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30. Der Gang zun Weiher
„ „ —
zur k. Liliam Leitzel sollte im nächsten Monat bei Ronacher
wepnen und Sauten nicht a GEZAWien auftreten. Es bestand zunächst der Verdacht, daß
Einen Stock tiefer sich eine Türe,
GEB S 10.- DAS LUSIGE ANEKDOTENAUCH GEH. S 7.—1 die ginglückliche Artistin einem ruchlosen Anschlag zum Opfer
Schwelle erschien. Sie war die
FIBA-VERLAG . WIEN-LEIPZIg gefellen sei, es hat sich aber nunmehr herausgestellt, daß das
gußeiserne Material ihres Turngerätes schadhaft war.
die genossene Brautnacht durch Heirat zu liquidieren. Er
Das ist vielleicht ein Mangel im Sinne des Theatralischen,
gibt nach, er fügt sich, wenn dann die Tochter für sich selbst
bildet aber einen Reiz dieser fast bis zur Einsamkeit hohen
heater.
wie für den Gefährten einer einzigen Liebesstunde volle Frei¬
Dichtung. Die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, in die
heit des Entschließens fordert. Weit mehr als durch milde
das Spiel verlegt wird, ist nur ein Zeitpunkt, ein Kostüm¬
“, von Artur Schnitzler.
erscheint dieser prachtvoll gezeichnete Mensch von Schwäche
datum. Vom wirklichen achtzehnten Jahrhundert lebt sonst
r Salten.
gelenkt. Schwäche, die dem Kenner und Versteher des Herzens
wenig in diesem dramatischen Gedicht. Dafür spürt man
mit dem gleichen Recht ein
wie des Schicksals jede Entschlossenheit des Urteilens lähmt.
unter dem Versmaß der Dialoge den Pulsschlag unserer Zeit.
var einst Kanzler, ist Jugend¬
Denn nur der Unreife handelt oder urteilt rasch und wird
Dafür vernimmt man den Zauber von Schnitzlers ewig
ers gewesen. Lebt jetzt auf
damit zum blinden Werkzeug des Geschickes. Der Kanzler¬
menschlicher Melodie, empfindet die musikalische Schöpfer¬
Kanzler, doch wer weiß, ob er
Bruder=Vater=Freund jedoch gehört zu jenen Ueberreifen,
kraft, die alle Gestalten erstehen ließ.
on auf, es zu sein, gerade, da
Uebererfahrenen, Ueberweisen, die Schnitzler oft und meister¬
Der ganze Zuschauerkreis gab sich denn auch willig dem
r Krieg, den er fast schon ver¬
haft geschildert hat. Noch niemals aber mit solch endgültiger
Dichter gefangen. Beinahe mit Andacht lauschte man den
s. Da sagt der edle Mann:
Plastik wie in der Gestalt des Freiherrn v. Mayenau.
Versen, die mehr weisen Tiefsinn, mehr Resignation, mehr
selbst ohne Sinn, als Wort,
Die Krise eines Reiches gibt den großen, al fresco
aufwühlendes Empfinden, als aufregende dramatische Effekte
weise.“ Und beschließt, in
gemalten Hintergrund zu den fünf Akten. Das seltsame, un¬
verströmen. Man schien das reine Wesen, die edle Persön¬
doch für frevelhaft und nutz¬
auflösliche und doch zerbrochene Verhältnis des Kanzlers
lichkeit Schnitzlers zu spüren, die sich hier stärker noch kund¬
ges Ding ist Tat, selbst ohne
zum Kaiser. Die Gefahr des Krieges, die, zuerst beinahe ge¬
gab als in manchen früheren Werken. Als er dann selbst
ann, der gewesene, der jetzige
bannt, dann um so drohender hereinbricht. Der Marschall
hervortrat, rauschte ihm die Huldigung aller entgegen. Die
bewohner, der gütige, gro߬
(der nicht auftritt), der Verräterpläne spinnt. Dessen Sohn,
ihn seit der „Liebelei“, seit dem „Medardus“, seit vielen
der aus überreichem Erkennen
eben der junge Offizier, der die Tochter des Kanzlers besitzt,
seiner Stücke, seiner Bücher lieben und verehren. Die Auf¬
en, dem Schicksal zugleich ver¬
gegen den Kanzler aber, nicht bloß gegen den Vater, mit
führung, von Albert Heine, der auch den Sekretär spielte,
irrt er.
