II, Theaterstücke 31, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 135

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31. Im. Spielder Sonnerluefte
25. August 1934
GEMEINDEBLATT
die Macht eines Schlagwortes. Und doch ist auch das
higer Oberfläche die verschiedenen Strömungen des
Haftara zu ki teze
(Jesaia 54, 1—10)
eine Einseitigkeit wie alles Schlagwortartige. Denn neben
nebenemander und auch durcheinander wogen.
(1) Jubele, Unfruchtbare, die nicht geboren,
den Kräften des Empfindens sind dem Menschen Kräfte
Grund dieser Auffassung darf ein Zwiefaches be¬
in jauchzenden Jubel brich aus, die nicht
des Denkens gegeben, die nicht ausgeschaltet werden
werden. Erstens, daß nie eine Zeit kommen wird,
gekreißt!
können. Da es eine doppelte Wahrheit nicht gibt, wird
die verschiedenen Kulturreligionen vom geschicht¬
Denn mehr werden sein der Einsamen Söhne
der Glaubensinhalt einer Religion der Zukunft so be¬
Schauplatz verschwinden werden, wie niemals eine
als der Vermählten. Spricht der Ewige.
schaffen sein müssen, daß er vor dem Urteil besonnen
mmen wird, in der die Völker trotz aller An¬
(2) Weit dehne deines Zeltes Raum,
wägender Vernunft wird bestehen können. Gewiß wird auch
g ihre nationale Eigenart und kulturelle Besonderhen
und deiner Wohnstatt Decken breite hin,
in der Religion der Zukunft das Dogma nicht eine über¬
nwerden. Wie die vielen verschiedenen Sprachen
spare nicht.
wundene Lehre sein, aber es wird den Wert einer bloß
Mache lang deine Taue
alisierte Ausdrucksformen des allmenschlichen logi¬
und fest deie Pflöcke.
subjektiven Glaubenslehre haben. „Ein gesunder Mensch
Jenkens, so sind die verschiedenen geschichtlichen
(3) Denn nach rechts und nach links sollst du
braucht beides: Glauben und Denken. Wo sich der Glaube
en individualisierte Ausdrucksmittel und Erschei¬
ausbrechen.
behaupten zu können meint, ohne das Denken von sich
rmen der einen religiösen Idee, die in allen Be¬
Deine Nachkommen werden Länder besetzen
wissen zu machen, da muß auf die Dauer entweder der
sen und Riten in verschiedenen Farbenstrahlungen
Und verlassene Städte besiedeln.
(4) Fürchte dich nicht; denn du wirst nicht zu¬
t. In diesem Sinne hat Imanuel Kant geäußert:
Glaube erstarren oder das Denken verkümmern. Um der
schanden.
bt keine Verschiedenheit der Religionen, so wenig
Ganzheit des Menschen willen dürfen also Glauben und
Sei nicht beschämt; denn du wirst nicht ent¬
eine Verschiedenheit der Moralen gibt; es kann wohl
Denken einander nicht fremd bleiben.““)
täuscht.
dene (historische) Glaubensformen geben, aber nur
Denn die Schande deiner Jugend wirst du
vergessen
zige für alle Menschen und für alle Zeiten gültige
*) Franz Rosenzweig, Zweistromland, Seite 198.
und deiner Witwenschaft Schmach nicht mehr
1. Das erinnert an ein Wort, das der letzte der
Ein reiner Gottesglaube, der vom Gemüt die erwärmende
gedenken.
und von der Vernunft die erhellende, aufklärende Kraft
chen Propheten gekündet hat: „Vom Aufgang der
(5) Denn dein Gemahl ist dein Schöpfer,
empfängt, der zugleich als bestimmender Beweggrund sozial¬
bis zu ihrem Untergange ist groß mein Name unter
Ewiger der Heere sein Name
sittlicher Lebensauffassung und Lebensgestaltung wirksam
Und dein Erlöser Israels Heiliger,
olkern und allerorten wird meinem Namen reine
wird, das ist die Religion, die den Anstürmen und Er¬
Gott der ganzen Erde geheißen.
