II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 104


swöhnlich beim Jugendwerk märchenhafter Einbildung. Von
Schnit###erwartet man seit Jahren vergeblich den großen
Wurf, „das Stück“, das er uns noch schuldig ist. Was er uns
bringt, sind Worte, nichts als Wocte. Schöne Worte, zum
Teil auch geistvolle Worte. Abgz. Worte ohne Tat. Der
neueste Schnitzler#ist ein Schäferspiel. Im zierlich ziseli###ten
Casanovastil schreitet, nein, Rtänzelt es daher, in Perrücke und
Kniehosen, mit halben#hlösten Brüsten und laxer Moral,
lächelnd, wie ein, mter Scherz und wichtigtuend, wie eine
Weltweisheit. Obzwar keine solche dahintersteckt. Der alternde
Casanova hatssich in einer äußerlich vornehmen, innerlich
verlumpten Gesellschaft zusammengefunden, die eventuell auch
falsch spielt und mit Kokotten herumreist. Hat in einer ver¬
spielten Nacht ein junges Weib eingefangen, das er überfiel,
als es einer liebessüchtigen Mondnacht zum Opfer fiel, in
der es auf den Geliebten wartete. Und geile Lump glaubte die
lers wichtige Frage darum: Der geile Lump glaubte die
Freundin zu besitzen, wer ist nun der Geprellte? Die ihn
erwartete und die er zu besitzen glaubte, oder die er besaß,
weil er sie nicht erkannte. Natürlich dreht der gewissenlose
Schlaukopf die Frage schließlich so, daß eigentlich er der Be¬
trogene sei, weil er keine von beiden besaß.
Ein Spiel mit Worten, wie man sieht, zierlich ge¬
rubert und watteauisch gefärbt, inhaltslos, manchmal bereits
gefährlich langweilig, weil gar zu viel geredet wird und nichts
getan. Zuletzt scheints fast, als fühlte der Dichter selbst die
Schwäche seiner dramatischen Argumentation, denn er schwätzt
plätschernd darauf los, um Schlußstimmung zu schaffen. Sie
will sich aber nicht einstellen und die ganze Chose endet mit
einer beinahe lächerlich wirkenden moralischen Wendung, die
dem lasziven Stückchen ansteht, wie ein Vorhemdchen einem
Schweinchen. Halten zu Gnaden Herr Dichter! Aber wenn
man durch drei Akte so starke Dinge sagt, wie sie die graziöse
verlumpte Bande plappert, die uns da vorgeführt wird, dann
Inimmt sich der Ruf der wiederkehrenden Geliebten ungefähr
faus, wie das „pstl pst!“ gewisser Damen von der Kärntner¬
straße. Wenn man schon graue Haare kriegt, darf man nicht
mit Moral scherzen. Man gerät in Gefahr, nicht ernst ge¬
nommen zu werden. Der gereifte Dichter muß zugreifen, nicht
tändeln. Besser daneben greifen, als nichtssagende Fingerser¬
tigkeit.
Graziöser Dialog, geistreiche Wendungen weist auch dieses
Stück auf, zu plaudern verstand Schnitzler ja immer. Aber
man geht unbefriedigt don dannen, weil man sich von sei¬
nem oft verherrlichten Namen und von der starken Reklame
mehr versprach. Die Heiterkeit, welche das hübsche Wort aus¬
löst, ist noch kein Erfolg, noch weniger aber ein Ehrenzeichen
für den wirklichen Dichter. Schnitzler hat immer den großen
Fehler gezeigt, hübsche Redewendungen über starke Gedanken
zu stellen, er darf sich nicht wundern, wenn man sich ent¬
täuscht abwendet und bedauert, daß er wieder einmal zu Gast!
lud, ohne zu befriedigen, wenn man kopfschüttelnd meint, er
werde „das Stück“ wohl niemals schreiben. Vielleicht spornt
ihn das an, sich doch noch zu bemühen, sein mit den Anfängen
gegebenes Wort einzulösen.
Die Aufführung zählt nicht zu den besten. Vor allem
fehlt Herrn Treßler für den klassisch gewordenen Herzens¬
brecher die süße Liebenswürdigkeit Waldens, dem wohl die
Rolle auf den Leib geschrieben wurde. Treßler ist mehr Ca¬
gliostro, wie Casanova, zu schwer für so viel Leichtlebigkeit.
Frl. Aknay, auffallend hübsch in der kleidsamen Tracht, auch
recht beredt in ihrer sinnigen Geste des Anfangs, verliert
später den festgehaltenen Faden und reißt ihn zu etzt wirkungs¬
los ab. Immerhin hat die junge Künstlerin hübsche Momente,
die für die Zukunft sogar vielsprechend si.d. Fr.
Albach-Retty spricht entzückend und ist auch in starken
Worten immer die graziöse Weltdame, der selbst das läster¬
hafte Wort ansteht. Herr Schott zeigt dankenswerte Grazie
und leichtbewegliche Eleganz, Herr Danegger spricht gut
und Herr Heine opfert sich für einen nichtssagenden Rai¬
sonneur, der viel spricht. Sowie sich Frl. Marberg für eine
kurze, ebenso nichtssagende Kokottenrollé opfert. Im Grunde
haben sie alle nicht viel zu sagen, obzwar sie viel sprechen,
opfern sich alle für eine recht undankbare Aufgabe. Man hankte
ihnen, wofür sich Schnitzler bedankte und das Publikum ap¬
plaudierte lachend, weil es einsah, daß man es mit dem viel¬
verheißenden Titel eigentlich gefoppt hat. Bewundernswertes
leistete der Garderobier in den kostbaren Roben und fein¬
gefalteten Jabots. Man glaubte sich bei Watteau zu Besuch
Aus dem Kunstleben.
Wochenschau auf Wiener Bühnen.
Die einzige Schauspielnenheit dieser Woche brachte das
[Burgtheater, wo man Artur Schnitzlers Lustspiel
„Die Schwestern“ aufführte. le###chlung viel
Worte zu verlieren, lohnt wirklich nicht der Mühe. Sie zeigt kei¬
nerlei literarische Qualitäten und ihr) Thema — eine Liebes¬
nacht, die der „berühmte“ Frauenjäger Casangya bei einer an¬
dere: Geliebten zubringt, ass bei jener, der sein Besuch ver¬
meint war — ist so unerquicklich undganrüchig, daß das Stück
lediglich Empfindungen des Ekelscund Widerwillens wachzuru¬
fen vermag. Es ist ganz unbegreiflich, daß das Burgtheater, das
unter seiner früheren Le###ng dem Ansinnen, dieses Stück auf¬
zuführen, tapferen Werstand geleistet hat, nun doch danach
griff. Allen Freunden dieser Bühne, allen Freunden des deut¬
schen Theaters, allen reinlich denkenden Menschen, die von der
Sendung und den Aufgaben deutscher Schauspielkunst noch
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irgendwie ideale Vorstellungen hegen, muß dieser Abend ein
Greuel gewesen sein. Erfoeulich an der Aufführung war einzig,
daß sie herzlich schwachen Beifall fand und daß sich selbst die
gleichrassigen Freunde des Dichters, die sonst jeden Anlaß be¬
nüten, ihm Huldigungn zuzujubeln, diesmal mit ihrer De
geisterung nicht hervorwagten, die den auch übel genug auf
Platze gewesen wäre.
Hofbiedeg.