Wildheit mentert. Einzig das Los jenes alternden Freundes,
glatt gelenkt, hatte an dem Erfolg des Abends großen Anteil.
der um die Tochter warb, vollendet sich in diesem Stück. Er
d, erfahren wir nicht. Die
Obwohl ... Es gibt allerdings kleine Einschränkungen, die
ntscheidende an diesem drama¬
war ein geistiger Führer, und die Heimat, die ihm Gefolg¬
nicht verschwiegen sein sollen. Herrn Onno fehlte diesmal
schaft weigerte, wurde ihm fremd. Aus der wirklichen Fremde,
rs, in einer Zukunft, die erst
der rechte Glanz. Er war so zerrauft und so unglücklich zer¬
Vorhang zum letzten Male
die er durchstreift hat, kehrt er zurück. (Vielleicht ist unter
zupft wie seine Perücke, die sich vergeblich bemühte, Genialität
Akte von einer Fülle des
seinem Einzellos anonym die Tragik eines ganzen Volkes
anzudeuten. Da Aeußerlichkeiten niemals etwos nur Aeußer¬
s stürmisch bewegt. Von dem
verborgen.) Jetzt will er die oft verlassene, oft gesuchte Frau,
liches sind, findet er vielleicht den Glanz innerer Genialität,
u sehr bewahrt hat, leitet ein
die ein Kind von ihm erwartet, heiraten. Da trifft er die
den er ja sonst hat, wieder, wenn er seinem Haar die Ver¬
zurück zu dem alten Musi¬
Tochter des Kanzlers, glaubt sich geliebt, liebt selbst. Und
zweiflung nimmt und es zu strenger Schlichtheit ordnet. Als
er sich gleicher überzärtlicher
wie er anderen Tages hört, das junge Mädchen habe sich
arrangierter Kanzler war Herr Balser von sympathischer
ne Schwester anklagt. Des
einem anderen, einem jungen Mann geschenkt, geht auch er
Wärme, doch so wenig hintergründig, daß er manchmal an
un den Bruder beschwichtigen,
den Weg zum Weiher. Doch nur um sein Dasein in der un¬
den professoralen Bethmann Hollweg denken ließ. Die Reihe
eiz, daß er sie dem Begehren
ergründlich tiefen Flut zu beschließen. Bleibt noch anzu¬
seiner frischlebendigen Gestalten bereicherte Herr Hennings
s Erfahren lehrt den Kanzler,
merken, daß er sein Tagebuch verbrennt, indessen der Kanzler
durch den jungen Offizier, den er frisch und lebendig spielt.
Erinnerungen schreibt.
sein. Ist er wirklich mild zu
Zwei Frauen gehen durch die fünf Akte. Die behütete
gen auf, da der heimgekehrte
Sonst schweben die Vorgänge alle zwischen lebendig
Schwester des Kanzlers und dessen Tochter, an der kaum
die Tochter wirbt. Er lehnt
nachwirkender Vergangenheit und einer Zukunft, die mit
noch was zu hüten bleibt. Diese Tochter ist Frau Johannsen,
r, der die Tochter nachts am
Erfüllung lockt oder droht. Schweben in rasch hinsausender
deren zweifellos vorhandenes Talent, wie so oft, auch jett
ganz besessen hat, sich weigert, Gegenwart, bereiten Schicksale vor, ohne sie zu entscheiden. an falscher Beschäftigung leidet. Sie vermochte es nicht, das
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30. Der Gang zun Weiher
„ „ —
zur k. Liliam Leitzel sollte im nächsten Monat bei Ronacher
wepnen und Sauten nicht a GEZAWien auftreten. Es bestand zunächst der Verdacht, daß
Einen Stock tiefer sich eine Türe,
GEB S 10.- DAS LUSIGE ANEKDOTENAUCH GEH. S 7.—1 die ginglückliche Artistin einem ruchlosen Anschlag zum Opfer
Schwelle erschien. Sie war die
FIBA-VERLAG . WIEN-LEIPZIg gefellen sei, es hat sich aber nunmehr herausgestellt, daß das
gußeiserne Material ihres Turngerätes schadhaft war.
