II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 124

31.
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m
ImSpiel der Sonderinefte
S
Mu-Mim

Bühne, Podium, weiße Wand
sucht, Franz Massareck, der vie Figur des Ka¬
plans leider zu sehr verschönlicht, Franz Arz¬
Österpremieren
dorf, der nur ein fescher Lentnant zu sein
im Frankfurter Neuen Theater.
brauchte, und Harry Iust in einer recht glaub¬
haften Charakterstudie. Tatjana Sais sei bei
1. Arthur Schnitzler: Im Spiel der
Gelegenheit dieses Stückes einmal bescheinigt, daß
Sommerlüfte.
sie auch aus den kleinsten Rollen eine Gestalt zu
W. Th.
machen weiß.
Dem dichterischen Vermögen Arhur Schnitzlers
und den früheren Bezeugungen seines Dichter¬
tums schuldet man Respekt. Aber das darf nicht
dazu verleiten, in ein so mattes Alterswerk wie
„Im Spiel der Sommerlüfte“ mehr hineinzusehen,
als beim besten Willen darin zu finden ist. Daß
eine alternde Frau sich aus Leben und die Be¬
gierde zum Erleben klammert, daß auch ein gott¬
geweihter Mensch seine Seelenkämpfe und Ver¬
suchungen durchzumachen hat, daß Jugend trieb¬
haft und bedenkenfrei ins Leben stürmt und daß
auch gefeierte Künstler recht alltägliche und egoi¬
stische Menschen sein können; mit diesen Tatsachen
der Erfahrung ist gewiß die innere Tragik des
Daseins, die Polarität von Leben und Tod, Liebe
und Kampf, Erfüllung und Verzicht zu beweisen.
Aber die Aufgabe des Dichters fängt erst an, wo
Arthür Schnitzler aufgehört hat. Nur wenn das
Bild des Lebens gültig und zwingend, wenn es
Abbild der Wirklichkeit wird, wenn also das All¬
tägliche nicht nur in seiner Bedeutung für die
handelnden Menschen dargestellt, sondern für
uns alle gedeutet erscheint, ist diese Auf¬
gabe gelöst. Vor dem Schnitzlerschen Drama wird
kein Zuschauer das Gefühl haben, daß seine
Sache gespielt wird. Dieser Einwand zielt so gut
auf das Künstlerische wie aufs Soziale. Nicht nur
die versunkene und verfinlende Welt des Vor¬
kriegsbürgertums, deren private Nöte und deren
Lebensgefühl uns nichts mehr angehen, erschwert
die Anteilnahme an der Handlung und den Men¬
schen dieses Spiels. Arthur Schnitzler ist es ein¬
fach nicht gelungen, jenes Interesse zu wecken,
das beim Einsatz echter künstlerischer Mittel im¬
mer herauskommt. Er hat das Stück Leben, das
aus seinem Spiel herausleuchten sollte, nicht zu
verdichten, zu gestalten und gütltig zu formulie¬
Dren vermocht. Man komme uns nicht mit der be¬
rühmten Schnitzlerschen Atmosphäre. Sie ist nicht
da. Statt dessen ein Versuch, die Baualitäten des
Daseins bedeutend und bedeutungsvoll erscheinen
zu lassen. Geladenheit der Situationen und Ge¬
halt der Worte vorzutäuschen, der an unfreiwillig
komischen Wirkungen nicht vorbeikommt. Zumal
er ganz äußerliche theatralische Mittel (das Ge¬
witter) zu Hilfe nehmen muß und schon dadurch
verstimmt.
Die Aufführung (Regie Arthur Hellmer)!
zeigte ein im Ganzen erfolgreiches Bemühen um
jenen Stil, in dessen Zeichen der echte Naturalis¬
mus — und mit ihm der echte Schnitzler — die
Bühne erobert hatte. Man chargierte allerdings
mitunter etwas stark auf den Lustspielton hin, der
nun einmal mit dem österreichischen Dialekt tra¬
ditionell verbunden ist (so Marianne Hoppe,
deren starkes Talent immer noch der nötigen Di¬
sziplinierung entbebrt, in der Rolle der Gusti
Pflegner). Ganz frei von solch gelegentlichen Ent¬
gleisungen war nur Lydia Busch, deren schau¬
spielerischer Intellekt sich wieder einmal in ganz
reiner Form bewähren konnte. In den männ¬
lichen Rollen: Karl Günther wie immer sehr
geschickt u. routiniert, Hanz Stelzer, der immer
mit erfreulich starkem Einsatz zu charakterisieren