7.
„Der Gang zum Weiher.
Dramatische Dichtung von Artur
Schnitzler (Burgtheater).
Dieser neueste Schnitzler ist nicht mehr ganz neu.
Seit etlichen Jahren schon liegt das Buch in der Kanzlei
des Burgtheaters, dessen früherer Direktor immer wieder
zögerte, die Aufführung anzusetzen, ein Zögern, das ihm
13
nicht wenig verübelt wurde, denn ein Werk Schnitzlers
mit stürmischer Freude sogleich und unbesehen aufzu¬
führen, zählt man in gewissen Kreisen geradezu zu den
m
„Verpflichtungen“ des Burgtheaters. Jetzt also bekamen
wir den „Gang zum Weiher“ zu sehen und jetzt verstehen
wir Herterichs Zögern und billigen es.
Der gewesene Kanzler Freiherr v. Mayenau, beim
jungen Kaiser nach Zeiten herzlicher Freundschaft plötzlich
in Ungnade gefallen, lebt einsam auf seinem Schlosse.
Sonstige Bewohner dieses Landsitzes: Anselma, des Frei¬
herrn unvermählte Schwester, die am Glück vorbeiging,
die Liebe verpaßte. Leonilda, des Freiherrn Töchterlein,
n¬
ein schwärmerisches Mädchen mit gefährlicher Unruhe im
Blute. Ein wunderlicher Sekretär endlich, dem der
Kanzler, getreu der Gepflogenheit abgesetzter Staats¬
männer, seine Memoiren diktiert. Nun kommt ein Gast,
Sylvester Thorn, ein Dichter von Beruf (soferne man
en
dies einen „Beruf“ nennen kann), Jugendfreund des
Freiherrn, jetzt gleich diesem an der Schwelle des Alters
et.
angelangt. Zehn Jahre lang hat man von ihm nichts
ng
mehr gehört. Aber gesprochen scheint man oft genug von
er
ihm zu haben. Alle freuen sich über sein Kommen. Ins¬
en
besondere Leonilda. Ihre Freude ist von seltsamer
Wärme. Sie hat es nicht vergessen, daß ihr Thorn die
lde
schönsten Märchen erzählte, als sie noch ein Kind war.
Kaum ist er da — er will eigentlich nur Tagebücher, die
hie
er einstens dem Freiherrn zur Aufbewahrung übergab,
als
nochmals lesen und dann verbrennen, um solcherart mit
den
der Jugend abzuschließen,
so überfällt ihn Leonilda
r
mit ihrer schwärmerischen Liebe. Gleich ist er entflammt
#nd
und hält beim Freiherrn um ihre Hand an. Der ist aufs
en
äußerste bestürzt. Nicht bloß der Altersunterschied macht
ten
ihn bedenklich, mehr noch schreckt ihn der Umstand, daß
itzt,
Thorn draußen in der Welt eine Geliebte hat, die ihm in
für
den nächsten Tagen einen Sohn schenken soll. Es wird
bei
vereinbart, daß sich Thorn gedulden möge, jene andere
Verbindung zu lösen trachte und dann beim Wieder¬
ute
kommen seine Werbung neuerlich vorbringe. So zieht
der
Thorn davon. Aber gleichzeitig kommt ein Anderer,
Junger: Konrad von Ursenbeck, der Sohn des Marschalls,
An¬
Offizier in des Kaisers Armee. Er bringt Botschaft von
ich¬
bevorstehenden kriegerischen Verwicklungen und deutet an,
daß, falls der Kaiser sich nicht zum Kriege entschließen
sollte, das Heer mit dem Marschall an der Spitze sich
empören und auf eigene Faust Krieg führen werde. Diesen
jungen Mann nun gelüstet es nach langem nächtlichen
der
Ritte nach einem Bade in dem versteckten Weiher des
Die
Schloßparkes. Der Freiherr, der weiß, daß Leonilda eben
im
jetzt dort ihr Bad nimmt, reizt den Jüngling mit War¬
nungen und Anspielungen, gleichfalls hinzugehen. Das
wei
ist das Mittel, mit dem der seltsame Vater die Werbung
rige
Thorns ein für allemal unmöglich machen möchte. Und
tatt.
richtig: Die Rechnung stimmt. Die beiden jungen Leute
iten
„lieben“ sich prompt nach dieser Nacht, was man in der
Welt Schnitzlers eben „Liebe“ nennt. Thorn kehrt zurück
und findet Leonilda im sicheren Besitze eines anderen.
