II, Theaterstücke 30, Der Gang zum Weiher. Dramatische Dichtung (Der weise Vater, Der Weiher), Seite 75

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30. Der Gang zun Neiher
re
schläge
Der vorliegende Plan Schwierigkeiten keine Rolle spielen. Auch eine Den Verkeetern der ostert Shischen Alslterschaft um
wäre nur dann zweck= Schwierigkeit, die nötige Anzahl qualifizierter zugute gehalten werden, daß nicht sie die ersten waren,
ewiges Dichterlos. Ob sie wie Dante am Felsen von Mayenau ein Schloß Friedrichsruh sein — wenn nicht
om.
Duino sitzen oder auf dem Stein an der Landstraße wie in einem Anfall von Entschlossenheit und besserer Ein¬
Shakespeare oder wie Silvester Thorn in einem stillen sicht der ewig schwankende Kaiser den alten Kanzler
n Weiher.“
Landhaus — immer sind sie im Exil. Fremde in der wieder beriefe. Doch der Kanzler...?
Heimat, ohne Heimat in der Fremde.
Burgtheater.
Bevor er an den Hof zurückgeht, schließt der Kanzler
Einer von diesem Geschlecht beweinte den drohenden
Frieden mit dem Feind. Zuerst die Tat. Er sucht den
sem „Buch der Sprüche
Abschied von der Jugend mit heiteren Akkorden: Marchese auf — das ist der feindliche Gesandte —, und
al: „Des Kritikers erste
„Brüderlein fein, Brüderlein fein, einmal muß ge¬
ich bedauere, ja ich räume ein, es ist ein Fehler, daß man
du mir zu sagen, Werk?
schieden sein!" Die alternde Marschallin in Hofmanns= sihn nicht sieht, daß vom Marchese nur gesprochen wird,
gemeinen wenig. Seine
thals „Rosenkavalier“ läßt alle Uhren schlagen in sund das Publikum, das nicht das Buch kennt, diese Tat
der Nacht. Und Thorn entschließt sich, seinen Gang zu nicht mitempfinden kann. Aber ich mache diese Schwäche
Ende zu gehen bis in den schwermütig=geheimnisvollen
wett durch einen starken Einfall meines Schöpsers: hier
also in das Werk hinein.
Weiher hinab. Es ist aber ein tiefösterreichischer
ganz real zu denken, im Pathos pathoslos zu sein, in
ang zum Weiher?“
Schmerz. Sterbenwollen im schönen Weiher. Nicht
Versen klare Prosa ohne schillernder Rherorik Nebel aus¬
leben können auf dem wüsten Sommerheidenweg der
zusprechen. Der Kanzler will kein Reich der Liebe und
g.... Ich bin ein Alters¬
liebeleeren Erde. Raimund=Schmerz. Grillparzer¬
der Güte aufrichten, kein Friedensschluß vermöchte solche
Schmerz.
Denn viel erfahren muß
Utopie, denn die Menschen sind nicht einfach lieb und
erlitten haben wie mein
Und dann bin ich ein Fabelwerk. Bunt und
gut. Wohl aber kann man ein Reich der Verträglichkeit
chönheit, beladen mit der
phantastisch, wie Fabelwerke einmal sind. Dem Dichter
aufrichten, die Bosheit dämpfen, einen Modus vivendi
ken zu erschaffen. Solche
gegenüher stelle ich den Soldaten. Dem Thorn tritt in
zwischen Nachbarn finden. Das kann man. Und in diesem
ort sind oder Redesucht,
den Weg der Reiter, Trinker, Raßler Konrad, der in
Pazifismus wiegt sich der Freiherr wie in einer Hänge¬
nen, wie eine schöne
der Untätigkeit des Friedens zu verschimmeln glaubt,
matte am Nachmittag — da wird er überrascht von
lich traurig stimmt, viel¬
der loszuschlagen, zu fechten und zu töten sucht, um sein
seines Kaisers Kriegserklärung. Also doch. Die erste
beruhigter Gebärde die
Dasein zu beweisen. Einmal machte dieser Konrad eine
Schlacht fand statt, der Freiherr geht als Oberst und
t. Leben aber ist immer sonderbare Bekanntschaft. Auf der andern Seite des
Realpolitiker mit hinaus, der Friedenskanzler dient dem
btes Werk ein Tagebuch, Grenzweges, auf der feindlichen Seite, ging auch ein
Krieg des Kaisers.... Bin ich nicht ganz modern?
