W
30. DerGang zumiher
1eode ScnwenRnaAun
L
K
NE
esGa#re# eurEENEà T.TUNOI·AUSSCNNITT aCao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Handelsblatt
Kölnische Volkszeitung und
Abend-Ausgabe
24 Mal 1937
Ausschnitt aus der Nummer vom:
Arthur Schnitzler: „Der Gang zum Weiher“
Gleichsdeutsche Uraufführung am Staatstheater in Wiesbaden)
An und füt sich ist gegen die Begründung, die von der hiesigen
Intendautur für die Uraufführung eines Werkes ins Feld geführt
wird, das „abgeklärt und voll Haltung“ ist, nichts einzuwenden.
Vorausgesetzt, daß die dramatisch=technischen Vorbedingungen
wenigstens zu einem Mindestmaß vorhanden sind. Allein, gemessen
an den Normen dramatischer Eigengesetzlichkeit und den Anforde¬
rungen einer im Laufe der Zeit verseinerten Kritik, läßt sich diese
Frage nicht restlos bejahen.
Der Dichter nennt sein Werk eine dramatische Dichtung, damit
die Richtung angebend, in der es formal gedeutet werden soll.
Man denkt an Lessings dramatisches Gedicht, den Nathan. Die
Sprache ist denn auch das Beherrschende, in feierlicher Wallung,
in umständlichem Wurf legt sie sich um das Geschehen, das der
Aktualität und Lebendigkeit mehr enträt als zweckdienlich ist: an
der Notwendigkeit spannenden Ablaufs kann auch der von ernsten
Forderungen und schöngeistigen Formen geleitete Dichter nicht vor¬
beisehen, ebensowenig, wie an einer großzügigen das gesamte
Geschehen überstrahlenden Einheit und Folgerichtigkeit. Von hier
ius gesehen, wirkt die mystifizierende Symbolik im Zuständlichen
und in der Charakterzeichnung eher verwirrend als bereichernd:
„Der Gang zum Weiher“ mutet bei der Tochter wie eine
romantische Gefühlsverwirrung an und bleibt eben so wirkungslos
wie der unmännliche Entschluß, des Haus= und Jugendfreundes, in
dem letzten Gang dorthin Erlösung in den reichlich zerfahrenen
Gemütszuständen zu finden. So wirkt auch die Haupthandlung,
die das Schicksal des seines Amtes entsetzten, dann wieder in
seine Stellung zurückberufenen Kanzlers zum Gegenstand hat (das
Unheil des unüberlegt heraufbeschworenen Krieges im Gegensatz
zur heißblütigen Jugend zu bannen, hat er sich zur Aufgabe gesetzt,
um im letzten Augenblick doch davon überrascht zu werden), mehr
akademisch als überzeugend.
Somit fehlt es dem Ganzen am Letzten, der dramatischen Durch¬
schlagskraft. Auch eine noch so gut gemeinte Interpretation kann
daran nichts ändern, die sorgfältigste Inszenierung das Werk nicht
für die Bühne retten. Die Darsteller bemühten sich mit Erfolg,
dem Werke zu geben, was es verlangt: den gelassenen Rhythmus
der Ruhe und die still=feierliche Schönheit der sprächlichen Form:
Robert Kleinert als diplomatisch geschickter und menschlich
kluger Kanzler, als Vertreter des abgeklärten Alters plastisch
kontrastierend zu dem jugendlich erregten Sohn des Marschalls, dem
Dr. M.—
Maurus Liertz temperamentvolle Farbung lieh.
box 34/3
„Der Gang zum Weiher.“ Aus Wiesbaden wird
uns gemeldet: Schnitzlers „Gang zum Weiher“ hat im Rahmen
der Maifestspiele in Wiesbaden die reichsdeutsche Uraufführung
erlebt. Das innige Gedicht mit seiner gepflegten sprachlichen
Form und dem Reichtum kluger Gedanken, aber ohne rechtes
dramatisches Leben fand hier nur achtungsvolle Aufnahme. Die
Regie Dr. von Ga#dens gab mit zarter Einfühlung in den
etwas krausen Sinn des Werkes ihren ausgesprochenen Kammer¬
spielcharakter. Die besten schauspielerischen Kräfte des Staats¬
theaters setzten sich für die undankbaren Aufgaben ein, Frau Treff
besonders gelang es, die seltsam schwüle Atmosphäre der Dichtung
auf der Bühne zu bannen. Den Kanzler wußte Herr Kleinert
gefühlsmächtig zu erfassen. Den Künstlern galt der Beifall me#
als dem Stück.
