II, Theaterstücke 30, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 17

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HERAUSGEBER: FRANZ GOLDSTEIN.
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un Winrec n Prokonhieneonn ne ie Wol nn Poe un un nnalt 1926
Da der männliche Geist im bedeutendsten Augenblick in
allen seinen Grundformen gezeigt ist, drängt sich die Frage auf,
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wie sich die weibliche Seele darstellen werde. Die Er¬
Zühi Welller
ang
scheinungen, in denen die geistige Eigenart des Weibes sich dem
Bewußtsein der Gesamtheit eingeprägt hat, sind Hexe, Seherin,
Zauberin, Nixe und Fee. Es hebt das Wesen des Weibes in die
neueste Drama von Arthur Schnitzter.
Klarheit des Bildes, daß diesen wunderlichen Gestalten ein Zug
gemeinsam ist: alle vermögen die Umwelt zu wandeln durch
Von Viola Gabriele Schlesinger.
überirdische, dem Begreifen oder Nachbilden entrückte Ein¬
flüsse. Sie unterscheiden sich von einander dadurch, daß sie
Mit jedem Gedanken, jedem Begebnis, von denen die
Ueberlegung scheint den
getrennten Reichen der Phantasie eingeorduet sind, oder inner¬
Menschheit bewegt wird, haben sich diese vier Grundformen des
Macht über die Dinge zu
halb desselben Reiches verschiedene Elemente bewohnen, je
Geistes, wenn auch von der unendlichen Mannigfaltigkeit der
tigen, wenn das volle Licht,
nachdem diese Wesen als Menschen oder als Geister der Erde,
Einzelwesen verborgen, auselnanderzusetzen,, es gibt keine
auf gerichtet ist. Dennoch
des Wassers oder der Luft gedacht sind. Auf diesem Gebiete
anderen. Es gibt ein Drama, das die vier Urtypen durch ein
er. Weltgeschichte genannt.
spielt der Mann als Zauberer, Nix oder Kobold die untergeord¬
ungeheures Ereignis, den Ausbruch eines großen Krieges, zur
Höslicher Verwirrung, des
nete Rolle die in der Wirklichkeit den gelehrten oder kunst¬
Offenbarung ihres Wesens zwingt. Man könnte es darum eine
die Möglichkeiten der Ver¬
begabten Frauen zugewiesen ist, selbst als Elfenkönig hat er von
Auseinandersetzung des menschlichen Geistes mit den. Kriege
egeben. Der Widerspruch
seiner Königin und ihren munteren Gesellen allerlei Schabernack
nennen. Es heißt „Der Gang zum Weiher“, Arthur Schnitzler
nd dem, was ist und sein
zu erleiden, wie er ihm auf seiner festen Erde bekanntlich nur
hat es geschaffen. Der Anfang zeigt das Herannahen des
äunenswert. Es muß zu¬
ausnahmsweise zum Ergötzen seiner Geschlechtsgenossen bei.
Krieges. Dieses Geschehen. von Zeitgenossen und Landsleuten
enschheit eine Entwicklung
gegnet. Das Reich des weiblichen Geistes ist also dem Bilder¬
des Dichters furchtbar gelebt, ist in die Mitte des achtzehnten
t zu leugnen, daß die Art,
schatz der Menschheit als schauriges nud liebliches Zwischen¬
Jahrhunderts zurückversetzt, in eine Zeit, da schon Gedanken
welt aufnimmt, seit den
land von Welt und Ueberwelt eingezeichnet. Das Drama, das
t bis auf den Tag. Der
der Gegenwart denkbar waren. Die Landschaft, die Menschen
diese Gedanken wachruft, läßt uns die ewigen Abbilder des weib¬
ist in den Fernen der Be¬
dieses Dramas sind ihrer Natur nach deutsch. Mit der Kraft
lichen Geistes innerhalb der Menschenwelt gar anmutig lebendig
wei Hauptrichtungen seines
der Zeichnung begnügt sich der Dichter, vermeidet mit hoher
werden. Leonilda, die den unverstandenen Stimmen der Natur
nge nach dem Bilde zu ge¬
Weisheit, den Namen des Landes auf dem Perschenzettel zu ver¬
folgend im Weiher untertaucht, wird von dem Geliebten, der sie
oder sein Streben ist, ihr
melden. Durch diese bedeutende Ordnung der Fremdheit längst
weiß und schön der nächtlichen Flut entsteigen sah, scherzend
de nachzuschaffen, er ist
versunkenen Lebens wie der Verwirrung allzu naher Ver¬
Nixe genannt: ein Scherz, den sie zurückweist, denn sie ist ein
staltung kann er vollzichen.
