II, Theaterstücke 30, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 9

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30. Der Gang-zum Reiher
indessen sind an der Grenze die Gewehre losgegan= im siebenten Jahr der Republik Oesterreich das verleugnen können, genau wie die alte Gesellschaft
gen, der Krieg ist da, und sein Rausch ergreift selbst
Repertoire des Burgtheaters durch die Nachkom¬
zuletzt aber doch nicht vom Weg abgehen; und
den Kanzler. Auch des Kanzlers Tochter. Ver= menschaft dieses Grafen Neipperg und einige ihrer
daß die alte Gesellschaft auch nicht zu kurz kommt.
geblich hat ein Freund des Kanzlers, der alternde Anverwandten bestimmt werden kann? Frau Ida
macht eben die siegreiche Lustspiel=Gerechtigkeit des
ist in
Dichter Sylvester Thorn, den einst Leonildas Liebe
Roland ist eine verheiratete Gräfin Condenhove.
Stückes aus, das am Deutschen Volkstheater sehr
umschwärmte, nun um ihre Hand angehalten, Weib
g wie
Es scheint, daß sich die Gräfin gegen die Künst¬
sein gespielt wird. Bei Reinhardt gab es, immer
Span¬
und Kind verlassend. Leonilda wird dem Sohn
lerin gewinnen ließ.
noch in Abwesenheit des Herrn, über die sogar
Buch des Marschalls, der gebietenden Stunde, der Ju¬
ein Couplet witzelte, ein Stück nach Nestroy=Mo¬
haus= gend gehören, Sylvester Thorn ertränkt sich in dem
Die jüngsten Zeiten haben zwei großen=Ope=Ltiven von Egon Friedell und Hans Sa߬
An las¬
gleichen verborgenen Weiher, zu dem sich in frühe¬
retten=Premieren gehört, die Wien unmit=smann „Alles oder Nichts oder Der
Freig¬
ren Tagen Leonilda des Nachts oft schlich, um mit
telbar vor Ostern und vor dem Burgtheaterfest! Traum von Kern und Schale", ein Lustspiel wirk¬
s un¬
den Nixen um die Wette in kühle, mondbeschienene
nicht wenig aufregten. Das Johann Strauß= lich ganz in der Nestroy=Art, wenigstens anschei¬
Burg¬
Fluten zu tauchen. Verherrlichung der Tat also?
nend, also völlig auf Schauspielerei gestellt, und
Theater brachte „Die spanische Nachtigall“ von Leo
Denn
Es müßte kein Stück von Schnitzler sein, stände
Fall heraus, einen Berliner Triumph der Massary,
da waren denn alle vier Thimigs zu sehen, Vater
nicht der Zweifel am Ende: die Resignation des
sein.
hier aber noch unbekannt, so recht die Berliner
Hugo, die Tochter Helene als reizender= Volksstück¬
Stück
gestaltenden Poeten, der ja zuletzt doch seinem
Operette, Text von Schanzer und Welisch, wie bei
Tambour und die beiden so begabten Söhne Her¬
Land¬
Sylvester Thorn recht gibt, den Künstler siegen
der „Teresina“ von Oskar Straus, die ja nun
mann und Hans. Außerdem war eine Glanzrolle
bstes,
läßt, in einer nahen Zeit triumphieren, wenn der
für Dagny Servaes da, die urwienerische, mit
auch nach Wien gekommen ist. Gleichfalls nicht
itzler
kriegerischen Ruhm rasch verflogen sein wird.
Wien völlig verwachsene Tochter des Erzberliners
mit der Massary, die ja leider für Wiener Hono¬
auch
Vielleicht findet, wie man ihm vorwirft, der
rare nicht erreichbar zu sein scheint. Aber Lonise
Franz Servaes. Das Stück beherrscht das Reper¬
mels
mehr als 60jährige Dichter Schnitzler kein völlig
Kartousch ist eine lustige Teresina und Rita Georg,
toire, und Mar Reinhardt bleibt weiterhin in der
schon
neues Motiv mehr. Sicherlich aber ist ihm ein
Ferne.
