box 3375
28. Die Schuestern-oder CasanouninSpa
Calier Kbnung, baur
Mergeanseebe
Gonntag
I. Beilage der „Berli
11. April 1920
—
A
Kunst und Wliesene
einen Einalter mehraltig zu spielen (was Goethe be¬
„Die Schwestern.“
kanntlich Kleists „zerbrochenem Krug“ angetan hat).
Ein Lustspiel in Persen. Drei Alte in einem
„Die Schwestern“ haben im Burgtheater
trotzdem sehr eindrucksvoll gewirkt. Die keusche
Seh WrryntSthnir
Junigkeit der Frau Aknay, die beflügelte Lane der
Urausführung am Burgtheater in Wien.
Frau Betty und des Herrn Treßler haben alle
Von
Schönheiten des Werkes beredt gemacht.
1eo Feld.
Schnitzlers Casanovaspiel „Die Schwestern“ ist wie
ein heilerer Cpileg zu seinen Werten. (Was aber, um
Himmelswillen, nur ein Gleichnis bleiben möge!) Die
Melodien, die nun seit einem Vierteljahrhundert uns
so eindrucksvoll ins Ohr lingen, blühen hier noch
einmal auf. Es ist ein lustiges, sogar sehr verwegen
lustiges Spiel ernster Menschlichkeiten. Aber der
Dichter leugnet ihren Ernst. Das ist der
neue Klang, der den alten Melodien gegeben ist.
Die heitere Höhe, die sich der Dichter erlämpft hat,
kennt keine verheerenden Wetter mehr; sie grollen nur
noch verhallend aus der Tiese empor. Mit sonveräuer
und aus wirklicher geistiger Freiheit wachsender Ironie
lächelt er über die großen Schmerzen der Liebe. Der
pathetische Zorn des Mannes, der seine Braut aus den
Armen eines anderen kommen sieht, ist ihm der Auf¬
schrei dummer Eitelkeit; die Treulosigkeit der von einer
heißen Stunde berauschten Frau, das Wert elementarer
Gewalten, das ihr Selbst unberühri und unverant¬
wortlich läßt. Und das Stück krönt ein Wort, dessen
menschliche Schönheit sehr innig wirkt: Treue ist Rück¬
kehr. Daß die Geliebte freiwillig zu dem Geliebten
zurückgesunden hat, entsündigt und entfühnt sie.
Der, dem diese milde Weisheit auf die Lippen ge¬
legt ist, ist kein Geringerer als Herr Casanova, Aben¬
teurer, Falschspieler, Philosoph, Verführer, Edelmann,
Glücksritter, Lebenskünstler und Lebensweiser von
Beruf. Ihm ist eben seine flüchtige Gelieble, die
Tänzerin Teresa, sehnsuchts= und renevoll zurückgekehrt,
und er möchte den hellen Widerschein dieser gesegneten
Stunde auch das trübe, zweifelnde Herz seines jungen
Freundes Andrea durchleuchten sehen.
Ich frage Sie, mein Freund, gibi's bessre Treue,
Gibt's, frag ich klarer noch, gibt's eine andie
Auf Erden zwischen Mann und Weid, Andrca,
Als die Teresa eben mir bewies?
Sie kehrte mir zurück. Nur das ist Treue,
Die einz'ge, die mit Fug so heißen dorf.
Denn was uns sonst Gewähr der Treue gilt
Das hält nicht stand vor philosoph'scher Prüfung.
Ist's eiwa ein Beweis, wenn hingegeben
Nach schwerem Kampf mit heißen Wollustzähren
Die Tugend selbst in Ihre Arme sinkt?
Wer weiß, von wem sie träumt in Ihrem Arm!
Ein heilger Schwur? Mein Freund, die Weiber wissen
Wie wir: daß Gott mit seinen Blitzen spart.
Sie nimmt Gefahr auf sich? Das würzt die Lust.
Sie tötet sich, durch dieses letzte Opfer
Die Zweisel des Geliebten zu besiegen —?
Im Grunde hofft sie nur — als sel'ger Geist
An seinen Renetränen sich zu weiden! —
Und da Andrea die Wiederkehr nur als Beweis der
Treue gelten lassen will, wenn sic auch Heimkehr
wäre, betenert Casanova:
Heimkehr? — O Wahn! Als wenn ein Mensch
dem andern
Heimat zu sein sich jemals schmeicheln dürfte.
Ist Wand'rung nicht der Seele ew'ger Ruf?
Was gestern noch als fremd uns angefröstelt,
Umfängt's uns heute nicht vertraut und warm?
Und was uns Heimat hieß, war's jemals mehr
Als Rast am Weg, so kurz, so lang sie währte?
Das ist der geistige Hintergrund des Werkes.
Fragt sich nur, ob dieses Spiel, dessen menschliche und
künstlerische Kultur von fesselndem Reiz ist, auch die
überzeugende Kraft der Darstellung hat
Antuck, ein junges Mädchen, das Heer Andrea Bussi
aus Ferrara entführt hat, erwartet nachts sehnsüchtig
den Geliebten. Statt seiner schwingt sich ein anderer
über die Brüstung des Fensters. Seinem leidenschaft¬
28. Die Schuestern-oder CasanouninSpa
Calier Kbnung, baur
Mergeanseebe
Gonntag
I. Beilage der „Berli
11. April 1920
—
A
Kunst und Wliesene
einen Einalter mehraltig zu spielen (was Goethe be¬
„Die Schwestern.“
kanntlich Kleists „zerbrochenem Krug“ angetan hat).
