II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 80

Prodiem, wie solgt:
läßt sich Ca anova
seinen betrogenen
„Die eine die versprochne Gunst
n. Er glaubt noch
Wies immer kam — dem Jüngling vorenthielt,
bekannten Baronin
Die ndre, die ihm höchste Huld gewährt
o nicht, daß es
Doch wie chs auch gefügt, nicht als sie selbst.
des sonst so ge¬
Und o erscheint in diesem Zu alls.piel
hocherfreut und
Die eine nicht und nicht die andere, sondern
Bei piel dran!)
Der gute Jüngling als zumeist betrogen.
aber erklärt
Und rühmt er etwa seines Sieges sich,
ihres Ver¬
Als Lügner müßten beide Fraun ihn schelten,
das nächtlicher
Denn wenn mans recht erwagt besaß er keine.“
bedetermaßen der
Man wird nicht mit Unrecht einwenden, daß
na erst recht böse.
wir dermalen andere Sorgen haben, als uns für
rgessen, sie packt
solche Minnegerichtsfragen zu interessieren, aber
hen. Im rechten
Schnitzler wird dagegen behaupten, daß die von ihm
, die das uner¬
geschilderte Sippe des achtzehnten Jahrhunderts eben
iben veranlassen
keine andere Sorgen hatte. Da kann man nichts
alt erfährt. Sie
machen. Und wie endet das Lustipiel? Mit einem
geliebten süßen,
neuen Mißverständnis. Der Dichterjüngling zückt den
nge gedarbt; sie
Degen gegen Casanova, aber die Baronin sucht das
Verruchte, Ver¬
Duell mit dem Aufschrei: „Mein Casanova!“ zu
was erwidert
verhindern, worauf wieder der Baron vom Leder
beide Frauen
zieht, weil er glaubt, seine Frau sei das
tscheidung treffe,
Opfer der Verwechslung gewesen. Das Problem
ihn habe. „Ge¬
bleibt ungelöst, aber der Lustspielknoten wird von
sagt sie. „Das
einer alten Liebe Casanovas, der Tänzerin Teresa,
die brünstige
entzweigehauen, die nach einer längeren Pause der
k Nacht geschentt,
Treulosigkeit reuig zurückkehrte und ihn nach Wien
arf er wählen.“ entführt, wo sie in der damais noch forestlosen Zeit
zurückkellen und ein Engagement an der kaiserlichen Oper mit einer
ch behalten. Sie Jahresgage von 6000 Gulden annahm. Casanova
g zum Liebes= folgt ihr, gibt aber vorher dem betrogenen Poeten
rin ihre Perlen den Ra¬
sich mit seiner Anina auszusohnen.Unn
dazu belehrt er ihn, daß es keine andere, keine bessere
Treue gebe auf Erden, als die Teresa eben ihm
bewies:
„Sie kehrte mir zurück. Nur das ist Treue,
Die einz'ge, die mit Recht so heißen darf.“
Ob wohl Schiller an eine solche Wieder ehr
dachte, als er den Satz niederschrieb: „Und die Treue.
sie ist doch kein leerer Wahn!" Zum Schlusse gehen die
drei Frauen, „in tiefster Seele Schwestern“ (1) Hand in
Hand in den Garten. Anina ruft zärtlich ihren Verlobten
und die drei Männer setzen sich versöhnt zu Tisch.
So endet das Lustspiel, in welchem überdies ein alter
holländischer Offizier als abgeklärter Ex=Casanova
philosophiert und ein 15jähriger Kellner als zutünf¬
tiger Casanova brünstelt, vorausgesetzt, daß er auch
Talent zum Schriftsteller hat. Sehr geschickt sind viele
Charakterzüge aus dem Leben des Herzensstapters in
den Dialog verflochten. Und wie aus den Memoiren.
läßt sich auch aus der Komödie schwer erkennen, was
an ihm wahr, was falsch ist. Darüber könnten viel¬
leicht die vielen-tausend Briefe an Casanova Aufschluß
geben, die sich noch immer im Schlosse zu Dux
feinem letzten Zufluchtsorte, befinden sollen.
Otto Treßler spielte den Abenteurer. Er
brachte selbstverständlich den dazu erforderlichen
Humor auf. Ob er das Betörende, Bezaubernde,
Berückende des großen Fraueneroberers besitzt, das
zu beurteilen sei der holden Weiblichkeit überlassen.
Frau Aknay war die kleine Anina. Recht nett in
der stillen Erinnerung an die vor allen anderen
Nächten ausgezeichnete Nacht, aber zu heroinenhaft
in den Ausbrüchen der Entrüstung. Herrn Schott,
dem Jüngling mit den illegitimen Hörnern, wuchsen
auch noch die Jamben über den Kopf. Er sollte sich
eine stattliche Anzahl davon streichen lassen,
besonders in der fingierten Novelle. Sehr wirksam
Frau Albach=Retty als Baronin, nur zu wenig
Losgängerin. Mit mehr Leben müßte auch Fräulein
Marberg als Tänzerin die Bühne füllen. Im
Buch hat die Figur mehr Blut, als auf dem Theater.
Das soll nicht sein! Direktor Heinegab den Vergnüg¬
ling der Vergangenheit zum Schlusse viel besser, als
za Anfang. Da war er leider zu undeutlich. Um so
klarer und deutlicher sprach Herr Danegger den
Baron. Der junge Thimig als Casanoverl zog
sich vorschriftsmäßig ohne Anstand aus der Affäre.
Das Publikum watete vergnügt in einem Meer von
Erotik und jubelte zum Schlusse den Dichter unzählige
Male vor die Rampe. Besonders heftig applaudierten
viele junge Damen in den Logen und im Parkett — es
gibt wirklich keine Komtessen mehr! Wann wird
Schnitzler zu dem Einen Punkt, aus dem der Weider
ewig Weh und Ach zu kurieren ist, den Schlußpunkt
setzen? Ich glaube, nie!
#iter Zeitung, Wien
27. März 1920
Nr. 88

