II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 125

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31. Im Spielder Sonnerlnefte
Nr. 36
5.Belblatt
H. Went
iin Veriiner Kulturbune
Schnitzler
„Im Spiel der Sonimerlüfte“
samen Entladung, zu einer vernichtenden
In pietätvoller Erinnerung an Arthur
Katastrophe kommt. Ein echter Schnitzler, der
Schnitzler, den repxäsentativsten deutsch=jüdi¬
alles Harte, alles Laute, alles Explosive
schen Dramatiker, hat die Bühne des Kultur¬
meidet; der alle anschwellenden Wogen der
bundes zum Schluß der Spielzeit sein in
Leidenschaft behutsam beschwichtigt; ein
Berlin bisher noch nicht gespieltes Alterswerk
milder Seelenkünder von eigenstem Gepräge.
„Im Spiel der Sommerlüfte“ zur Aufführung
dessen individuelle Physiognomie sich auch
gebracht. Noch einmal klingen die sanften
nicht verleugnet, wenn etwa von Ibsen her
Melancholien einer Welt auf, in der unser ge¬
ein sanft anklägerischer Ton gegen die Lebens¬
härtetes Lebensgefühl sich nur schwer noch
lüge in sein fein abgestimmtes Orchester hin¬
zurechtfindet; noch einmal blicken wir in diese
einklingt.
Schnitzler=Welt mit ihrem müden Glanz,
ihren verhangenen Schleiern und ihrem
Die Regie Fritz Jeßners hatte mit
leisen Dämmerlicht. Auf „einsamem Wege“
Bedacht einen meist gedeckten, meist ge¬
begegnen wir Menschen, für die, wie für den
dämpften
Kammerspielton angeschlagen.
elegischen Lebensbetrachter Stefan von Sala,
Manchmal wurde, in zerdehnten Intervallen,
das Wort, das eben verklang, schon Erinne¬
vielleicht zu viel Stimmung gegeben; aber
rung geworden ist; der „Ruf des Lebens“
wenn irgendein Dramatiker, so verträgt
klingt noch einmal von draußen in diese
Schnitzler solche verschwebenden Lyrismen,
scheinbar still umfriedete Welt, und das „füße
die sich dann in den weichen Konturen seiner
Mädel“ blickt uns wieder an mit ihren lockend
Gestalten wie von selbst wieder auflösen.
verführerischen Augen und ihrer wehmütigen
Sehr fein und charakteristisch auch die
Grazie. Das Ganze aber nur ein Spiel, ein
Kostümierung, die sich in Schnitt und Farbe
leichtes, nur vorübergehend von Gewitter¬
dem lin=de=siéele=Kolorit des alten Oester¬
wolken getrübtes Spiel mit Schicksalen und
reich geschickt anpaßte. Um das wie immer
Menschen und wieder fragt der Herenmeister
ungemein saubere Bühnenbild Heinz Con¬
Paracelsus: „Was ist nicht Spiel, das wir auf
dells wehte die spätsommerliche Atmosphäre
Erden treiben?“
eines österreichischen Landhauses.
Alle Erdenschwere verweht in diesem
Auch die Schauspieler hatten sich offenbar
„Spiel der Sommerlüfte“, die doch schon den
mit Liebe und Eifer des Schnitzlerschen
nahenden Herbst ankündigen. Alles Seelen¬
Alterswerkes angenommen. In dem En¬
leid löst sich auf in eine still gefaßte, schmerz¬
semble durfte man als eine neue Kraft — wir
lose Resignation, in der man „ganz versteht,
sahen sie nur vor einem Jahre als Sittah in
was man erlebt, und ahnt, was man ver¬
Lessings „Nathan“ — Jenny Schaffer be¬
säumt hat". Und wie die kluge Bekennerin
grüßen, die früher am Staatstheater in Dres¬
solcher Lebensphilosophie, die alternde Frau
den wirkte, und die für die Bühne des Kultur¬
des ganz dem freudigen Diesseits zugewandten
bundes einen außerordentlichen Gewinn be¬
Bildhauers, selbst auf ein Glück verzichtet, das
deutet. Eine Schauspielerin von durchaus
sie über den engen häuslichen Kreis als
persönlichem Gesicht, ernst, intelligent, mit
Gattin und Mutter hinaustragen und einem
einem in allen Tonlagen klingenden Organ,
feelenverwandten Geistlichen in die Arme
überaus sicher in Bewegung und Spiel, gab
führen könnte, so muß auch der Geistliche, als
sie der Gattin des Bildhauers Haltung und
Mann höherer Pflichten, dem sündhaften Ge¬
Beseeltheit der gereiften Frau, die ihr Schick¬
danken entsagen, daß ihm bei ihr „heimat¬
sal in der Ehe und als Mutter im ruhigen
licher, geborgener zumute war als auf den
Bewußtsein der ihr auferlegten Pflichten
Stufen des Altars“. Entsagen muß aber auch
trägt = mit einem liebevollen und gütigen
die Jugend, die dem flüchtigen Augenblick so
Verständnis für die Nöte und Schwächen der
gern Dauer verleihen möchte, und mit um¬
anderen. Ebenfalls neu war in dieser Auf¬
florten Auge sieht der junge Arzt, mit dem er¬
führung Heinz Friedeberg (aus der
stannten Trotz des Siebzehnjährigen sieht der
Schule von Ilka Grüning), der den jugend¬
Sohn des Bildhauers die junge Gusti wie
lichen Eduard zwar mimisch noch zu stark be¬
einen Schmetterling in die Welt hinaus¬
tont, aber mit einer jungenhaft=charakteristi¬
flattern, in der es auch für sie noch manchen
schen Schlacksigkeit spielte und im plötzlichen
Verzicht unter Tränen geben wird.
