,
als flüchtige Liebe. Sie verläßt ihn, da sie erkannt hat,
herzensweise, leid= und liebedurchtränkte Weib. Die
daß ihre Seele sich schon längst von seinem geradlinigen,
junge, darstellerisch außerordentlich begabte Luise Ullrich
etwas bürgerlichen Naturell abgewandt hat. Ein anderer
war ein lebensechtes Wiener Kind. Jede ihrer Hand¬
fällt ihr zu, der Sohn des Hauses, Eduard, eben mannbar
bewegungen, jede Modulation der Stimme drückte viel aus.
geworden, für den sie alles bedeutet. Aber auch das ist
Natürlicher Liebreiz gesellte sich zu kluger Gestaltung, so
flüchtiger Rausch der Sinne, denn kaum hingegeben, denkt
daß die schwer anzulegende Figur immer sympathisch blieb.
sie schon an den Leutnant, der sie in ihrer Provinzstadt
Tonio Riedl war ein feuriger, wirklich jugendlicher Lieb¬
erwartet, denkt an Traum und Glück der Zukunft — und
haber, stürmisch und das Hin= und Herpendeln zwischen
der Zurückbleibende, dessen Pubertätsdrama im Stück
Knaben und Mann trefflich andeutend. Auch die Herren
eine eigene Handlung darstellt, findet sich erst in der reinen
Homma, Olden und Xantho waren wohl am Platze.
Natur wieder, gleich seinem bedeutenderen Gegenspieler
Regie und Bühnenbilder klappten vollendet. Es war ein
bei der anderen Frau, dem Kaplan des Dorfes. Diese
Ehrenabend des Deutschen Volkstheaters.
Figur steht im Vordergrunde des ganzen Stückes, gottes¬
Dr. Paul A. Pisk.“
gläubig und dabei der Zweifel voll, demütig und sich doch
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31. Im Spiel der Somnerinefte
Berliner Börsen-Zeitung Nr. 602, Freitag, 27. Dezember.
—
Schnitzler=Araufführung in Wien.
seines Menschenwertes bewußt, tritt der Priester vor die
Frau des Hauses. Das Gefühl zwischen beiden wird nie
„Im Spiel der Sommerlüste“
ausgesprochen, es beherrscht nur das Stück, und so ist der
im Deutschen Volkstheater.
entscheidende Kampf dieser beiden, eine sich bis zu den
Kaum je war ein Dichter mehr verwoben mit der
reinen Höhen des Geistes steigernde Duoszene, in den
Landschaft, mit dem Menschenschlag seiner Heimat als
Mitielpunkt des Dramas, an den Schluß des zweiten Aktes
Arthur Schnitzler. Die große Spannung der Gefühlswelt
gesetzt. Ein Dichter spricht hier von seinem eigenen
des Oesterreichers, von Süßigkeit bis zu Wehmut, die
Ringen um die Reinheit und die Gottesnähe durch Zweifel
Weichheit und Verschwommenheit des Donaulandes sprechen
und irdische Bindungen. Bei Schnitzler bleiben beide
aus allen seinen Gestalten. Schnitzler hat sie aber nicht
Kämpfer Sieger. Die Frau kommt in der Klarheit ihres
nur abgezeichnet und geschildert, sondern macht sie zu
Fühlens Gott nahe und wird ebenso fromm wie der
Trägern symbolhafter Vorgänge, die mit feinster Psycho¬
Priester, der sich durch die Zweifel zur wirklichen Gläubig¬
logie entwickelt und ins Allgemein=Menschliche gewandelt
keit durchkämpfen muß. Bleibt noch der Gatte, eine echte
werden.
