30 DerGang zum Neiher
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Schnitzlers neues Stück. Ueber die Uraufführung
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von Arthur Schnitzlers neuem Werk wird uns aus Wien be¬
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richtet: „Der Gang zum Weiher“ ist ein zartes Liebesdrama, das
im Oesterreich des achtzehnten Jahrhunderts inmitten staats¬
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männisch=kriegerischer Aktionen spielt. Das Stück gehört in die
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Neihe der romantisch=lyrischen Schöpfungen Schnitzlers, es knüpft
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in der sprachlichen Haltung an Jugendwerke, wie den „Schleier
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der Beatriee“ an. Die Aufführung der Burg befriedigte nicht + .—
restlos. Viele Hervorrufe für den Dichter.
□ARTHUR SCHNITZLER:
„Der Gang zum Weiher.
Uraufführung am Wiener Burgtheater.
Die schönsten Verse, die seil langem ein Deutscher schrieb,
stehen in Schnitzlers „Gang- zum Weiler“. Die reinsten und
die süssesten Verse. Wer in sie blickt, der blickt hinab „bis
auf don kieselblauen Grund“. Unsere eigene Welt ist trübe
und unsere Zeit nicht kieselblau. Schnitzlers Stück ist also kein
Zeitstück. Es ist aber tiefer als ein Spiegel und hat sein eigenes
Lichtgesotz.
Es ist ein Drama und in Versen. Und diese Verse sind
fünffüssige Jamben. Da ist es also eine Jambentragödie? Ge¬
wies, wenn wir infam sein wollen, brauchen wir es nur 80 zu
nennen. Wenn wir in der ganzen Runde ein Achselzucken er¬
werken wollen, brauchen wir es nur so zu nennen. Dieses
Achselzucken wäre begreiflich; denn wir hateen zu arbeilen;
können aus selber und anderen ein „Kampfloses Schauen“ nicht
gestatten. Aber diesem alten Seher? Wahrlich, in Schnitzlers
Versrabatten, In diesen schrägen Jambengärten blühen die
schönsten Sätze, die seit langem jemand über das Aller, den
Tod, die Liebe gesagt hat, und zum Teil sogar die weisesten
Worte über Krieg und Friede auf. Sie sind von dem leisen, al#
modisch geordneten Versklang jener Gartenkunst aus dem
neunzehnten Jahrhundert nicht zu trennen, oder doch aur mit
dem Rosenmesser Soll man das nun alles in Lauge und
Schutt legen, weil es „uuserem Lebensgefühl nicht entspricht“?
Oder sollen wir nicht lieber diesem ganz unkrünkenden und
frei gespendeten Duft aus altem Garten dankbar sein — wie uns
der nichtbestellte Mond des himmlischen Kalenders freut, wenn
wir ihm über dem Schacht der Grossstadtserassen begegnen? —
„Im Spiel der Sommerlüfte“ hiess Schnitzlers vorletztes Stück.
Aber eigentlich erst hier, erst diesmal spielen die Sommerlüfte
ihr Stück. Ueber verwunschenen Garten und Weiher bringen
sie Wetterleuchten mit von Tassos Klage und Antonios Festig¬
keit, auch von Wallenstein und Max, von Bellina von Arnims
Frauen und Fouques Reileraufbrüchen Manchmal aber eicht
alles da wie eine prüchlige Paraphrase aus Eichendorffs ver¬
schollenem Prama „Ezzelin da Romano“:
Ein wüster Gärtner ist die Nucht und stellt
des Tages Spielzeug schaurig durcheinander.
Der Juhalt? Eingeschlossen im Melos, wird er nicht leicht
zu erfassen sein. Ein alter Staatsmann in einem Barockschloss
Paitiuer la#eßtat 18. Tehmnan
4431.
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erwartet mit Schwester und Tochter den Dichter und Jugend¬
freund. Sylvester Thorn. Er kommt, und zwischen ihm und der
Tochter, die eine nixenhafte Nachtgängerin ist, entspinnt sich
Neigung und ein Verlöbnis, dem Sylvester ältere Bande opfern
will. Er geht — und statt seiner betritt der Reiterolfizier, der
Wille zu Erobern und Krieg den Garten. Er ist der Sohn des
Oberfeidherrn, der Sohn eines Mannes, der dem Kanzler einst
Freund und Widersacher war. Der Aauzier schliesst den Offi¬
zier in den Zauberkreis von Gart-her und Tochter ein.
