II, Theaterstücke 29, Komödie der Verführung. In drei Akten (Der Verführer), Seite 76

Nr. 117 (XXVI. Jahrgang). I. November-Hälfte 1924. Preis 2000 K (— 13 Goldheller).

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Raguchhiaduee de Vümtdekktaaefe
Eigentümer u. Herausgeber. Karl Ed. Klopfer. Commandit-Verlag Klopfer & Comp. Wien, VIII., Skodagasse 28. Telephon Nr 23-1.87.
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Sateschlid dierer Nemmer, 21. Olioher, Die meichete eiel en 1e. Vorthe ingereben. — bel uienti, deltein ier der Pechiteuet vrerbonten
Das hätte die böse Angelegenheit ja in Ord¬
(König) usw. usw. Der Hausherr Prinz Arduin
nung gebracht, wenn darauf auch die Ehescheidung
Komödie der Verführung
(Hennings), den wir uns in seiner goldverschnür¬
erfolgt wäre. Aber das gräfliche Ehepaar blieb
#ten Uniform eines österreichischen Generals der
in drei Akten von Arthur Schnitzler. (Ur-beisammen — vielleicht zwei Verdammte, die in
Kavallerie ungefähr als einen Modena-Este vor¬
aufführung im Burgtheater Samstag, den 11.
der gemeinsam geschleppten Kette eine gemein-zustellen haben, erscheint in der Begleitung des
Oktober.)
same Schuld abbüßen müssen — und „quülte sich
Dichters Doehl (Andersen), der sich im Scherz
An der Spitze des Personenverzeichnisses
gegenseitig zu Tode“. Uber Aurelie, die um diese das Amt eines „Geheimrevolutionärs“ bei dem
und von den anderen Rollen etwas getrennt stehen
Zeit vor ihrer Mündigkeit stand, übernahm ein Prinzen zuspricht. Auf andere Weise war vor
drei einfache Frauennamen: Aurelie, Judith,
Freund ihres Vaters, der verwitwete Freiherr v.Idem Krieg ein ehrenhaftes Verhältnis zwischen
Seraphine. Wir sollen sie wohl als Typen be¬
Falkenir, eine kurze Vormundschaft. Auch in
einem modernen Poeten und einem so hohen
trachten, abseits von ihren Beziehungen zu den
dessen Haus waren eheliche Unstimmigkeiten zu
Herrn nicht zu erklären. (Daß ein Gigerl von
übrigen Personen. Aurelie könnten wir als das
einem krassen Abschluß gekommen. Seine Frau Rittmeister die Bemerkung macht, Seine Hoheit
Weib der Antike, des heidnischen Sonnenkults
beging Selbstmord. Darauf hat er die Diplomaten¬
lasse sich gern herab und der Maler Gysar ihm
nehmen, ein Mädchen aus der Fremde in der
laufbahn verlassen und sich nach Rom zurückgezo¬
darauf erwidert, daß es vielleicht der Dichter
modernen Umwelt und sich selber befremdend,
gen, um gelehrten Studien zu obliegen. Heuer
sei, der sich zu dem Prinzen herablasse, ist von
wenn sie, die gesellschaftlich in den Satzungen
(man schreibt 1914) ist er im Fasching wieder
der Hauszensur des Burgtheaters gestrichen
des Hochadels wurzelt, die Freiheit ihrer Seele
in Wien aufgetaucht und auf einem Ball im
worden, was man vielleicht wieder als Anzeichen
gegen das eigene Blut verteidigen muß. — Aus
Hause der Fürstin Degenbach recht unvermutet
nehmen könnte, daß man sich dort auf die
ferner Urheimat kommt auch die Judith, doch
deren Nichte: Aurelie Merkenstein wiederbegeg- Wiederherstellung der „alten Verhältnisse“ ein¬
kein Mädchen aus der Fremde in der Börsen¬
net. Wie Märchenzauber ging’s von der Vielum-richtet — leider nur nicht auf die Wieder¬
welt, mit der sie verschwägert ist, und wenn
schwärmten aus, die Alles in's Unwirkliche hob herstellung des alten Burgtheaters.) Der Prinz
wir im Verlauf der Begebenheiten erfahren, daß
und paradiesische Fata Morgana an die Stelle der
spricht vor Doehl seinen Zweifel aus, daß Aurelie,
ihr Familienname Asrael lautet, so erkennen
räsonablen Realität setzte. Wer hat da das Diktum
die Unberechenbare, wirklich auf diesem Maifest
wir zwar den semitischen A/rah als Urahn der
gefällt, Aurelie müsse in eheliche Geborgenheit
erscheinen werde. In diesem Moment nähert sich
Sippen, die sich vom Asser zum Ascher moderni¬
gebracht werden? Der Hofstaat der Märchen¬
ihm die maskierte Frau Julia Westerhaus und
siert haben, müssen uns aber zugleich überzeugen,
prinzessin war einmütig darin, daß ihr gezieme,
verlangt — als seine abgedanktenGelichte
sich den Gemahl zu Gäuien, und dn waien diei
daß diese Dame weit abfiel vom Stamm jener
weingstens nech eine Toschleusvierteistunde: „ien
Herren, die rasch entschlossen ein Vorrecht an¬
Asra, die da sterben, wenn sie lieben. —
schwöre dir, daß ich mich nicht in deinem Bett
sprachen, um ihr in der zudringlichen Menge
Seraphine ist Wiener Blut von der feinsten
erdrosseln werde.“ (Dagegen hat die Burgtheater¬
der kühnen Bewerber Luft zu verschaffen; der
Mischung, die man Künstlerblut nennen müßte,
Zensur selbstverständlich Nichts einzuwenden ge¬
junge Prinz Arduin von Perosa, der sie Cousine
auch wenn es nicht zur Violinvirtuosin gereicht
habt.) Arduin verschwindet mit ihr, während
nennen darf und einen mehr als ebenbürtigen
hätte, denn in ihm blüht und duftet die Köst¬
Doehl von Papa Fenz an seinen Tisch am Buffet
Gatten abgäbe, sodann ein ebenso junger Dichter
lichkeit der Landschaft, in der Beethoven, Haydn,
gezogen wird, wo bald darauf Seraphine sichtbar
Ambros Doehl, von dessen Versen Aurelie be¬
Mozart und Schubert zur Edelreife gelangt sind.
