II, Theaterstücke 30, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 45

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30. Der Gang zun Neiher
box 34/2
Sonntag
15. Februar 1931
Nr. 2828
DER WIENER TAG
bei Zwieback Mariahilf 111 besorgen,
angenehm überraschen und sind ein Rekord an
und Kostüme und auch von dem Glauben an die
lich¬
Leistungsfähigkeit. Wir erwarten Sie von Mon¬
denn in drei Tagen ist endgültig Schluß.
Göttlichkeit des Lebens. Vielleicht ist diese drama¬
ne¬
tag den 16. bis Samstag den 21 d.! Moden¬
Bettfedernreinigungsanstalt Adolf Gans
tische Dichtung um dieses Abschiednehmens willen
häuser Brüder Schiffmann, 2. Bezirk, Tabor¬
ort
A. G., Wien, 17. Bezirk, Taubergasse 3. Telephon
auch so überladen an Symbolen und Sentenzen.
straße 48.
sche
A 29=5=95 Serie.
Auch sie hat den Ehrgeiz (wie gewöhnlich das
zirk,
E Wer in der Nacht nicht schlafen kann,
ück¬
erste Werk), alles zu sagen — noch einmal alles,
Der kauf' ein Bett bei Sannemann.
E Gerngroß Spezial=Angebote.
was man erfahren, erlebt, erlitten und was
E Aus aller Welt haben wir die Vergleichs¬
in Wäscheseide bringen Ihnen den unge¬
dennoch so schön war.
ziffern der „Weiße Wochen“=Preislisten heran¬
heuren Vorteil, Reinseiden Radieuse farb¬
irken
Die Aufführung dieses Schnitzler ist als ein
gezogen und dabei mit freudiger Genugtuung die
echt, gut waschbar, zu demselben Preise erstehen
dliche
entschiedenes Bekenntnis von Wildgans zum
außerordentliche Billigkeit unserer Preise fest= zu können, welchen Sie früher für Kunstseide
lußte
Zentimeter
stellen können: Nicht nur an den „Weiße ausgeben mußten: „Radieuse“
dichterischen Theater zu werten. Das gibt ihr
auf
Wochen"=Sonderpreisen in den deutschen Haupt¬
breit zu S 2.60, „Radieuse“ 90 Zentimeter breit
ben
Sinn und Bedeutung. über die Aufführung wird
städten gemessen, sondern auch im Vergleiche zu
zu S 4.60, 3.40; „Helvetia“ 80 Zentimeter breit
ültig¬
im einzelnen noch zu sprechen sein. Sie wahrt
den Angeboten anderer großer Warenhäuser.
zu S 5.60, Reinseiden=Crepe de Chine lavable
haus¬
Unsere Schlager=Preise für vollwertige, reguläre
unter der Regie Heines trotz nicht zureichen¬
Spezial=Qualität 96 Zentimeter breit zu S 7.80;
aumte
Weißware sind einzigartig Vergleichen Sie selbit
ferner bringen wir diese Woche K.=Seiden=Crepe
der Besetzung geistige Haltung. Das Schnitzlerhaft
heater
an Hand unserer Preisliste auf Seite 8 und
mongol in reichem Farbensortiment 94 Zenti¬
Doppeldeutige der Existenz trifft am farbigsten
sehen Sie sich die so billige Weißware in
meter breit zu S 5.60 und S 4.90, außerdem
und unmittelbarsten Ebba Johannsen.
unseren Schaufenstern an
Ihr Urteil muß K.=Seiden=Crepe Georgette, schwere Kleider¬
Schnitzler selbst konnte wiederholt erscheinen, ein
lauten: Schiffmanns Preise müssen alle Käufer ware 97 Zentimeter breit zu S 5.60.
Sieg des dichterischen Theaters über das Theater

der Macher.
Oscar Maurus Fontana.
Intee
„Sarajevo 1914.“
Bühlle une Kucft.
h den
Uraufführung der „Österreichischen Bühne“.
E
2•10.
* Sarajevo 1914: auslösende Ursache des
sich=selber=Auslöschen. Vergeblich hat inzwischen Weltbrandes! Die Wahl des Titels — nein, die
Schnitzler=Uraufführung.
der weise Mann versucht, den Gang der Ereig¬
Wahl des Themas bedeutet Wagnis und Ver¬
ispektor
„Der Gang zum Weiher.“ — Burgtheater.
nisse durch sein gütiges Wollen herumzureißen.
sprechen: das Wagnis, ein Drama der gewaltig¬
frünul¬
Der Krieg ist da. Der Leutnant geht in ihn wie
* Als Zeit dieser dramatischen Dichtung in
sten Hintergründe schreiben zu wollen — gäbe
am
in das höchste Abenteuer seines jungen Blutes.
Alser¬
Versen und fünf Aufzügen gibt Arthur Schnitzler
es für uns gewaltigere als den jüngsten Um¬
Unfall
Auch der weise Mann findet keine andere Ent¬
die Mitte des 16. Jahrhunderts an, als ihren Ort
bruch des Weltgeschehens und die Katastrophe des
Zinggl,
scheidung als Krieg, als eine „Tat selbst ohne
das Schloß eines Freiherrn und gewesenen
bürgerlichen Zeitalters?; das Versprechen, an
wurde,
Sinn“, weil sie würdiger sei „als Wort, das ohne
Kanzlers, wenige Wegstunden von der Residenz
solchen Vorwurf, wenn nicht mit dem objektiv
entfernt.