die genossene Brautnacht durch Heirat zu liquidieren. Er
Das ist vielleicht ein Mangel im Sinne des Theatralischen,
gibt nach, er fügt sich, wenn dann die Tochter für sich selbst
bildet aber einen Reiz dieser fast bis zur Einsamkeit hohen
heater.
wie für den Gefährten einer einzigen Liebesstunde volle Frei¬
Dichtung. Die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, in die
heit des Entschließens fordert. Weit mehr als durch milde
das Spiel verlegt wird, ist nur ein Zeitpunkt, ein Kostüm¬
“, von Artur Schnitzler.
erscheint dieser prachtvoll gezeichnete Mensch von Schwäche
datum. Vom wirklichen achtzehnten Jahrhundert lebt sonst
r Salten.
gelenkt. Schwäche, die dem Kenner und Versteher des Herzens
wenig in diesem dramatischen Gedicht. Dafür spürt man
mit dem gleichen Recht ein
wie des Schicksals jede Entschlossenheit des Urteilens lähmt.
unter dem Versmaß der Dialoge den Pulsschlag unserer Zeit.
var einst Kanzler, ist Jugend¬
Denn nur der Unreife handelt oder urteilt rasch und wird
Dafür vernimmt man den Zauber von Schnitzlers ewig
ers gewesen. Lebt jetzt auf
damit zum blinden Werkzeug des Geschickes. Der Kanzler¬
menschlicher Melodie, empfindet die musikalische Schöpfer¬
Kanzler, doch wer weiß, ob er
Bruder=Vater=Freund jedoch gehört zu jenen Ueberreifen,
kraft, die alle Gestalten erstehen ließ.
on auf, es zu sein, gerade, da
Uebererfahrenen, Ueberweisen, die Schnitzler oft und meister¬
Der ganze Zuschauerkreis gab sich denn auch willig dem
r Krieg, den er fast schon ver¬
haft geschildert hat. Noch niemals aber mit solch endgültiger
Dichter gefangen. Beinahe mit Andacht lauschte man den
s. Da sagt der edle Mann:
Plastik wie in der Gestalt des Freiherrn v. Mayenau.
Versen, die mehr weisen Tiefsinn, mehr Resignation, mehr
selbst ohne Sinn, als Wort,
Die Krise eines Reiches gibt den großen, al fresco
aufwühlendes Empfinden, als aufregende dramatische Effekte
weise.“ Und beschließt, in
gemalten Hintergrund zu den fünf Akten. Das seltsame, un¬
verströmen. Man schien das reine Wesen, die edle Persön¬
doch für frevelhaft und nutz¬
auflösliche und doch zerbrochene Verhältnis des Kanzlers
lichkeit Schnitzlers zu spüren, die sich hier stärker noch kund¬
ges Ding ist Tat, selbst ohne
zum Kaiser. Die Gefahr des Krieges, die, zuerst beinahe ge¬
gab als in manchen früheren Werken. Als er dann selbst
ann, der gewesene, der jetzige
bannt, dann um so drohender hereinbricht. Der Marschall
hervortrat, rauschte ihm die Huldigung aller entgegen. Die
bewohner, der gütige, gro߬
(der nicht auftritt), der Verräterpläne spinnt. Dessen Sohn,
ihn seit der „Liebelei“, seit dem „Medardus“, seit vielen
der aus überreichem Erkennen
eben der junge Offizier, der die Tochter des Kanzlers besitzt,
seiner Stücke, seiner Bücher lieben und verehren. Die Auf¬
en, dem Schicksal zugleich ver¬
gegen den Kanzler aber, nicht bloß gegen den Vater, mit
führung, von Albert Heine, der auch den Sekretär spielte,
irrt er.