In der vom Burgtheater vorbereitenden Auf¬
führung“ von Strindbergs „Königin Christine“ wird
Fyzu“Medelsky die Titelrolle spielen.
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Artur Schnit#l#shat für die weie Aufführungen
seines neuen Lustspiels „Die Schwestgul### urgtheater aus
dem Verlauf der Premie##c wertvölle Erfahrung gezogen. Das
Stück wird nicht mehr ohne Pause gespielt. Vor dem Austritt
Casanonas fällt der Vorhang, und erst die letzte: zwei Aufzüge,
werden in einem gespielt. I.“
[Verschiebung der Memtere Sn—
ers
„Schwestern“ im Burgskater.] Wie uns mittags aus
dem Burgtbegter gemeiden wird, kann die Prem
.
Lust'piels „Die Schwestern“###
e Mitt¬
woch nicht stattfinden. Dieü d# wurde
für Freitag den 26. d. angesetzt.

Z3Tt6.1920
Neues Wiener Journal
Im Burgtheater spielt morgen in dem Lustspiel
Die Reise in die Mädchenzeit“ an Stelle der erkrankten Frau
Devrient=Reinhold Fräulein Littitz die Rolle der Varonin.
(Z-Im Burgtheater findet Dienstag die Generalprobe
des vieraktigen Lustspiels „Die Tragödie des Eumenes“
von Thaddäus Rittner statt. Die Vorstellung ist für den
folgenden Tag zu erhöhten Preisen angesetzt. Sodann beginnen
die Proben zu Schnit##ns=Lustspiel „Die Schwestern“
In den Hauptrollen sind die Damen Aknay, Wohlgemuth, Retty
und die Herren Schott, Danegger, Heine, Treßler und Hans
Thimig beschäftigt. Daneben werden die Proben für die Neu¬
inszenierung des „Volksfeind“ mit Gorg Reimers
als Dr. Stockmann statlfinden. Das seit längerer Zeit nicht
gespielte Lustspiel „Doktor Klaus“ wird wieder in den
Spielplan ausgenommen. Die Rolle des Lubowski syielt Hugo
Thimig als Gast. — Am 5. März wird Schönherrs¬
„Frau Suittner“, das seit dem 4. September 1918 nicht mehr
gespielt worden ist, wiedet aufgeführt. Die Titelrolle spielt Frau¬
Bleibtren; feiner sind schäftigt die Damen Medelsky und Mayer
sowie Herr Paulsen.
Im Operntheater kammen morgen DirGe.