Der Junge zersprengt ihn im Morgentauen. Der Dichter kehrt
zurück, findet den Frieden zerstört, die Braut verwüstet und
trägt sein grangewordenes Haupt in den Teich. Die Jugend, dar
grosse „Trrationale“, hat alles entschieden: zugleich mit dena
Kanzler, dessen schöner Besonnenheitswille oin Stück vom Herzen
Schnitzlers ist, gibt sich der alte Schnitzler selber geschlagen.
Symbole neigen sich zueinander und Mlüstern mit leicht er¬
hobenem Finger. Aber sie flüstern. Dies Raunen von Dichtung
konnte es, drei Stunden lang, ein vollbesetztes Theater
lessein? Das Burgtbeater hatte seit langem den grössten und er¬
folgreichsten Abend, als es den Sehrein dieser stillen Gebärden
eröffnete. Mit einer ganz innerlichen Noblesse, ohne Pathos und
Exlravaganz, ja, mit liebreicber Anmut geschah dies. Eine
romautisch-philosophische Messe wurde dem Publikum gebolen:
Balser zelebrierte sie, als Kanzler vielleicht der Stärkste des
Abends; dann Ferdinand Onno, diesmal sehr menschlich und
wirklich dichterisch als Dichter. Als Schwester des Kanzlers
Frau Wohlgemuth, ei: guter All, hälte ich beinabe gesagt: denn
hier ist Sprechkunst vo wichtig wie „Stimme“ Und Schnitzlers
Max Piccolomini ist hennings, dem man das gerne glaubt. Ein
aller Sekretär ist noch da, ein akzentulerter Wahnsinniger, der
meint, dass er Schlossherrn und Gäste nur träume. Es ist, auf
der Szeue, Albert Heine ... Dann aber kam, der auch diesen
nur träumte, Arinur Schnitzler selbst vor den- Vorhang. Und wie
dieses gelicbten Dichters graues, befriedetes Gesicht milde vor
dem Parkett erschien und ihm ein Sturm von Herzlichkeit ent¬
gegenschwoll (sogar von denen, die aus Amtes Gründen nicht
klatschten), da fühlte man: Das ist schön von den Wienern!
Schön, nachdem sie sechs Tage lang Zeitgenossen, gewesen sind,
Genossen dieser schweren Zeit, dass sie am siebenten Tageraus¬
ruhen. Und dass sig einem Dichter erlauben, mit Thhen im Bunde
das Gleiche zu tun.
Heinrich Eduard Jacob.
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Schnitzlers neues Stück. Ueber die Uraufführung
S „
von Arthur Schnitzlers neuem Werk wird uns aus Wien be¬
—
richtet: „Der Gang zum Weiher“ ist ein zartes Liebesdrama, das
im Oesterreich des achtzehnten Jahrhunderts inmitten staats¬
□
männisch=kriegerischer Aktionen spielt. Das Stück gehört in die
—
Neihe der romantisch=lyrischen Schöpfungen Schnitzlers, es knüpft
4
in der sprachlichen Haltung an Jugendwerke, wie den „Schleier
—
der Beatriee“ an. Die Aufführung der Burg befriedigte nicht + .—
restlos. Viele Hervorrufe für den Dichter.
□ARTHUR SCHNITZLER:
„Der Gang zum Weiher.
Uraufführung am Wiener Burgtheater.
Die schönsten Verse, die seil langem ein Deutscher schrieb,
stehen in Schnitzlers „Gang- zum Weiler“. Die reinsten und
die süssesten Verse. Wer in sie blickt, der blickt hinab „bis
auf don kieselblauen Grund“. Unsere eigene Welt ist trübe
und unsere Zeit nicht kieselblau. Schnitzlers Stück ist also kein
Zeitstück. Es ist aber tiefer als ein Spiegel und hat sein eigenes
Lichtgesotz.
Es ist ein Drama und in Versen. Und diese Verse sind
fünffüssige Jamben. Da ist es also eine Jambentragödie? Ge¬
wies, wenn wir infam sein wollen, brauchen wir es nur 80 zu
nennen. Wenn wir in der ganzen Runde ein Achselzucken er¬
werken wollen, brauchen wir es nur so zu nennen. Dieses
Achselzucken wäre begreiflich; denn wir hateen zu arbeilen;
können aus selber und anderen ein „Kampfloses Schauen“ nicht
gestatten. Aber diesem alten Seher? Wahrlich, in Schnitzlers
Versrabatten, In diesen schrägen Jambengärten blühen die
schönsten Sätze, die seit langem jemand über das Aller, den
Tod, die Liebe gesagt hat, und zum Teil sogar die weisesten
Worte über Krieg und Friede auf. Sie sind von dem leisen, al#
modisch geordneten Versklang jener Gartenkunst aus dem
neunzehnten Jahrhundert nicht zu trennen, oder doch aur mit
dem Rosenmesser Soll man das nun alles in Lauge und
Schutt legen, weil es „uuserem Lebensgefühl nicht entspricht“?