Thorn wäre jetzt „frei", seine Geliebte ist samt dem neu¬
geborenen Kinde gestorben, sein „Haßwunsch“ hat sie
getötet. Er sieht, daß er Leonilda nicht mehr gewinnen
kann und nun schreitet er in den Weiher, in den kühlen
ver= Tod. Der Freiherr will das junge Paar durch formelle
ker
Verlobung binden, aber dazu ist Leonilda zu stolz.
iner
Konrad soll durch das Abenteuer nicht verpflichtet sein, sie
zwei
will freie Verfügung über sich behalten. Er soll in den
Krieg ziehen, der nun glücklich doch ausgebrochen ist,
obwohl ihn der Freiherr, wieder in die Gnade des
den
Kaisexs aufgenommen, zu verhindern suchte. Wenn er
ren.
wiederkommt, wird man ja sehen ..
vom
Die Keimzelle zu dieser dramatischen Dichtung ist
offenkundig in der kecken, kleinen Novelle Emil Zolas
als
„Ein Bad“ zu suchen, die ganz primitiv, ganz geradlinig
ran¬
verläuft. Bei Schnitzler aber spielt der Weiher eine
geheimnisvolle, gespenstische Rolle. Man weiß von
das
Anfang an, daß zum Schlusse darin jemand ertrinken wird.
r im
Daß sich dort auch eine Verlobung oder so etwas ähnliches
anspinnen wird, diese pikante Ueberraschung erwartet
nicht
man allerdings nicht. Der Titel, den Schnitzler seiner
ie er
Dichtung gibt, weist deutlich genug darauf hin, daß ihm
Das
nicht die Gestaltung von Menschenschicksalen, nicht die
Auto
Vollendung eines seltsamen Geschices, nicht die große, im
Hintergrunde aufgebaute Staatsaktion, nicht die Frage:
Krieg oder Frieden wichtig ist, sondern einzig das, was
„Der Gang zum Weiher.
Dramatische Dichtung von Artur
Schnitzler (Burgtheater).
Dieser neueste Schnitzler ist nicht mehr ganz neu.
Seit etlichen Jahren schon liegt das Buch in der Kanzlei
des Burgtheaters, dessen früherer Direktor immer wieder
zögerte, die Aufführung anzusetzen, ein Zögern, das ihm
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nicht wenig verübelt wurde, denn ein Werk Schnitzlers
mit stürmischer Freude sogleich und unbesehen aufzu¬
führen, zählt man in gewissen Kreisen geradezu zu den
m
„Verpflichtungen“ des Burgtheaters. Jetzt also bekamen
wir den „Gang zum Weiher“ zu sehen und jetzt verstehen
wir Herterichs Zögern und billigen es.
Der gewesene Kanzler Freiherr v. Mayenau, beim
jungen Kaiser nach Zeiten herzlicher Freundschaft plötzlich
in Ungnade gefallen, lebt einsam auf seinem Schlosse.
Sonstige Bewohner dieses Landsitzes: Anselma, des Frei¬
herrn unvermählte Schwester, die am Glück vorbeiging,
die Liebe verpaßte. Leonilda, des Freiherrn Töchterlein,
n¬
ein schwärmerisches Mädchen mit gefährlicher Unruhe im
Blute. Ein wunderlicher Sekretär endlich, dem der
Kanzler, getreu der Gepflogenheit abgesetzter Staats¬
männer, seine Memoiren diktiert. Nun kommt ein Gast,
Sylvester Thorn, ein Dichter von Beruf (soferne man
en
dies einen „Beruf“ nennen kann), Jugendfreund des
Freiherrn, jetzt gleich diesem an der Schwelle des Alters
et.
angelangt. Zehn Jahre lang hat man von ihm nichts
ng
mehr gehört. Aber gesprochen scheint man oft genug von
er
ihm zu haben. Alle freuen sich über sein Kommen. Ins¬
en
besondere Leonilda. Ihre Freude ist von seltsamer
Wärme. Sie hat es nicht vergessen, daß ihr Thorn die
lde
schönsten Märchen erzählte, als sie noch ein Kind war.
