II, Theaterstücke 30, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 52


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30. Der Gang zun einer
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Nonchalance, mit der er eins, zwei, drei eine faus der Zwangsehe befreien, in der sie, an
17.2.
Frau über die Annehmlichkeiten der Liebe
einen ungeliebten Mann gekettet, seit Jahren
praktisch aufklärt. Doch er ist, weil das Stück
schmachtet. Er ist der vom Lustspielgott ge¬
Mifinnihung“
ja drei Akte dauern muß. erst am Ende in der
sandte Dritte, der plötzlich erscheint, wenn
Weißglut des Erlebnisses, in der er dann ge-die sexuelle Not am höchsten ist. Dringt in den
heiratet wird. Vorher tut er, als wäre es ihm
ehelichen Betrieb und rettet die dort anwesende!
seineunestbahne
gar nicht drum zu tun, er stapelt hoch oder
Dame vor dem bitteren Schicksal hoffnungs¬
tief, jedenfalls läßt er Unklarheit über seines
losen Nichtverstandenwerdens. Oder er zieht
wirklichen Wesens Wert aufkommen. Auch hat
nach einer flotten Bettepisode rasch wieder ab,
N
er entweder zwei Schillinge in der Tasche oder
Hras
nachdem er bei der Frau geschlafen und dem
Millionen in der Bank. Entweder gar nichts
Mann seine Meinung gesagt hat. Er kann aber
man u 2
oder alles. Er karessiert des jungen Mädchens
auch rein, unberührt, als richtiger Konfirmand
Herz mit Armut oder Reichtum. Auf jeden
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der Liebe mit einem jungen Mädchen Kopf anSM
Fall verspricht er vieles, ist aufrichtig und
Kopf, Mund an Mund, Bein an Bein, den Vor
iinenten:
verlogen, kommt aus der Großen Mohrengasse
hang fallen schen. Es kommt drauf an, ob er ! Cürn
Farkas,
oder aus der Rue de la Paix. Mit denselben
aus einem französischen, einem amerikanischen, 11 J Ao
Ifmann,
Anzügen, denselben Manieren und derselben
oder aus einem deutschen Lustspiel stammt.
Bereitwilligkeit, irgend etwas zu erleben, das
Im französischen konversiert er, im amerika¬
H. B
glücklich oder wenigstens reich macht. Ent¬
nischen redet er praktisch und im deutschen
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de Godwyn
weder will er ein junges Mädchen glatt ausquasselt er. Eines dürfte er eigentlich niemals
der Familie heraus heiraten oder eine Frau haben: vertretene Absätze.
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Bac.
die

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Tolgen
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Schnitzler-Premiere im Burgtheater
Ve
as, Hans
die
Kadmon
„Der Gang zum Weiher“
Ise
Wellisch
* Man muß es aber doch loben“, sagt der sich Schnitzlers Werk. Mimen, die längst der
Kritiker hochachtungsvoll-ergriffen an der
Literatur der anderen oder dem Betrieb oder
Ausgangsportière von Artur Schnitzlors unver¬
beiden dienen.
geßlich-herbstlicher Welt. Die Dame in einer
Ewald Balser geht mit starken Schritten
weißen Musselinwolke hat zweimal gegähnt —
neben Schnitzler. Ein Schauspieler, in dem
Preit
Gott sei Dank gehen wir noch aufs Schützen¬
San
alte naturalisische Formelemente mit neuen
kränzchen — und in der Vierzigjährigen lebt
Vorte
Ausdrucksmitteln gemixt sind. Er kann Gläu¬
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die „Weite Land“-Sehnsucht heutiger Tage.
bige bis zu den Ekstatikern spielen, aus dif¬
Vorver
Sie hat von Artur Schnitzler wieder etwa
ferenzierten Gehirnen sprechen, aber was er
RN
ähnliches erwartet ... Neuer Sieg der inter¬
gestaltet, muß unter Atmosphärendruck des
nationalen Klassen
in St. Moritz Dor¬
Heute existieren (auch bei Figuren der Klassi¬
iguren
Heis
nier-Flugzeug Prismendecke in einem
ker). Der Freiherr von Mayenau ist ein Chro¬
Rolle
neuen Landhaus
nikeur seines Schicksals, ein verklärter Raun¬
zuführ
Wo ist das alles in der barocken Wien-Land¬
zer, der Reime spricht, sich bis zum Ende sel¬
mit töd¬
nigst
schaft, die stille Weiher zu Symbo'en macht,
ber beim Leben zusieht und seine Einsamkeit
chluß oder
Karl
Rendezvous-Orte von Liebe und Tod? Man
in einem Riesenpark mit einem alljährlich
des Vor¬
er sch
traf sich dort lange vorher bei Schnitzler.