gangenheit gleichermaßen entrückt, vermag er den gelebten
Mensch wie er, nichts anderes. Die unvermählte Schwester des
ebereinstimmung mit ihrem
Augenblick mit unheimlicher Gewalt heraufzubeschwören. Der
Freiherrn, die ihr ahnungvolfes Durchschauen eigenen und
Tätigkeit zu leiten sucht, so
Freiherr von Mayenau, chemals Kanzler und Frcund des regie¬
fremden Wesens von der Liebe abhielt, hätte in alter Zeit wohl
n Sinne, der Gesetzgeber,
renden Kaisers, eines unsichtbar bedeutenden Mitspielers,
für eine Seherin gegolten. Die Sängerin, die unsichtbare Mit¬
F.
Kaufmann, aber auch der
diktiert seine Erinnerungen. Von seiner unvermählten Schwester
spielerin, gehört zu den Frauen, denen allein der Mann im
ien mit dem seiner Welt in
Anselma erfährt er, daß seine jugendliche, zum Weibe sich ent¬
Reiche des Geistes gleichen Wert zugesteht. Die darstellende
er Typus seil kurz und gut
faltende Tochter Lconilda in schwülen Sommernächten heimlich
Künstlerin beginnt als ein deutliches Bild in der Geschichte des
ndas Werk ist ihm wesent¬
aus dem Park entweicht und in einem herrlich klaren Waldweiner
menschlichen Geistes zu erscheinen, wenn auch diese Umri߬
ein möglichst treues Welt¬
untertaucht. Kommt sie wieder in ihrer zarten Schönhei“ ans
linien durch die geringe Weite von wenig mehr als einem Jahr¬
Land, drcht sie sich in närrisch mäghenhaftem Spiel um einen
hundert noch mit trügerischer Lebendigkeit zu uns herüber¬
vergessenen Opferstein der Urzeill Der Freiherr weiß, daß
Bild der Dinge in sich, das
schimmern.
niemand die längst überwachsene Pforte und den einzigen Pfad
Gewalt notwendig wäre, die
Der Dichter begehrt Leonilda zur Frau. Der Freiherr,
zum Weiher kennt. Das Wesen seines Geistes ist, Lebendiges
ter ein Krieger: doch kann
keineswegs entzückt von der Werbung des Genossen einer
nach eingeborenem Gesetz zur Entialtung zu führen: er ver¬
rug, Fälschung, Lüge, Ver.
wilden Jugend, macht zur Bedingung, daß dieser seinen Ent¬
bietet, daß Leonilda in ihrem Tun beirrt werde. Ein Dichter,
a sogar die Heere ersetzen.
schluß prüft, indem er zunächst zu der früh Geliebten heimkehrt.
Jugendfreund des Freiherrn, seiner landfremden Abkunft halber
Fesentlich fremd, er ist illu¬
In der Sommernacht sicht Mayenau die lichte Gestilt seiner
in der Heimat angefeindet, wird aus viel durchwanderter Fremde
jegen darin die der Außen¬
Tochter auf ihrem Gang zum Weiher. In der gleichen Nacht
erwartet. Der Sckretär, ein Denker nah jener schmalen Grenze.
bit mit unheimlicher Schärfe,
bringt ihm Konrad ein kaiserliches Schreiben: die Berufung an
die Vernunft und Wahnsinn scheidet, ist aufmerksam und still
enheiten entgeht ihm. Daran
den Hof. Die Freundschaft des Monarchen, die Möglichkeit“
bei seinem Dienst. Im Dorfe werden Gerüchte vom Ausbruche
ohl aber als Regent und
unabschlichen Wirkens ist ihm wiedergegeben, beim Nahen „be
des Krieges verbreitet und geglaubt. Der vereinsamte Staats¬
dessen Weltbild ungewöhn¬
denklicher Entscheidung“ ihm kostbarer denn je. Dem jungen
Wort „hinaufgelangt, er hätte
mann dagegen und die Menschen, die er in die Firnenklarheit
Offizier, der ihn vom Kampf um den Frieden abzuhalten sucht.