Kaum ist er da — er will eigentlich nur Tagebücher, die
hie
er einstens dem Freiherrn zur Aufbewahrung übergab,
als
nochmals lesen und dann verbrennen, um solcherart mit
den
der Jugend abzuschließen,
so überfällt ihn Leonilda
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mit ihrer schwärmerischen Liebe. Gleich ist er entflammt
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und hält beim Freiherrn um ihre Hand an. Der ist aufs
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äußerste bestürzt. Nicht bloß der Altersunterschied macht
ten
ihn bedenklich, mehr noch schreckt ihn der Umstand, daß
itzt,
Thorn draußen in der Welt eine Geliebte hat, die ihm in
für
den nächsten Tagen einen Sohn schenken soll. Es wird
bei
vereinbart, daß sich Thorn gedulden möge, jene andere
Verbindung zu lösen trachte und dann beim Wieder¬
ute
kommen seine Werbung neuerlich vorbringe. So zieht
der
Thorn davon. Aber gleichzeitig kommt ein Anderer,
Junger: Konrad von Ursenbeck, der Sohn des Marschalls,
An¬
Offizier in des Kaisers Armee. Er bringt Botschaft von
ich¬
bevorstehenden kriegerischen Verwicklungen und deutet an,
daß, falls der Kaiser sich nicht zum Kriege entschließen
sollte, das Heer mit dem Marschall an der Spitze sich
empören und auf eigene Faust Krieg führen werde. Diesen
jungen Mann nun gelüstet es nach langem nächtlichen
der
Ritte nach einem Bade in dem versteckten Weiher des
Die
Schloßparkes. Der Freiherr, der weiß, daß Leonilda eben
im
jetzt dort ihr Bad nimmt, reizt den Jüngling mit War¬
nungen und Anspielungen, gleichfalls hinzugehen. Das
wei
ist das Mittel, mit dem der seltsame Vater die Werbung
rige
Thorns ein für allemal unmöglich machen möchte. Und
tatt.
richtig: Die Rechnung stimmt. Die beiden jungen Leute
iten
„lieben“ sich prompt nach dieser Nacht, was man in der
Welt Schnitzlers eben „Liebe“ nennt. Thorn kehrt zurück
und findet Leonilda im sicheren Besitze eines anderen.
Thorn wäre jetzt „frei", seine Geliebte ist samt dem neu¬
geborenen Kinde gestorben, sein „Haßwunsch“ hat sie
getötet. Er sieht, daß er Leonilda nicht mehr gewinnen
kann und nun schreitet er in den Weiher, in den kühlen
ver= Tod. Der Freiherr will das junge Paar durch formelle
ker
Verlobung binden, aber dazu ist Leonilda zu stolz.
iner
Konrad soll durch das Abenteuer nicht verpflichtet sein, sie
zwei
will freie Verfügung über sich behalten. Er soll in den
Krieg ziehen, der nun glücklich doch ausgebrochen ist,
obwohl ihn der Freiherr, wieder in die Gnade des
den
Kaisexs aufgenommen, zu verhindern suchte. Wenn er
ren.
wiederkommt, wird man ja sehen ..
vom
Die Keimzelle zu dieser dramatischen Dichtung ist
offenkundig in der kecken, kleinen Novelle Emil Zolas
als
„Ein Bad“ zu suchen, die ganz primitiv, ganz geradlinig
ran¬
verläuft. Bei Schnitzler aber spielt der Weiher eine
geheimnisvolle, gespenstische Rolle. Man weiß von
das
Anfang an, daß zum Schlusse darin jemand ertrinken wird.
r im
Daß sich dort auch eine Verlobung oder so etwas ähnliches
anspinnen wird, diese pikante Ueberraschung erwartet
nicht
man allerdings nicht. Der Titel, den Schnitzler seiner
ie er
Dichtung gibt, weist deutlich genug darauf hin, daß ihm
Das
nicht die Gestaltung von Menschenschicksalen, nicht die
Auto
Vollendung eines seltsamen Geschices, nicht die große, im
Hintergrunde aufgebaute Staatsaktion, nicht die Frage:
Krieg oder Frieden wichtig ist, sondern einzig das, was