Kunst und Wissen.
Burgtheater. Casanova, von einer Schönen erwartet,
steigt irrtümlich zur anderen ins Bett. Er wird des Irrtums
nicht gewahr, wohl aber die Frauen, dann deren mehr oder
minder gesetzliche Liebhaber, ganz zum Schluß erst Casanova
selber, der den Handel mit all seinen Wirrnissen und Fährlich¬
keiten gleichsam als unparteiischer Fachmann schlichten soll. Er
nun erklärt den Helden für betrogen, da er die eine für die
andere nahm, in Wahrheit also keine ganz besaß. Diese kecke
Wendung befreit Casanova nicht, vielmehr wird er selber von
einer dritten Frau befreit, von der Tänzerin Theresa, die
ihm nachgereist ist, um ihn wieder mit sich zu nehmen

wer weiß, wie lange? Schließlich sind um des
einen Casanova willen alle Frauen „Schwestern“ ver¬
bunden durch das Verlangen der Sinne, das zu be¬
friedigen Sinn und Vorrecht der Jugend ist. — Gerade dieses
Thema hat Arthur Schnitzler vor nicht langer Zeit in
einer schönen Novelle „Casanovas letztes Abenteuer“ behandelt,
vom Standpunkt des alternden Mannes, über den die Jugend
hinweggeht. Der innerlich verlöschende, noch einmal aufflackernde
Casanova war von dem Dichter, dem die Jahre zu
seinem sanft skeptischen Verstehen noch die Milde des Ver¬
zeihens und Verzichtens hinzugefügt haben, erschaut und
gestaltet. Der junge Casanova aber, um den wie
in dieser neuen Komödie „Die Schwestern" oder
„Casanova in Spa“ die Frauen sich noch mühen,
dem ist die sozusagen mehr gedankliche Erotik nicht
angemessen. Hier glüht's nicht von Liebesenergie, hier glitzert
nur die Rede von witzigen Wendungen, geistreichen Bemerlungen
— ein Problema der Dialektik ums andere kann nicht die
Kraft der Sinnlichkeit, und wär's auch nur Sinnlichkeit des
dramatischen Vorganges, ersetzen. Ueber die Längen des zweiten
und dritten Aktes helsen die hübschen Einfälle des Dichters
hinweg — ein schwächerer Schnitzler bleibt immerhin noch ein
Schnitzler —, vor allem aber auch die Darstellung. Frau
Aknay insbesondere hat die Rolle der einen Frau mit einer
Intensität angepackt, mit einer brennenden Energie durch¬
geführt, die nicht unbelohnt bleiben konnte. Nur vor einem
Ueberspannen ihrer Stimmkraft mag die Künstlerin sich hüten.
Mit dieser ganz vortrefflichen Annina hat Frau Aknay sich das
Recht auf manch andere Rolle erspielt. Vorzüglich auch Frau
Albach=Retty, die freilich das erfahrene Weib ein
bißchen höher in die Jahre transponiert, als der Dichter
vorschreibt. Sehr gut in der kleinen, aber schwierigen Rolle
der Tänzerin Frau Marberg. Den Casanova gibt Herr
Treßler sehr überlegen, sehr gewandt, voll Laune, nur ein
bißchen gelegentlich als Abenteurer zu wenig großer Herr,
mehr Beutelschneider. Casanova war das eine wie das andere,
doch alles nur in der einen Maske des bezaubernden
Eroberers. Die Liebhaber werden von den Herren Schott
und Dannegger dargestellt, dieser der rechte Zuhälter,
jener der unreife junge Mensch, der eher noch
in der Philosophie als in Liebesangelegenheiten
zurecht kommt, das Leben tragisch nimmt, statt es zu genießen.
Beide sehr gut. Herr Dannegger gewinnt seiner Rolle alle
Möglichkeiten ab, Herr Schott überwindet die undankbaren
Schwierigkeiten der seinen auf die beste Art. Den altgewordenen
Liebeshelden, der nur noch die jüngeren Casanovas beschützt,
um den Abglanz der genossenen Jugend nicht zu verlieren,
gibt Herr Heine mit der erforderlichen lächelnden Ironie.
Prächtig wiederum der junge Thimig als pfissiger Junge.
Aber dieser Art Rollen scheint er nun doch entwachsen; seit
seinem „Tyrannen“ ist in diese Lustigkeit ein Tropfen innerer
Trauer gefallen, der die Piccolo=Scherze für ihn unerträglich
macht. Die Darsteller alle hätten es verdient, mit dem Dichter
zu erscheinen, der wiederholt gerufen wurde.
D. B.