eine junge Operettensängerin, eine ganz samose
aufzu¬
neues Werk, wenngleich etwa aus den alten Mo¬
spanische Nachtigall. Die Musik von Leo Fall ge¬
tiven zusammengesetzt, durchaus und aufs schönste
hört zu dem Besten, Inspiriertesten, was er je
Eine Sonntagsmatinee am Raimund=Theater
und
gelungen. Es sind seherische Verse darin, und es
geschrieben hat. Mit unerhörter Pracht wurde die
machte mit Klaus Manns Theaterstück „Anja
roßen
ist eine Fülle der Gesichte, die, immer wieder, zum
andere große Premiere, die der „Zirkusprinzessin“
und Esther“ bekannt. Dieses Milieu des Land¬
anch¬
Rückblick auf ein Lebenswerk leitet, dessen Reich¬
von Kälmän inszeniert: Direktor Marischka über¬
erziehungsheims, der äußeren und inneren Unreise
tum unser ist.
ner¬
bot sich selbst, und ganz besonders auch als Schau¬
und Gewolltheit hätte vielleicht zu Widerspruch
einst
Wo also wird dieses Drama zuerst aufgeführt?
spieler und Sänger. Die Werke von Fall und
gereizt, spräche nicht doch aus dieser Jugenddiktion
und
Kälmän sehen langen Serienaufführungen ent¬
die Jugend und eine sicherlich vorhandene, sonst
aber
Mit dem Burgtheater=Jubiläum, der Geschichte
gegen.
freilich noch nicht meßbare Begabung. Für mich
ndgut
von hundertfünszig Jahren, haben wir uns hier
war, ich bekenne es, aber gar nicht so sehr das
hlten
bereits befaßt. Franz Herterich ist auf dem berühm¬
In den übrigen Theatern? Pfitzner diri¬
Stück vorhanden wie das Spiel und die Genera¬
Toch¬
ten Weg der österreichischen Provisorien tatsächlich
gierte den „Palestrina“ und eine Reprise der „Rose
tion, die es zeigte: doch schon die nächste Gene¬
nder
noch und wieder Direktor, und da es doch am
vom Liebesgarten“ in der Oper, sehr herzlich ge¬
ration, der Sohn Thomas Manns als Dichter, die
Ich ge¬
Burgtheater immer eine „Affäre“ geben muß, gibt
seiert. Der Erfolg von Zuckmayer= Rheinland¬
Tochter Thomas Manns, Erika, als die eine der #
ingen.
es zur Jubiläumszeit eben eine andere. Das
stück „Der fröhliche Weinberg“ bestätigte
beiden Schauspielerinnen, Pamela Wedekind,
r der
Burgtheater wollte mit Ida Roland den Aiglon
sich am Raimund=Theater, ohne daß es zu irgend¬
Frank Wedekinds Tochter, als die andere. Warum
gern,
von Rostand in der Bearbeitung von Klabund auf¬
welchen Störungen gekommen wäre. Zwei fran¬
das alles mich so sehr ergriff, wüßte ich vielleicht
bieten.
führen. Als man unmittelbar vor der Aufführung
zösische Stücke wiederholten ihren Pariser Er¬
gar nicht zu sagen, obwohl die beiden jungen Da¬
zwi¬
stand, besannen sich einige Pächter der österreichi¬
i folg, „Marie oder auf sanfte Art“ von Roger¬
men sicherlich ein mehr als respektables Talent
Offis
schen Vergangenheit darauf, daß eine solche Auf¬
Marx, deutsch von Bertha Zuckerkandel, ein Luft¬
und starkes Können zeigten Genug an dem, man ##
arten, führung am Burgtheater Gefühle und Gesühlchen
spielsieg der Bürgerlichkeit, Sieg über eine Frau,
fühlte sich auch den Menschen zugehörig, die, ein
hnten
verletzen könnte. Befremdet fragt man sich, wo¬
die bloß Kollegin, Malerkollegin des Mannes und
Vierteljahrhundert jünger, nun nachrücken. Und #
In der
durch. Kaiser Franz kommt bei Rostand gar nicht
ein schrecklicher Traumichnicht ist; und dann „Die
daß wir, diese zwei Generationen, von einander
einen
so schlecht weg; andere österreichische Dinge erst
neuen Herren“ von Robert de Flers und François
dennoch wissen und einander nahe sind, nicht wie
,ver= recht nicht. Nur Graf Neipperg gilt dort aller¬
de Croisset. Die neuen Herren sind die Revolu¬
das sonst bei unmittelbar aufeinanderfolgenden
feind= dings nicht als vollwertiger Nachfolger eines Na¬
tionäre vom Syndikat, Menschen wie andere auch,
der Fall ist, völlig fern und durchaus feind, ist viel¬
aber poleon. Sollte man es für möglich halten, daß die einer Frau zuliebe manchmal auch Prinzipien] leicht doch ein gutes Zeichen.