Künstlernatur, flatterhaft, aber voll Herzenswärme, der
In seinem neuen Bühnenwerk, das von herber Süßig¬
schließlich nach dem Gewitter zu seiner wahren Liebe, der
keit geschwellt ist, führt er uns in eine österreichische Som¬
Gattin, zurückfindet.
merfrische in der Nähe der Großstadt, wo in Bergeshöhe
Das Stück spielt im kaiserlichen Oesterreich, lange vor
die menschlichen Körper und Seelen gesunden sollen. Die
dem Kriege. Man hält die Menschen, die hier auf der
Schwüle der Sonnenglut lastet auf allen, bis das reinigende
Bühne ihre Schicksale erleben, für längst dahingegangen;
Gewitter und damit die Lösung und Erlösung kommt.
etwas Gespenstisches haftet ihnen an. Aber ein Dichter
Parallel mit diesen Vorgängen in der Natur gehen die in
haucht den golemgleichenden warmen Atem seines Lebens
den menschlichen Herzen. Zunächst scheint sich das Drama
ein, und der Hörer wird ergriffen, ohne daß er sich dessen
nur langsam zu entwickeln. In seinem Mittelpunkte stehen
gewahr wird. Vielleicht klingt Schnitzlers Sentiment im
zwei Frauen: die eine der von Schnitzler geprägte und
Wiener Publikum besonders stark mit, vielleicht sind seine
verewigte Typ des süßen Wiener Mädels, das schmetter¬
Gestalten nur ein Stück von unserer eigenen Sehnsucht nach
linghaft, weich und sehnsüchtig vom Manne die Glut der
Glück und Schönheit. Eines Dichters milde, abgeklärte
Liebe trinkt; die andere gereift, aber auch empfänglich für
Altersweisheit, sein wehmutdurchglänztes Lächeln werden
Liebesglück, wenn auch stets bereit, den Eros zu subli¬
in Rollen lebendig; das Spiel der Sommerlüfte durchzieht
mieren, ins Geistige zu wenden. Die Schicksale dieser
jedes Herz.
beiden Frauen werden nun gegeneinander gestellt. Das
Großen Anteil an dem starken Erfolge des Werkes
Mädchen, Gusti, die Nichte des Hauses, als Sommergast
hatte die ganz ausgezeichnete Darstellung. Moissi als
anwesend, ist eine angehende Schauspielerin. Sie träumt
Kaplan hat erschütternde Momente, ohne betontes Pathos;
von Glück und Ruhm der Zukunft und spielt mit dem
er hebt die Gestalt fast zum Symbolhaften. Frau Ter¬
Herzen eines Doktors, der ihr nicht mehr bedeuten känn
win, seine Partnerin, beschränkt sich auf das stille,
als flüchtige Liebe. Sie verläßt ihn, da sie erkannt hat,
herzensweise, leid= und liebedurchtränkte Weib. Die
daß ihre Seele sich schon längst von seinem geradlinigen,
junge, darstellerisch außerordentlich begabte Luise Ullrich
etwas bürgerlichen Naturell abgewandt hat. Ein anderer
war ein lebensechtes Wiener Kind. Jede ihrer Hand¬
fällt ihr zu, der Sohn des Hauses, Eduard, eben mannbar
bewegungen, jede Modulation der Stimme drückte viel aus.
geworden, für den sie alles bedeutet. Aber auch das ist
Natürlicher Liebreiz gesellte sich zu kluger Gestaltung, so
flüchtiger Rausch der Sinne, denn kaum hingegeben, denkt
daß die schwer anzulegende Figur immer sympathisch blieb.
sie schon an den Leutnant, der sie in ihrer Provinzstadt
Tonio Riedl war ein feuriger, wirklich jugendlicher Lieb¬
erwartet, denkt an Traum und Glück der Zukunft — und
haber, stürmisch und das Hin= und Herpendeln zwischen
der Zurückbleibende, dessen Pubertätsdrama im Stück
Knaben und Mann trefflich andeutend. Auch die Herren
eine eigene Handlung darstellt, findet sich erst in der reinen
Homma, Olden und Xantho waren wohl am Platze.
Natur wieder, gleich seinem bedeutenderen Gegenspieler
Regie und Bühnenbilder klappten vollendet. Es war ein
bei der anderen Frau, dem Kaplan des Dorfes. Diese
Ehrenabend des Deutschen Volkstheaters.
Figur steht im Vordergrunde des ganzen Stückes, gottes¬
Dr. Paul A. Pisk.“
gläubig und dabei der Zweifel voll, demütig und sich doch