Oder sollen wir nicht lieber diesem ganz unkrünkenden und
frei gespendeten Duft aus altem Garten dankbar sein — wie uns
der nichtbestellte Mond des himmlischen Kalenders freut, wenn
wir ihm über dem Schacht der Grossstadtserassen begegnen? —
„Im Spiel der Sommerlüfte“ hiess Schnitzlers vorletztes Stück.
Aber eigentlich erst hier, erst diesmal spielen die Sommerlüfte
ihr Stück. Ueber verwunschenen Garten und Weiher bringen
sie Wetterleuchten mit von Tassos Klage und Antonios Festig¬
keit, auch von Wallenstein und Max, von Bellina von Arnims
Frauen und Fouques Reileraufbrüchen Manchmal aber eicht
alles da wie eine prüchlige Paraphrase aus Eichendorffs ver¬
schollenem Prama „Ezzelin da Romano“:
Ein wüster Gärtner ist die Nucht und stellt
des Tages Spielzeug schaurig durcheinander.
Der Juhalt? Eingeschlossen im Melos, wird er nicht leicht
zu erfassen sein. Ein alter Staatsmann in einem Barockschloss
Paitiuer la#eßtat 18. Tehmnan
4431.
—
erwartet mit Schwester und Tochter den Dichter und Jugend¬
freund. Sylvester Thorn. Er kommt, und zwischen ihm und der
Tochter, die eine nixenhafte Nachtgängerin ist, entspinnt sich
Neigung und ein Verlöbnis, dem Sylvester ältere Bande opfern
will. Er geht — und statt seiner betritt der Reiterolfizier, der
Wille zu Erobern und Krieg den Garten. Er ist der Sohn des
Oberfeidherrn, der Sohn eines Mannes, der dem Kanzler einst
Freund und Widersacher war. Der Aauzier schliesst den Offi¬
zier in den Zauberkreis von Gart-her und Tochter ein.
Der Junge zersprengt ihn im Morgentauen. Der Dichter kehrt
zurück, findet den Frieden zerstört, die Braut verwüstet und
trägt sein grangewordenes Haupt in den Teich. Die Jugend, dar
grosse „Trrationale“, hat alles entschieden: zugleich mit dena
Kanzler, dessen schöner Besonnenheitswille oin Stück vom Herzen
Schnitzlers ist, gibt sich der alte Schnitzler selber geschlagen.
Symbole neigen sich zueinander und Mlüstern mit leicht er¬
hobenem Finger. Aber sie flüstern. Dies Raunen von Dichtung
konnte es, drei Stunden lang, ein vollbesetztes Theater
lessein? Das Burgtbeater hatte seit langem den grössten und er¬
folgreichsten Abend, als es den Sehrein dieser stillen Gebärden
eröffnete. Mit einer ganz innerlichen Noblesse, ohne Pathos und
Exlravaganz, ja, mit liebreicber Anmut geschah dies. Eine
romautisch-philosophische Messe wurde dem Publikum gebolen:
Balser zelebrierte sie, als Kanzler vielleicht der Stärkste des
Abends; dann Ferdinand Onno, diesmal sehr menschlich und
wirklich dichterisch als Dichter. Als Schwester des Kanzlers
Frau Wohlgemuth, ei: guter All, hälte ich beinabe gesagt: denn
hier ist Sprechkunst vo wichtig wie „Stimme“ Und Schnitzlers
Max Piccolomini ist hennings, dem man das gerne glaubt. Ein
aller Sekretär ist noch da, ein akzentulerter Wahnsinniger, der
meint, dass er Schlossherrn und Gäste nur träume. Es ist, auf
der Szeue, Albert Heine ... Dann aber kam, der auch diesen
nur träumte, Arinur Schnitzler selbst vor den- Vorhang. Und wie
dieses gelicbten Dichters graues, befriedetes Gesicht milde vor
dem Parkett erschien und ihm ein Sturm von Herzlichkeit ent¬
gegenschwoll (sogar von denen, die aus Amtes Gründen nicht
klatschten), da fühlte man: Das ist schön von den Wienern!
Schön, nachdem sie sechs Tage lang Zeitgenossen, gewesen sind,
Genossen dieser schweren Zeit, dass sie am siebenten Tageraus¬
ruhen. Und dass sig einem Dichter erlauben, mit Thhen im Bunde
das Gleiche zu tun.
Heinrich Eduard Jacob.