Wildheit mentert. Einzig das Los jenes alternden Freundes,
glatt gelenkt, hatte an dem Erfolg des Abends großen Anteil.
der um die Tochter warb, vollendet sich in diesem Stück. Er
d, erfahren wir nicht. Die
Obwohl ... Es gibt allerdings kleine Einschränkungen, die
ntscheidende an diesem drama¬
war ein geistiger Führer, und die Heimat, die ihm Gefolg¬
nicht verschwiegen sein sollen. Herrn Onno fehlte diesmal
schaft weigerte, wurde ihm fremd. Aus der wirklichen Fremde,
rs, in einer Zukunft, die erst
der rechte Glanz. Er war so zerrauft und so unglücklich zer¬
Vorhang zum letzten Male
die er durchstreift hat, kehrt er zurück. (Vielleicht ist unter
zupft wie seine Perücke, die sich vergeblich bemühte, Genialität
Akte von einer Fülle des
seinem Einzellos anonym die Tragik eines ganzen Volkes
anzudeuten. Da Aeußerlichkeiten niemals etwos nur Aeußer¬
s stürmisch bewegt. Von dem
verborgen.) Jetzt will er die oft verlassene, oft gesuchte Frau,
liches sind, findet er vielleicht den Glanz innerer Genialität,
u sehr bewahrt hat, leitet ein
die ein Kind von ihm erwartet, heiraten. Da trifft er die
den er ja sonst hat, wieder, wenn er seinem Haar die Ver¬
zurück zu dem alten Musi¬
Tochter des Kanzlers, glaubt sich geliebt, liebt selbst. Und
zweiflung nimmt und es zu strenger Schlichtheit ordnet. Als
er sich gleicher überzärtlicher
wie er anderen Tages hört, das junge Mädchen habe sich
arrangierter Kanzler war Herr Balser von sympathischer
ne Schwester anklagt. Des
einem anderen, einem jungen Mann geschenkt, geht auch er
Wärme, doch so wenig hintergründig, daß er manchmal an
un den Bruder beschwichtigen,
den Weg zum Weiher. Doch nur um sein Dasein in der un¬
den professoralen Bethmann Hollweg denken ließ. Die Reihe
eiz, daß er sie dem Begehren
ergründlich tiefen Flut zu beschließen. Bleibt noch anzu¬
seiner frischlebendigen Gestalten bereicherte Herr Hennings
s Erfahren lehrt den Kanzler,
merken, daß er sein Tagebuch verbrennt, indessen der Kanzler
durch den jungen Offizier, den er frisch und lebendig spielt.
Erinnerungen schreibt.
sein. Ist er wirklich mild zu
Zwei Frauen gehen durch die fünf Akte. Die behütete
gen auf, da der heimgekehrte
Sonst schweben die Vorgänge alle zwischen lebendig
Schwester des Kanzlers und dessen Tochter, an der kaum
die Tochter wirbt. Er lehnt
nachwirkender Vergangenheit und einer Zukunft, die mit
noch was zu hüten bleibt. Diese Tochter ist Frau Johannsen,
r, der die Tochter nachts am
Erfüllung lockt oder droht. Schweben in rasch hinsausender
deren zweifellos vorhandenes Talent, wie so oft, auch jett
ganz besessen hat, sich weigert, Gegenwart, bereiten Schicksale vor, ohne sie zu entscheiden. an falscher Beschäftigung leidet. Sie vermochte es nicht, das