Ausbruch der Pubertätskrise ein natürliches,
echtes Empfinden verriet; ferner Walter
So wird alles in diesem melancholisch¬
Hertner dessen sprödes Naturell mit dem
spätsommerlichen Spiel nur von innen be¬
lyrisch=sentimentalen jungen Arzt und ent¬
wegt, und die Konflikte, die fast von jeder
lassenen Liebhaber offenbar in Widerstreit lag,
einzelnen Figur des Stückes nach außen ge¬
und von dem man weitere Proben seines
tragen werden und sich in eine dramatische
Könnens wird abwarten müssen. Von den be¬
Handlung umsetzen könnten, bleiben feelische
Spannungen, ohne daß es zu einer gewalt= reits vielfach bewährten Kräften spielte Fritz
Von links nach rechts:
Martin Brandt, Mira Rosowsky, Jenny Schaffer
und Walter Hertner
Fot. Herbert Sonnenfeld, Fotodienst Kiko
2

der Aus
Wisten den Professor und Bildhauer in der
keit der
Schnitzler=Maske eines leichtsinnigen, genieße¬
haben, a
rischen Melancholikers, der behaglich seine
Verbind#
Virginia raucht und seine kleinen Seiten¬
der jüdi
sprünge offenbar für eine durchaus erlaubte
die fünf
Lebensform hält. Martin Brandt hatte
die bung
als Kaplan endlich einmal Gelegenheit, sich
gleich e
geschalte
in einer „sympathischen“ Rolle zu zeigen; er
ein einh
gab sich einfach, stark, überzeugend in den Ge¬
und
wissensnöten und Zweifeln, die diesen moder¬
Lampens
neren Nachfahren von Anzengrubers „Pfarrer
Bücher,
von Kirchfeld“ aus dem seelischen Gleich¬
was ma
gewicht zu werfen drohen. Scharmant und
übersicht
verführerisch, wenn auch zu farblos in der
und ung
steller sah
spezifisch österreichischen Note, der Leutnant
daß er
Holl von Ernst Lenart. Als echtes Talent
Interesse
von graziöser Ursprünglichkeit und unverbil¬
sind nich
deter Frische, wie wir es zuletzt wieder in
passanten
Shakespeares „Was Ihr wollt“ kennengelernt
fühlten
haben, erwies sich auch diesmal Mira Ro¬
traut,
sowski in der Rolle der Gusti.
Das Publikum gab durch lebhafte Beifalls¬
äußerungen zu erkennen, daß es auch für see¬
lische Delikatessen auf der Bühne vollauf emp¬
Dr. Hugo Lachmanski.
fänglich ist.
Ein Tag
für die jüdische Frau
Veranstaltung der Jüdischen, Künstlerhilfe.
Wie kann man liebenswürdiger empfangen
werden, als mit einem Blumensträußchen! Oben,
auf dem letzten Treppenabsatz stehen zwei mächtige
Blumenkörbe, davor zwei frische Jungen, und die
Lucy (
überreichen den ankommenden Damen den Gruß
aufführe
von einem jüdischen Landgut. Es sind stark duf¬
fangenh
tende Nelken und bunte Astern. Sicherlich ist es
ihr Verdienst, daß man schon vor den Eingangs¬
Als
türen zu den Sälen lauter vergnügte Gesichter
Mamme
sieht.
unter.
rion 10
Bruno Woyda hält die Eröffnungsansprache
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