30. DerGang zumiher
1eode ScnwenRnaAun
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BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
Handelsblatt
Kölnische Volkszeitung und
Abend-Ausgabe
24 Mal 1937
Ausschnitt aus der Nummer vom:
Arthur Schnitzler: „Der Gang zum Weiher“
Gleichsdeutsche Uraufführung am Staatstheater in Wiesbaden)
An und füt sich ist gegen die Begründung, die von der hiesigen
Intendautur für die Uraufführung eines Werkes ins Feld geführt
wird, das „abgeklärt und voll Haltung“ ist, nichts einzuwenden.
Vorausgesetzt, daß die dramatisch=technischen Vorbedingungen
wenigstens zu einem Mindestmaß vorhanden sind. Allein, gemessen
an den Normen dramatischer Eigengesetzlichkeit und den Anforde¬
rungen einer im Laufe der Zeit verseinerten Kritik, läßt sich diese
Frage nicht restlos bejahen.
Der Dichter nennt sein Werk eine dramatische Dichtung, damit
die Richtung angebend, in der es formal gedeutet werden soll.
Man denkt an Lessings dramatisches Gedicht, den Nathan. Die
Sprache ist denn auch das Beherrschende, in feierlicher Wallung,
in umständlichem Wurf legt sie sich um das Geschehen, das der
Aktualität und Lebendigkeit mehr enträt als zweckdienlich ist: an
der Notwendigkeit spannenden Ablaufs kann auch der von ernsten
Forderungen und schöngeistigen Formen geleitete Dichter nicht vor¬
beisehen, ebensowenig, wie an einer großzügigen das gesamte
Geschehen überstrahlenden Einheit und Folgerichtigkeit. Von hier
ius gesehen, wirkt die mystifizierende Symbolik im Zuständlichen
und in der Charakterzeichnung eher verwirrend als bereichernd:
„Der Gang zum Weiher“ mutet bei der Tochter wie eine
romantische Gefühlsverwirrung an und bleibt eben so wirkungslos
wie der unmännliche Entschluß, des Haus= und Jugendfreundes, in
dem letzten Gang dorthin Erlösung in den reichlich zerfahrenen
Gemütszuständen zu finden. So wirkt auch die Haupthandlung,
die das Schicksal des seines Amtes entsetzten, dann wieder in
seine Stellung zurückberufenen Kanzlers zum Gegenstand hat (das
Unheil des unüberlegt heraufbeschworenen Krieges im Gegensatz
zur heißblütigen Jugend zu bannen, hat er sich zur Aufgabe gesetzt,
um im letzten Augenblick doch davon überrascht zu werden), mehr
akademisch als überzeugend.
Somit fehlt es dem Ganzen am Letzten, der dramatischen Durch¬
schlagskraft. Auch eine noch so gut gemeinte Interpretation kann
daran nichts ändern, die sorgfältigste Inszenierung das Werk nicht
für die Bühne retten. Die Darsteller bemühten sich mit Erfolg,
dem Werke zu geben, was es verlangt: den gelassenen Rhythmus
der Ruhe und die still=feierliche Schönheit der sprächlichen Form:
Robert Kleinert als diplomatisch geschickter und menschlich
kluger Kanzler, als Vertreter des abgeklärten Alters plastisch
kontrastierend zu dem jugendlich erregten Sohn des Marschalls, dem
Dr. M.—
Maurus Liertz temperamentvolle Farbung lieh.
box 34/3
„Der Gang zum Weiher.“ Aus Wiesbaden wird
uns gemeldet: Schnitzlers „Gang zum Weiher“ hat im Rahmen
der Maifestspiele in Wiesbaden die reichsdeutsche Uraufführung
erlebt. Das innige Gedicht mit seiner gepflegten sprachlichen
Form und dem Reichtum kluger Gedanken, aber ohne rechtes
dramatisches Leben fand hier nur achtungsvolle Aufnahme. Die
Regie Dr. von Ga#dens gab mit zarter Einfühlung in den
etwas krausen Sinn des Werkes ihren ausgesprochenen Kammer¬
spielcharakter. Die besten schauspielerischen Kräfte des Staats¬
theaters setzten sich für die undankbaren Aufgaben ein, Frau Treff
besonders gelang es, die seltsam schwüle Atmosphäre der Dichtung
auf der Bühne zu bannen. Den Kanzler wußte Herr Kleinert
gefühlsmächtig zu erfassen. Den Künstlern galt der Beifall me#
als dem Stück.