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30. Der Gang zun Neiher
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Stoff in den Ablauf eines Bühnengeschehens zu der Dichter dieses Sekretärs mit weit größerem Recht
von der Umwelt seiner Gesialten sprechen: Die Welt,
zwängen. Das Ergebnis bestätigt, wie gefährlich und
sie war nicht, eh ich sie erschuf. Allerdings schafft er
nachteilig diese Transpositionen von einer Kunstform
sie heute nicht zum erstenmal, aber mit alter Kunst
in die andere sind.
stellt er dar, wie am Vorabend eines Kriegs Liebes¬
Zugegeben: Die Stimmungsmalerei der einzelnen
fäden sich anspinnen, verwirren, entwirren, wie sie
Bilder hat ihren Reiz, das seltsame Schweben der
Cad
wohl gar abreißen, wie das Alter vor der Jugend
Penzoldtschen Figuren zwischen Traum und Wirk¬
kapituliert oder auch nicht, wie Probleme von heut
lichkeit, Schein und Sein, das phantastische Helldunkel
und hier, aus der Gegenwart ins Zeitlose gerückt, reiser
seiner Gestaltung läßt sich auf die Bühne hinüberretten.
Weisheit erscheinen. Die einzelne Gestalt, die einzelne
Aber das Beste geht verloren: die Schattierung und
Begebenheit, die einzelne Fragesiellung, die einzelne
das langsame, unentrinnbare Hineingleiten in eine
Stimmung will hier nicht so viel besagen wie das ge¬
Situation, aus der es für die beiden jungen Menschen
samte Werk, dem, wenn es verklungen ist, ein voller
keinen Ausweg mehr gibt. Die Novelle berichtet und
Akkord der Schönheit nachtönt.
kann das Wunderbarste und Unwahrscheinlich sie glaub¬
Robert F. Arnold
haft und unter Wahrung größter Lebensintensität
richten. Für das Drama gilt keine Möglich keit als die
sinnfällige Darstellung. Und hier versagt die Kraft des
Weimar
Unwahrscheinlichen. Die Ausflucht in die Bezirke des
„Jagt ihn — ein Mensch!“ Schauspiel in fünf Auf¬
Übernatürlichen, des herenhaft Dämonischen und des
zügen. Von E. G. Kolbenheyer. (Uraufführung am
Pathologischen, eine Übersteigerung des ganzen Milieus
Deutschen Nationaltheater am 31. Januar 1931.)
aus dem Normalen, Kleinbürgerlichen ins Besessene
bringt artistischen Reiz, einen Nerven= aber keinen
Wenn ein Romangestalter mit starkem denkerischem
Herzensauftrieb.
Einschlag, wie Kolbenheyer, sich auf der Bühne zum
Die Novelle von Etienne und Luise hat Sinn und Ziel
Wort meldet, gilt es so sehr wie möglich irgendein
in sich selber, das „kleine Trauerspiel“ muß seine Hilfe
Vorurteil beiseitezustellen, das sich auf die landläusige,
von außen heranholen und mit Stimmungsrequisiten
in mancher Hinsicht nicht unberechtigte Entgegengesetzt¬
und überdetaillierter Darstellung arbeiten. Es wirkt
heit der ausgesprochen epischen und der dramatischen
spielerischer und viel weniger organisch. Alles in allem
ein Anlaß mehr, sich dankbar der Novelle zu erinnern,
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deren Glanz von dem dramatischen Erperiment nicht
Paula Scheidweiler
verdunkelt werden darf.
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S
Wien
„Der Gang zum Weiher.“ Eine dramatische Dichtung
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in fünf Aufzügen. Von Arthur Schnitzler. (Urauffüh¬
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rung im Burgtheater am 14. Februar 1931.),
Eine anmutige Wunderwelt, in der doch alles mit
rechten Dingen zugeht, tut sich auf. Nur so viel vom
Donauland, nur so viel von Rokoko enthält sie, daß das
Theater über Landschaft und Kostüm einigermaßen
Bescheid wisse; in Wirklich keit (aber was ist hier, was
ist überhaupt Wirklichkeit?) liegen diese Welt und dieser
Weiher, leben diese feinen Männer, diese schönen
Frauen jenseits von aller Geographie und Geschichte
in irgendeinem Irgendwo oder Nirgendheim, wo sich
der blanke Glanz blanker Verse — der besten, die
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Schnitzler je geschrieben — sehen oder hören lassen
darf, und wenn durch dieses Drama ein etwas schatten¬
hafter Sekretär geistert, der nach berühmten Musiern
E. G. Kolbenheyer
in Philosophie und Dichtung alles um sich her als
Zeichnung von B. F. Dolbin
Vorstellung seines Hirns in Beschlag nimmt, so kann
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