abe dargebracht, denn groß ist mein Name, spricht
schütterungen zukünftiger Umwälzungen und Neugestaltun¬
Ja, wie ein verlassen Weib,
gen am stärksten wird widerstehen können. Das aber ist
rr der Heerscharen.“
ein in der Seele verstörtes, ruft dich der
geläutertes Judentum, dessen Überlegenheit gegeben ist in
hen Sonderbeitrag zur Religion der Zukunft unser
Ewige.
der Vernunftgemäßheit seiner Glaubenslehren und in der
s Vatererbe zu leisten hat, darüber noch eine Schluh¬
Doch das Weib der Jugend — nimmer wird
Wirklichkeitsgemäßheit seiner Sittlichkeits- und Heiligungs¬
es verschmäht,
tung.
lehren. In diesem Zusammenstimmen von Vernunft und
spricht dein Gott.
Schleiermacher im Jahre 1799 seine Reden
Gemüt ist die Zukunft unseres geistigen Vätererbes ver¬
(7) Einen kurzen Augenblick verließ ich dich,
bürgt, darauf gründet sich die Daseinsnotwendigkeit des
die Religion an die Gebildeten unter ihren Ver¬
doch mit ewigem Erbarmen umfange ich dich.
Judentums und die Gewißheit, daß es Ewigkeitswert hat.
veröffentlichte, ist die Bedeutung des Gemüts¬
(8) Im überwallenden Zorn barg ich mein Antlitz
Darauf stützt sich die Hoffnung unserer Bekennergemein¬
vor dir einen Augenblick,
als Quellpunkt aller bescelt religiösen Außerungen
schaft seit den Tagen des Secharja, daß einst der Ewige
Aber in ewiger Gnade erbarm' ich mich dein,
gensatz zur Vernunftreligion immer stärker betont
König sein werde über die ganze Erde, der Ewige einzig
Sprickt dem Erbarmer, der Ewige.
und sein Name einzig!
In unserer Zeit hat das „Irrationale geradezu
Wie die Wasser des Noah ist mir dies:
Wie ich geschworen, daß nicht mehr fluten
Des Noah Wasser über die Erde,
Artnur Schnitzlers Epllog
So schwöre ich, dir nicht mehr zu zürnen,
Noch je dir zu dräuen.
keine in wilden Entladungen hinprasselnde Tragödie, es ist
Kulturbund deutscher Juden in Berlin beschließt die
(10) Mögen die Berge weichen
ein leises Spiel, bei dem sich der Schicksalsknoten fast
seines ersten Jahres, indem er eine dramatische
und die Hügel wanken,
unmerklich schürzt und mit einem schmerzlichen Lächeln
von Arthur Schnitzler zur Aufführung
Doch meine Gnade von dir soll nicht weichen
wieder aufgelöst wird.
Und zwar ist es die letzte Bühnendichtung des
Und der Bund meines Friedens nicht wanken,
Ein Spiel, ein melancholisches Spiel, das ist im Grunde
Autors, es ist sein in Berlin bisher noch nicht
Spricht dein Erbarmer, der Ewige.
Schnitzlers Werk immer gewesen. Seine früheste Schöpfung
es ernstes Spiel, betitelt „Im Spiel der Som¬
dramatischer Form, wenigstens die früheste von selbständiger
üfte“. In dieser Aufführung mag man zuerst einen
Lebenskraft, waren ja die Szenen des „Anatol“. Dieser
er Pietät sehen, die dem bedeutendsten deutschen
blickt — und der schließlich doch zu seiner eigentlichen
junge Wiener Lebemann, der von einem Abenteuer zum
jüdischer Abstammung bewiesen wird, der am
Lebensgefährtin zurückfindet. Da ist diese Frau, an der
anderen, aber eigentlich auch immer von einer Enttäuschung
lischen Leben der letzten Epoche beteiligt war.