r nicht als Proberer. Einem
seines rückblickenden Daseins bannt, sind von der bewegten
erwidert er mit Worten, die für diesen, wie zu besergen ist,
krieg aufgezwungen werden,
Stunde nur tiefer in das eigene Ich zurückgescheucht. Der allzu
immerwährenden Kampf unzerstörbare Geltung haben:
rKrieger. Die großen Welt¬
kluge Vater und die dem Leben entgegen glühende Tochter
„Verrucht ein Herz.
er, ihre Reiche waren Ein¬
sprechen von dem erwarteten Dichter. Ungemeldet erscheint
Das vor bedenklicher Entscheidung nicht —
ilitärstaaten wurden beim
Konrad von Ursenbeck, einundzwanzig alt, Hauptmann in Feld¬
Oh, nicht um sich, um tausend andre Herzen.
achtungsvermögen und der
uniform. Er kommt vom Heer an der Grenze, dessen Kommar
Um brüderlich unschuld'ge zitterte!
dant sein Vater ist, er hat Auftrag, vom Kaiser Beichl zum An¬
kübt. Aber der Geist der
Armsel'ger Sinn, der nicht — auf die Gefahr.
grift zu jordern, der Freiherr soll sein Gesuch unterstützen. In
geben waren, Kräfte, die im
Feig zu erscheinen — noch das Letzte wagte.
seinem Gespräch mit dem Staatsmann jagen alle Geister des
blieben unentdecktes Gehiet,
Ein drohendes Verhängnis abzuwenden.
bßen Krieg die Entscheidung
heraufziehenden Krieges vorüber. Zwischen diese beiden Gegen¬
Der weit vorschauende Mann fürchtet, der Jüngling könne,
sätze tritt nun Sylvester Thoin, der lang erwartete Dichter.
zum Hcere zurückgeeilt, den Lauf der Begebenheiten über¬
Feindschaft, die er in der vertrauten Fremde seinem Vaterland
ers haben das Gemeinsame,
stürzen, mit dem Ansehen des Kanzlers verwehrt er ihm das
erwachsen sah, weckte ihm das Gefühl der Zugehörigkeit zum
s das äußere Leben empfun¬
Schloß zu verlassen. Konrad, der vom tollen Ritte glüht, mehr
eigenen Volke. Da alles ungewiß wurde, geht er daran, sein
achbildners dagegen, Denker
noch von Drang und Gebundenheit der Stunde, sicht den Weiher
Dasein fester zu umfrieden, er hat ein Haus erworben und will
it stärker als ihr Selbst und
als Erinnerungsbild vor sich aufsteigen, den er nah im Park
die früh geliebte dunkelhaarige Sängerin zu seiner Gattin
n, indem sie ihn nachbilden.
wähnt:
im
machen, eine unsichtbar lebendige Mitspielerin auch sic.
is der Umwelt zu erforschen
Quellklares Wasser, wiesengrün umrandet,
geistigen Bilde, das Lconilda aus Kindertagen sich von ihm be¬
ifen, für ihn handelt es sich
Durchsichtig bis zum kieselblauen Grund.
wahrte, glaubt er sein Wesen zu schauen. Von ihr erwartet
stimmung mit der Wirklich¬
er, zu seinem wahren Selbst geführt zu werden.
Der Freiherr glaubt, den Jüngling täusche das Gedächtnis:
chkeit nachbilden, wie er sie
im Begriff, die für sein Leben entscheidende Reise anzutreten,
enstand. Er mag das Lehen
Die ungeheuer einsetzende Erschütterung der Umwelt läßt
hat er für die Zurückbleibenden kaum einen Gedanken. Ein
das Weltbild, nach dem er
ihn tiefer denn je sich ins eigene Ich versenken. Während des Ungefähr der Worte gemahnt ihn der Tochter, des uner wünschten
Kriegers. Diese geistige Ver¬
großen Krieges hörte man oft, die Zeit habe jeden über sichlältlichen Freiers, das schicksalvolle Erleben des jugendlichen
e tragischen Dichter als Lob.
selbst hinausgehoben. Vielmehr war jeder auf sich angewiesen
Weibes tritt unter dem Bild des Weihers vor seinen Geist. er
einem Zukunftsstaate zu ver¬
errät nun. welcher Weiher Konrad vorgeschwebt habe, ein Wort
I und mehr denn je er selbst.
Es war ein ganz großer Abend. an den man lange