Ein Lustspiel in Persen. Drei Alte in einem
„Die Schwestern“ haben im Burgtheater
trotzdem sehr eindrucksvoll gewirkt. Die keusche
Seh WrryntSthnir
Junigkeit der Frau Aknay, die beflügelte Lane der
Urausführung am Burgtheater in Wien.
Frau Betty und des Herrn Treßler haben alle
Von
Schönheiten des Werkes beredt gemacht.
1eo Feld.
Schnitzlers Casanovaspiel „Die Schwestern“ ist wie
ein heilerer Cpileg zu seinen Werten. (Was aber, um
Himmelswillen, nur ein Gleichnis bleiben möge!) Die
Melodien, die nun seit einem Vierteljahrhundert uns
so eindrucksvoll ins Ohr lingen, blühen hier noch
einmal auf. Es ist ein lustiges, sogar sehr verwegen
lustiges Spiel ernster Menschlichkeiten. Aber der
Dichter leugnet ihren Ernst. Das ist der
neue Klang, der den alten Melodien gegeben ist.
Die heitere Höhe, die sich der Dichter erlämpft hat,
kennt keine verheerenden Wetter mehr; sie grollen nur
noch verhallend aus der Tiese empor. Mit sonveräuer
und aus wirklicher geistiger Freiheit wachsender Ironie
lächelt er über die großen Schmerzen der Liebe. Der
pathetische Zorn des Mannes, der seine Braut aus den
Armen eines anderen kommen sieht, ist ihm der Auf¬
schrei dummer Eitelkeit; die Treulosigkeit der von einer
heißen Stunde berauschten Frau, das Wert elementarer
Gewalten, das ihr Selbst unberühri und unverant¬
wortlich läßt. Und das Stück krönt ein Wort, dessen
menschliche Schönheit sehr innig wirkt: Treue ist Rück¬
kehr. Daß die Geliebte freiwillig zu dem Geliebten
zurückgesunden hat, entsündigt und entfühnt sie.
Der, dem diese milde Weisheit auf die Lippen ge¬
legt ist, ist kein Geringerer als Herr Casanova, Aben¬
teurer, Falschspieler, Philosoph, Verführer, Edelmann,
Glücksritter, Lebenskünstler und Lebensweiser von
Beruf. Ihm ist eben seine flüchtige Gelieble, die
Tänzerin Teresa, sehnsuchts= und renevoll zurückgekehrt,
und er möchte den hellen Widerschein dieser gesegneten
Stunde auch das trübe, zweifelnde Herz seines jungen
Freundes Andrea durchleuchten sehen.
Ich frage Sie, mein Freund, gibi's bessre Treue,
Gibt's, frag ich klarer noch, gibt's eine andie
Auf Erden zwischen Mann und Weid, Andrca,
Als die Teresa eben mir bewies?
Sie kehrte mir zurück. Nur das ist Treue,
Die einz'ge, die mit Fug so heißen dorf.
Denn was uns sonst Gewähr der Treue gilt
Das hält nicht stand vor philosoph'scher Prüfung.
Ist's eiwa ein Beweis, wenn hingegeben
Nach schwerem Kampf mit heißen Wollustzähren
Die Tugend selbst in Ihre Arme sinkt?
Wer weiß, von wem sie träumt in Ihrem Arm!
Ein heilger Schwur? Mein Freund, die Weiber wissen
Wie wir: daß Gott mit seinen Blitzen spart.
Sie nimmt Gefahr auf sich? Das würzt die Lust.
Sie tötet sich, durch dieses letzte Opfer
Die Zweisel des Geliebten zu besiegen —?
Im Grunde hofft sie nur — als sel'ger Geist
An seinen Renetränen sich zu weiden! —
Und da Andrea die Wiederkehr nur als Beweis der
Treue gelten lassen will, wenn sic auch Heimkehr
wäre, betenert Casanova:
Heimkehr? — O Wahn! Als wenn ein Mensch
dem andern
Heimat zu sein sich jemals schmeicheln dürfte.
Ist Wand'rung nicht der Seele ew'ger Ruf?
Was gestern noch als fremd uns angefröstelt,
Umfängt's uns heute nicht vertraut und warm?
Und was uns Heimat hieß, war's jemals mehr
Als Rast am Weg, so kurz, so lang sie währte?
Das ist der geistige Hintergrund des Werkes.
Fragt sich nur, ob dieses Spiel, dessen menschliche und
künstlerische Kultur von fesselndem Reiz ist, auch die
überzeugende Kraft der Darstellung hat
Antuck, ein junges Mädchen, das Heer Andrea Bussi
aus Ferrara entführt hat, erwartet nachts sehnsüchtig
den Geliebten. Statt seiner schwingt sich ein anderer
über die Brüstung des Fensters. Seinem leidenschaft¬