kern macht, der es einst Konrad, nur in der Uniform des Feindes. Und siehe da,
Menschenwille ist nur eine lächerliche Fahnenstange,
ein Wort erweckt das andre, sie kommen ins Gespräch,
Verbrei reizt. Ein
kein Blitzableiter gegen Katastrophen mit dem Kata¬
sie plaudern über Frauen und Pferde und dergleichen,
ch mit sei. Gegenwart.
strophenwillen. Und so sehe ich des alten müden Kon¬
verhüllten Art Goethe= und verstehen einander ausgezeichnet. Aber, zum Teufel
tinents Geschicke in einer Rückschau, die mich Vorschau
doch! Hinterher schämt sich unser Konrad! Brudertum
ur des Silvester Thorn,
dünkt. Alterswerk?
im Schützengraben? Brüderschaft statt Feindschaft?
lassen Sie sich nicht be¬
Dann wäre noch der Sekretär Andreas Ungnad zu
Schauspielers, der sich mit Morgen bricht der Krieg aus und der eine Konrad wird
erklären. Was wisset ihr um ihn, der seinen Namen
den andern morden, glatt ermorden. In ihrer Herren
Sie die Sehnsucht meines
nicht umsonst tragt? Sowenig wie der Herr von
und Götter Namen. Und hier bin ich, der „Gang zum
keinmal im Gegenlauf zu
Mayenau den seinen. Der Ungnad.... Er hat nicht die
Weiher“ das Alterswerk, Sie geben zu, modern.
Böttin am Weiher mond¬
Gnade, die Welt zu sehen wie sie uns umgibt. Er hat in
Moderner als Sie dachten. Spiegel einer Jüngst¬
kukehren zu der Jugend,
vergangenheit.
Mußestunden Kant, den Weltzerstörer, gelesen und weiß,
vom persönlichen Glück.
daß alles, was wir sehen, hören, fühlen nur trügerisches
Noch mehr. Nun werde ich Politikum. Wo alles
ugesicherte Unsterblichkeit
Gespinst der Sinne ist. Daß du von mir und meiner
Politikum geworden ist, Theater, Schule, Amt und
keit, Thorn gäb sie hin für
Gnade lebst, daß Wald und Wolke, Wiese, Welt nur
Haus, warum nicht auch in ihrer Art die Dichtung?
mund: „Geliebter, du!“
Schein sind, nicht entlarvte Wirklichteit, daß keines
ückt wie einen neuen Erd= Muß sie es nicht? Kurz, ich habe die Gestalt des
Geistes Formel oder Apparat vermöchte, das Ding an
Albrecht Freiherrn v. Mayenau, des gewesenen Kanzlers
rt von Leonilda, die ihm
sich zu seh'n. Die Grenzen des Erkennens.
mit meinem politischen Programm betraut. Und dieses
r hört von dieser Tochter
Abfuhr: „Freundschaft!“ Programm ist einfach, aber dichterwürdig: „Frieden!“
Da er sie kühn beschreitet, wenn er frei ist, der
sönnt' nur Freundschaft Der Kanzler w.rde seinerzeit vom Kaiser glatt entlassen
Kanzler ihm nicht gerade diktiert, steht er vor dem Ab¬
man ihn hinaus, in Holz geht, unfreiwillig müßig, auf seinem Schloß spazieren,
grund des Irrewerdens. Alle halten diesen Denker für
ein Schauspieler ohne Rolle. Geplagt von Langerweile,
einen Maniaken, sein Erleuchtetsein für Wahnsinn —
en, sie aber hat sich unter= schreibt er wie alle abgetanen Kanzler oder Generale
eine tiefe, poetische Ironie, nicht wahr? —, auch der
dem Tatsachenmenschen seine Memoiren. Fast könnt man sagen: Langweile, die
Dichter Thorn ist nachsichtsvoll zu ihm, wie man zu
bester Thorn sieht sich be= sam Anfang solcher Literatur steht, ist immer besser als Geisteskranken ist. Hätte nur der Schauspieler, der den
kehr zum Glück. Exil ist die, die am Ende der Leser hat, und fast könnte Schloß Ungnad vorstellte, seine Worte nicht durchpoltert, hätte
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