Schwelle des Alters, in der sich aber noch alle Jugend¬
zur anderen eilt, ist die am meisten typische Figur, die
ächlich neigen nämlich sowohl die Gegner wie die
kraft schnsüchtig regt, und die sich fast einem anderen zu¬
Schnitzler geschaffen hat; und er charakterisiert sich selbst
liger des Judentums dazu, den Anteil der Juden
neigt, um dann doch in dem stets gelicbten Manne ihren
mit den Worten: „Ein leichtsinniger Melancho¬
dramatischen Produktion in dem Deutschland der
Halt zu finden. Da ist der Sohn der beiden, der Siebzehn¬
#liker“. Und das kennzeichnet allerdings vorzüglich das
hrhundertswende sehr zu überschätzen. Ein genaues
jährige, der Knabe im ersten Abenteuer des Lebens und
Wesen des höheren Bürgertums am 19. Jahrhundertsende.
enaber ergibt, daß Arthur Schnitzler in diesem
der Liebe. Und da ist jene Nichte, das junge Mädchen,
Es ist die Welt, der ihre reichen Mittel schal werden,
en Zeitraum der einzige Dichter jüdischer Ab¬
das Schauspielerin wird, die mit leicht entzündbarer Phan¬
weil sie keinen Glauben mehr hat, weil sie kein Ziel sicht,
war, der nicht mit ein oder dem anderen Werk,
tasie und ohne viel Hemmung sich wechselnd den Männer
für das sie ihre Kräfte einsetzen kann, weil ihr alles zum
nmit der ganzen Folge seiner Produktion mehr als
zuneigt, und die doch einen Hait, eine innere Sicherheit an
Spiel wird. Schnitzler zeichnet dieses Wesen mit der ganzen
serteljahrhundert lang die deutschen Bühnen be¬
dem Ehrgeiz findet, der sie mit vernünftigem Pflichtbewußt¬
spielerischen Anmut der Stadt Wien, in der er geboren
gte und eine wirkliche Bedeutung für die Bildung des
sein in ihren Beruf reißt. Aber da sind noch zwei: zwei
war und der er zu innerst angehörte. Aber dah er den
ndeutschen Repertoires in diesem Zeitraum hatte.
Brüder aus jenen Bezirken, die Schnitzlers Phantasie so oft
Mangel dieser zerspielten Welt mit so melancholischer
zu allerletzt, in der Zeit nach dem Kriege, hörten
umspielt hat, weil sie bei sonst völlig entgegengesetzter Art
Heftigkeit empfindet, das hat wohl mit seinem Judentum
die späten Stücke Arthur Schnitzlers auf, ein selbst¬
doch beides Bereiche der strengsten Bindung sind: Priester
zu tun. Denn dem Juden bleibt, auch wenn er einer ganz
dlicher und allgemeiner Bestandteil des deutschen
ist der eine, Offizier der andere. Das ritterliche Spiel des
glaubenslosen Zeit und Umwelt angehört, von seiner großen
spielplaus zu sein; seine letzten Dramen sind zwar
Duells bedroht das Leben des Soldaten; eine aufkeimende
Tradition her zum mindesten noch jene Unruhe im Blut,
alle in Wien, aber im Reich nur noch vereinzelt zur
Leidenschaft senkt Zweifel und Gefahr inneren Verfalls in
die ein innerliches Vermissen des Glaubens, eine Trauer
hrung gelangt. Bei der Bedeutung aber, die Arthur
die Brust des Priesters. — Aber im Spiel der Sommerlüfte
über seinen Verlust bedeutet.
zler als künstlerischer Repräsentant seiner Epoche be¬
geht die Gefahr verülm, an den beicten und an all diesen
In sehr vielen Variationen, von der „Liebelei“ über den
und bei der, wie gesagt, einzigartigen Bedeutung, die
Wenschen. Alle entscheidenden Krisen bleiben unausge¬
„Parazelsus und den „Grünen Kakadu“ zum „Einsamen
erade als Juden innerhalb des deutschen Bühnen¬
sprochen; eine schmerzliche Selbstüberwindung, ein lächeln¬
Schnitziet das
K