II, Theaterstücke 28, Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 124

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Nach schwerem Kampf mit heißen Wollustzähren
Die Tugend selbst in Ihre Arme sintt?
Wer weiß, von wem sie träumt in Ihrem Arm!
Ein heilger Schwur? Mein Freund, die Weiber wissen
Wie wir: daß Gott mit seinen Blitzen spart.
Sie nimmt Gefahr auf sich? Das würzt die Lust.
Sie tötet sich, durch dieses letzte Opfer
Die Zweisel des Geliebten zu besiegen —?
Im Grunde hofft sie nur — als sel'ger Geist
An seinen Renetränen sich zu weiden! —
Und da Andrea die Wiederkehr nur als Beweis der
Treue gelten lassen will, wenn sie auch Heimkehr
wäre, betenert Casanova:
Heimkehr? — O Wahn! Als wenn ein Mensch
dem andern
Heimat zu sein sich jemals schmeicheln düeste.
Ist Wand'rung nicht der Seele ew'ger Ruf?
Was gestern noch als fremd uns angefröstelt,
Umfängt's uns heute nicht vertraut und warm?
Und was uns Heimat hieß, war's jemals mehr
Als Rast am Weg, so kurz, so lang sie währte?
Das ist der geistige Hintergrund des Werkes.
Fragt sich nur, ob dieses Spiel, dessen menschliche und
künstlerische Kultur von fesselndem Reiz ist, auch die
überzeugende Kraft der Darstellung hat.
Anina, ein junges Mädchen, das Herr Andrea Bassi
aus Ferrara entführt hat, erwartet nachts sehnsüchtig
den Geliebten. Statt seiner schwingt sich ein anderer
über die Brüstung des Fensters. Seinem leidenschaft¬
lichen Ungestüm erliegt die Harrende. Und dieser
andere war Casanova.
Am nächsten Tage bekennt Anina ihr Erlebnis —
als Schuld kann sie es nicht empfinden — dem Ge¬
kiebten. Andrea weist ihr die Tür. Da kommt
Casanova. Und die Fäden des Spiels verwirren sich.
Casanova hatte sich nachts im Fenster geirrt. Er hat
Flaminia, die Rachbarin Aninas, gesucht und glaubt,
bei ihr gewesen zu sein. Andrea atmet entlastet auf;
da nur er und Anina um das nächtliche Abenteuer
wissen, kann es zwischen ihnen auch begraben bleiben.
Aber nun meldet sich Flaminia mit ihren Ansprüchen.
Und die Frage wird immer lanter: wer ist eigentlich
der Betrogene dieser Nacht? Anina, die ein heißes
Glück empfangen hat und nun erfahren muß, daß es ihr
gar nicht zugedacht war; Flaminia, die vergeblich war¬
tete; Casanova, der die ersehnte Frau zu umarmen
glaubte und einer anderen seine Zärtlichkeiten scheutte;
Andrea, dessen Geliebte in den Armen Casanovas
ruhte; oder Flaminias Galte, bei dessen Frau sich
Casanova zu Gaste glaubte?
Die Absicht dieses witzigen Gewirrs ist klar: es will
die Wesenlosikeit und Unpersönlichkeit des Liebesspieles
zeigen. Es bagatellisiert die Erotil oder besser gesagt,
den Sexualismus. Anina und Casanova sind in eine
leidenschaftliche Stunde verstrickt; aber nicht sie, sondern
Flamima ist es eigentlich, die ihn beglückt; nicht ihr,
So
sondern Flaminia gelten seine Zärtlichkeiten.
wenig ist von ihrem Selbst, von ihrem Wesen, von
ihrer Persönlichkeit im Spiele.
Daher auch der Titel des Werkes; Schwestern sind
alle Frauen, einander gleich, verstehend, hilfreich im
Kampf der Liebe. Auch hier wieder die nivellierende,
die Persönlichkeit auslöschende Meinung des Spiels.
Es ist eine wie die andere. Eine wie die andere —
im Spiel mit dem Mann.
Es ist Güte, die den Dichier so sprechen läßt, nicht
Frivolität. Helsend, entlastend, befreiend will sein
In
Werk sein. Nehmt die Dinge nicht so schwer!
Wirklichkeit fallen sie ja so leicht ins Gewicht! Aber
bei all dem beschwingten Ernst des Spiels bleibt doch
ein Erdenrest, zu tragen peinlich. Es will die auf¬
richten, denen eine treulose Stunde wie ein Ziegelstein
auf den Kopf gefallen ist. Sehr dankenswert; aber —
es lockert auch ein bißchen die Ziegelsteine. Die Wieder¬
kehr löscht ja alles aus.
Die große künstlerische Tugend dieses Spiels ist
die Anmut und freie Heiterkeit seiner Linienfüh¬
rung. Der empfindlichste Einwand: die Unglaub¬
würdigkeit seiner seelischen Vorgänge. Ist es denk¬
bar, daß diese heiße Jugend, die man von ihrem Er¬
kebnis betäubt, ratlos verloren glauben müßte, so
rasch, noch in derselben Stunde fast, die innere Frei¬
heit gewinnt, um den Humor ihrer Lage in ein geist¬
reiches Spiel umzusetzen? Andrea, der Dichter, macht
aus dem Ereignis der Nacht eine (gesprochene) Novelle,
deren Pointe zuerst der Gatte Flaminias, dann Casanova
finden soll. Von ihnen will er die Antwort auf die
Frage: wer von den beiden Damen das nächste Recht
an den nächtigen Gast hat. Ob die, die er sand, oder
die, die er suchte. In Wirklichkeit wird er so schnell
weder die Ruhe zur Novelle, noch zur Frage, noch zu
dem Verständnis für Casanovas milde Liebesphilosophie
hoben.
Was das Stück darstellen win, erfordert Zeit, und
gerade mit ihr hat der Dichter diesmal gegeizt. Ihm
liegt so viel daran, die Schicksale des Lustsvieles in
zwei Stunden einzufassen, daß er dessen drei Alte in
(„Drei Akte in einem“
pausenloser Folge spielen lößt.
Aber drei Auszüge in
besagi Buch und Theaterzettel.)
einen zn geben, ist ebenso künstterisch bedenklich, wie