Macht, sei es noch so weise“. (Aber entmachtetlerforderlichen Maß an Gestaltungskraft — das
übersetzt man die Geschehnisse ins Heutige —
sich mit solcher Resignation nicht selber das Wort, läßt sich subjektiv kaum richtig einschätzen —,
ariete
und alle Vergangenheit muß diesen Bezug auf
die Weisheit?) Diesem männlichen Verzicht steht so doch mit aller Verantwortlichkeit des intellek¬
ektor
zur Seite der frauliche Verzicht der Schwester, die
uns als seine Prüfung, als seine Sinngebung
chtet:
zuellen Menschen heranzugehen. Das Wagnis
ein¬
ihr Leben nicht gelebt und es bis zu Ende nicht
mitmachen —, so ergibt sich folgendes Bild: Wir
wird unternommen, das Versprechen nicht ein¬
leben will. So wäre Resignation das Ende? Nein,
sind in der Nähe von Wien. Kein Zweifel. Alle
gelöst.
da rast (wenn auch in etwas unvermittelter
diese Menschen — mit ihren Vorzügen und ihren
in¬
„Sarajevo 1914“ von dem polnischen
Szene) noch der Intellekt in der Figur eines
Lastern — sind Wiener. Über Europa hängen die
Autor St. Brandowski verfaßt, von der
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Sekretärs, sieht die Welt und alles, was geschieht,
Wolken des Mißverständnisses, der Feindschaft
„Österreichischen Bühne“ an der Ko¬
nur als seine Spiegelung, und läuft in den
zwischen den Nationen, dicht und trüb. Gewittrige
mödie zur deutschen Uraufführung gebracht, ist
Wahn, in die Zwangsjacke, weil er das Lebendige
Entladung in einen Krieg ist stündlich zu be¬
ein Stück der simpelsten Verschwörer= und
an den Gedanken verraten hat. So wäre das
fürchten. An den Grenzen stehen bereits die Heere
Liebesgeschichtenromantik. Eine fünfaktige Läp¬
Chaos, die allgemeine Sinnlosigkeit das Ende?
hüben wie drüben — aufmarschbereit. Der
verei, in der erzählt wird, wie Franz Ferdinand
Nein. Für Schnitzler ist heute wie je Anfang und
Spannung nach außen hin entspricht nach innen
das Schicksal von Sarajevo erleiden mußte,
Ende und Sinn unserer Existenz: „der Ruf des
zu eine wirre Ziellosigkeit: Einsamkeit und nutz¬
letztlich darum, weil ein Fräulein Christa
Lebens“ — der Mensch — wie immer, trifft diese
loses Altern der Reifen und Wissenden — träu¬
Braun in einen Oberleutnant Petrovich ver¬
Gnade bei ihm eine Frau —, der sich verschenken
mendes Suchen der Jugend nach dem Wunder¬
liebt war. Freilich: die Verkeitung solcher priva¬
und sich bewahren kann.
baren. Man merkt: das Innen hat keinen Punkt,
testen Affäre mit dem historischen Geschehen ist
In dieser dramatischen Dichtung hat — wie
um den es kristallisieren könnte. Das Außen
an sich möglich und entzieht sich nicht dem dra¬
man sicht — die Schnitzlersche Weltstimmung ein
hat es leichter, es flüchtet zum Begriff: Feind,
matischen Zugriff. Sie als die ausschlie߬
Gleichnis gefunden, das sich von den früheren der
und reibt daran seine Stirn, wie der Ochs die
liche Motivation des historischen Geschehens zu
Art, aber nicht dem Wesen nach unterscheidet. Die
seine an der Hürde.
betrachten, bleibt einer mangelhaften Satire, im
Schmerzlichkeit eines Menschen, den der Gang
Ein weiser Mann um die Fünfzig, der einmal
Ernstfall aber der heutigen Operette überlassen.
zum Weiher nicht zur Vereinigung des Irdischen
im Mittelpunkt der Ereignisse stand, hat sich vor
Brandowskis Stück bedeutet den Ernstfall: es ist,
mit dem Göttlichen geführt hat, faltet fromm,
der Welt geflüchtet in eine Villa am Rand der
genau besehen, geistiger Rohstoff eines neueren
ergeben und anbetend die Hände vor dem immer
Stadt. Er ist mit dem Gang der Dinge unzu¬
Librettos; eine Dosis freiwilligen Situations¬
neuen Wunder und Geheimnis des Lebens.
frieden, er kann sie nicht ändern, er meditiert.
humors würde es zum vollendeten machen:
Dies Bekennrnis zur heiligen Schönheit und
Auch seiner Schwester ist das Leben ungelebt ver¬
mit aller nötigen Sentimentalität, „romanti¬
Unvergleichlichkeit des individuellen Lebens wird
ronnen — sie hat verzichtet. Die Tochter des
schen" Unkenntnis des Milieus und Geschicklich¬
heute leicht in den Verdacht der Überholtheit und
Weisen aber hat noch den Gang zum Weiher vor
keit des abendfüllenden Aufbaues.
des Rückschrittlichen kommen. Aber seis drum.
sich. Sie badet nachts in ihm, was auch heute
Es frägt sich, was dem österreichischen Theater
Gerade heute brauchen wir die Gegenstimme,
etwas auffällig ist. Aus der Fremde kommt der
verlorengegangen wäre, hätte die „Österreichische
heute, wo von allen Seiten nur gepredigt wird,
alternde Dichter heimwärts. Puppenspieler, der
Bühne“ es nicht mit „Sarajevo 1914“ bekannt¬
das Leben habe keinen andern Sinn, als geppfert
11 g Lehen
D
K
Zpedet Merl¬