wird. Doehl — den alle Welt zum Vertrauten
rauscht ist, und schließlich — gewissermaßen
Wenn man genau zusieht, sind nicht nur
macht und der darum ahnt, daß ihm das Dichter¬
als Ehrenmitglied im Bunde — der ehemalige
diese drei, sondern überhaupt alle auftretenden
loos beschieden ist, mit jeder eigenen Herzens¬
Vormund Falkenir, der Mann ven Vierzig, der ihr
Personen Nachkommen von Schnitzlers uns wohl¬
hoffnung enttäuscht zu werden — läßt sich einen
eine bewährte Freundeshand zum Geleite durch’s
bekannten Geschöpfen, und wir sehen sie vielleicht
Strauß glühender Rosen, den er wahrscheinlich
Leben böte. Aurelie hat dieses Ergebnis einer
schärfer als er selbst, der sich träumend von
für Aurelie bereitgehabt hätte, von Seraphine
dionysischen Ballnacht-Stimmung willkommen ge¬
ihnen antreten ließ, wie ein größerer Dichter,
abschwatzen, als er ihr sein Kompliment über
heißen und Bedenkzeit verlangt: drei Monate,
der längst der Welt gehört:
ihr improvisiertes Geigenspiel macht. „Es war
in denen sie die drei gleich liebwerten Gesell¬
eine so leidenschaftliche Melodie.“ — „Phanta¬
Ihr drängt euch zu — nun gut, so mögt ihr walten,
schafter nicht sehen will, um ungestört zu
Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;
sieen“, erwidert sie. „Was mein Herz mir ein¬
Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert
überlegen, wein sie ein ganzes Herz schenken
gab.“ — „Dann wundert es mich, daß Sie so
Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.
könne. Am 1. Mai muß Prinz Arduin in seinem
aufrichtig gewesen sind, Seraphine.“ (Unsinni¬
Die „schwankenden Gestalten“, sie sind bei
Wiener Palais ein Parkfest zugunsten einer, von
ger Weise legt der Darsteller den Hauptton auf
Schnitzler stets Menschen von Fleisch und Blut
der Fürstin Degenbach patronisierten Wohltätig¬
„Sie“, was schon das einleitende „Dann“ verböte,
gewesen; darum kann er ihnen mit der nach¬
keitsaktion geben; da will man zur Mitter¬
so daß eine Sottise daraus wird.) Ihre Schwester
reifenden Seelenkunde neue Lebensgeheimnisse
nachtsstunde am Schloßteich zusammentreffen, und
führt nun einen Leutnant ein, der bei Papa um
abhorchen — und darüber staunen gleich uns.
Aurelie wird ihre Entscheidung bekanntgeben.
ihre Hand anhält. Das Familien-Idyll wird durch
Er hat seinen Faust aus dem Don Juan-Pro¬
Der erste Akt bringt dieses Frühlingsnacht¬
zwei weibliche Masken gestört, die den alten
blem entwickelt und sein Ewigweibliches nicht
Maskenfest im feenhaft beleuchteten Park des
Vokativus von Kammersänger in die Ferne
zur Errettung berufen. sondern zu Don Juans
Prinzen von Perosa. Hier ist der Teich und da¬
locken. Bald darauf taucht auf dem Kiesweg am
Uberwindung und zu Faustens Erleuchtung: daß
neben auf einer der Terrassen, in denen sich
Teich der berühmte Max v. Reisenberg auf (Karl
einer grüblerischen Psychologie die Traumwand¬
der Park zur Höhe des Belvederes aufstuft, das
Günther, der jugendliche Bonvivant vom Deutschen
ler-Sicherheit vorzuziehn ist, mit der ein richtig
Champagnerzelt der Fürstin (Witt), wo auch die
Volkstheater, der auf Wunsch des Verfassers
Verliebter an allen natürlichen Abgründen vor¬
ungehende Sängerin Judith Asrael (Aknay)
engagiert worden ist). Das ist der Sohn des
beikommt.
Ehrendienst macht und sich nach und nach
Juweliers, der im Duell mit Graf Merkenstein
Gräfin Aurelie Merkenstein ist das Schnitz¬
zwanglose Gruppen zusammentinden. Da haben
fiel, Elegant und Beau, Lebejüngling und Müßig¬
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