neuen Goldzaun schmerzlicher Hoffnungslosig¬
Weshalb
und a
Wasser, das klar auf Gnund sehen ließ, lockte
keit umgibt. Herr Balser ist zu jung und un¬
chen, stör¬
Beckn
wie die unsichtbaren grundlosen Tiefen, in die
verbraucht, zu sehr mit motorischen Kräften
eiben, nur
die Dichter hinabsteigen, nach letzter Abrech¬
geladen, als daß er natürlich, ohne daß man
zu dispo¬
nung und Verkündigung. Während die jungen
Gewalt merkt, sich in Dämmerungen ver¬
n, zu dik¬
Di
Mädchen weiter Nixen spielen und aus der
strömen, zur Höhe un¬
faßte die
eines gesalbten
Laune einer Nacht in die der nächsten gleiten.
Verzichtgreises aufspielen könnte. Er spricht
ich in die
sorglos wie die Wienerinnen damals, als sie
ares? Er
klar, schön und sein Herz schlägt in den
* I
noch nicht Leonilda hießen, somdern Erna oder
echtzeitig.
Silben. Doch allzusehr ist Spiel in seinem
gar Cora.
Cole
seine Ge¬
Spiel, Verkleidung in seinem Menschentum,
Das Burgtheater spielte einen Dichter.
nicht ab¬
und
Mastix in seiner Alterswürde. Sein Terrain
Nicht ein Stück. Es spielt Schnitzler¬
1 auf die
sind rebellierende Söhne, nicht meditierende
gen.
Variationen über Themen seines Werkes und
Väter.
riebes. Er
Sie
seines Lebens. Es klingt beklemmend schön,
hneeweiß-
Um Ebba Johannssen weht der intellektuelle
Rahn
eines der edelsten Buchdramen, die je ins
t zu jeg.
Schnitzler-Charme, Kühl und bewußt dürfte
Mittle
Rampenlicht gehoben wurden. Zwischen vielen
bedingten
sie wohl nur im Jantzen ins Wasser gehen.
per
Sätzen geistig leuchtend, kommt der: „Die
chine be
Nixentriebhaftes ist weniger in ihr als die
Mütter werden sollen — werden gut.“
1 das Ja¬
köstliche Körperschlamperei der Mädchen von
Wo ist das Schützenkränzchen?
olken, die
Schnitzler, die sich so viel wie nichts aus dem
Ich will nicht verlogen sein. Worte eilen
General¬
Etwas machen. Immer wieder gibt es Männer,
Die
vorüber und bleiben Schall. Sie sind nicht
am Lust¬
und immer wieder ein Erwachen, das schön ist.
theaterkräftig genug, haben zu viel reine
Else Wohlgemuth durchschreitet wahrhaft
urch ihr
suc
dichterische Substanz, um den billigeren so¬
hoheitsvoll Schloß und Garten der Dichtung. als 1
jagt. Sie
Die
fortigen Kontakt Bühne—Publikum herzu¬
Ein Bild ohne Rolle. In den Sätzen, die sie hat,
nilie und
mal
stellen, sie sind zu nobler Herkunft, um zu
Udirektor
ist indes ein echter Mensch, eine einsame
näch
„zünden“, sie sind in einsamer Dichterstube
der Bug.
Frau, die irgendwie vergessen hat, zu leben.
mit
gewachsen, schön und still und weit weg von
Und nun aus ihrer Vorschlossenheit ein schönes
licht ver¬
beka
den Glashäusern spekulativer Tagesproduktion.
icher an
Gedicht macht. „Und war’s Verzicht — es war
von
doch immer mein.“
„Laß mich allein“, sagen die Gestalten des
es wird
setzt
späteren Schnitzler gern und sie beginnen ihre
regnen.
Hennings ist der kriegerische Jüngling. Mehr
scelisch-sanften Auseinandersetzungen mit dem
am blen¬
junger Mann von heute. Er trägt sein Kostilm
Gestern, es herbstelt um sie und elegisch
cheinden
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frisch und frei, es drückt ihn nirgends. Er
b
Itherzen,
tropft es aus Monologen, in denen sie mit
spricht drauf los, wirklich männlich-starkes